„Alzheimer Pitch“ im Messeforum
Das deutsche Gesundheitssystem gilt als vorbildlich, ist aber künftig kaum noch finanzierbar. Demografische Veränderungen, immer ältere, multimorbide Menschen und chronisch Erkrankte erfordern neue Ansätze. Start-ups möchten mit vielfältigen Lösungen die etablierte Gesundheitsversorgung verbessern. Gerade im Krankenhaus scheint dies besonders schwer. So diskutierte eine Runde von Young Professionals, ob mit ihrer Hilfe die digitale Versorgung im Krankenhaus optimiert werden kann. „Ja“ lautete das einstimmige Fazit von fünf Start-ups und einem Krankenhausgeschäftsführer – und zwar mit mehr Mut, Agieren auf Augenhöhe, klaren Zuständigkeiten und dem Einbezug aller Beteiligten, insbesondere den oft vergessenen Pflegekräften. Eine Bitte der Klinikseite an Gründer: Nicht ungefragt alles anbieten, sondern vorher informieren. Jede Klinik hat andere Abteilungen und Schwerpunkte, pauschales Kontaktieren nutzt wenig und ermüdet die Entscheidenden.
In einer Pitch-Runde zum Thema Alzheimer durften neun Start-ups ihre Lösungen dem Messepublikum präsentieren. Diese Finalisten waren aus rund 80 eingegangenen Bewerbungen ausgewählt worden. Das Pharma-Unternehmen Biogen hatte den Preis erstmalig ins Leben gerufen und hoch dotiert – mit Preisgeldern von 100.000 bzw. 50.000 Euro für den Erst- und den Zweitplatzierten.
Warum gibt es diesen Award? Die Demenz gilt als besondere Gesundheitsherausforderung des 21. Jahrhunderts. Häufigste Ursache dafür ist die Alzheimererkrankung. Trotz intensiver Forschung und vielversprechender Behandlungsansätze ist diese bisher nicht heilbar. Umso wichtiger sind innovative Lösungen zur Verbesserung von Diagnose und Therapie sowie zur Steigerung der Lebensqualität, bei Erkrankten und ihren Angehörigen. Mit dem „neurotechprize“ fördern Biogen und EIT Health digitale Innovationen in vier Schwerpunktbereichen: Diagnosebeschleunigung, Kontrolle des Krankheitsverlaufs, Erleichterung der Diagnose- bzw. Behandlungswege (für Patient:innen) und Lebensqualitätserhaltung.
Am Nachmittag wurden die Sieger ausgezeichnet: Gewinner der 100.000 Euro wurde Five Lives aus Frankreich. Das Start-up möchte Menschen dazu befähigen, ihr individuelles Risiko einer Alzheimer-Erkrankung eigenständig zu reduzieren. Hierfür entwickelte das junge Unternehmen eine App, mit der Nutzende ab circa 50 Jahren die Gesundheit ihres Gehirns anhand einer klinisch validierten Risikobewertung überprüfen können. Die App leitet ferner zur Verbesserung des Lebensstils an, um das individuelle Alzheimer-Risiko zu verringern.
Zweiter Sieger wurde Neurocast aus den Niederlanden. Mit dieser Lösung soll die Überwachung neurologischer Erkrankungen wie Alzheimer-Krankheit günstiger und unkomplizierter werden. Die Anwendung nutzt alltägliche digitale Interaktionen, beispielsweise die Smartphone-Anwendung, um eine individuelle Leistungsüberwachung der Patient:innen im Alltag zu ermöglichen. Dabei setzt das Start-up auf passives digitales Monitoring, etwa indem die Standard-Tastatur des Smartphones durch die datengenerierende „Neurokeys“-Tastatur ersetzt wird.
Die Finalisten aus Europa und den USA erhielten während der Mentoringphase bereits Unterstützung von Expert:innen aus Wirtschaft und Forschung, um ihre Ideen weiter zu entwickeln. Zwei der ausgewählten Anwendungen, ichó und PeakProfiling, stammten übrigens aus Deutschland. Den Preis will Biogen auch 2023 wieder ausschreiben.