MedtecLIVE with T4M: Erfolg dank Kooperation statt Konkurrenz

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Autor: Michael Reiter

Höchst zufrieden mit dieser Premiere zeigten sich die Vertreter aus Stuttgart und Nürnberg: Die Stimmung unter den mehr als 400 Ausstellern sowie den zahlreichen Fachbesuchern und der Politik war äußerst positiv. Die „MedtecLIVE with T4M“ führt die bayerische und die baden-württembergische Medizinprodukt-Veranstaltung zusammen und wechselt jährlich zwischen den beiden Städten. In dieser Form ist das Angebot hinsichtlich Innovationszyklen und Regionalität marktfähig, darin war sich Niklas Kuczaty, Geschäftsführer VDMA Arbeitsgemeinschaft Medizintechnik und T4M-Unterstützer, einig mit Dr. Roland Fleck, Geschäftsführer Nürnberg Messe. Das Ziel sei erreicht – und man gehe jetzt mit Engagement in die Verstetigung dieser Veranstaltungsplanung.

Symbolisch für die Bedeutung des deutschen Südens im Medtech-Markt sei der hohe Anteil unter den Ausstellern, betonte die Fazit-Runde mit Politik und Industrie. Rund die Hälfte der Unternehmen stammte aus dieser Region. Die wirtschaftliche Bedeutung der Gesundheitswirtschaft und insbesondere der Medtech-Industrie in den beiden Bundesländern sei enorm, sagten die beiden Staatssekretäre.

Bayern beziehe die Branche in seine Hightech-Unterstützungsaktivitäten ein, betonte Roland Weigert vom bayerischen Ministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie. Aufgabe der Politik sei es, die Rahmenbedingungen für den Erfolg zu setzen, so Dr. Patrick Rapp vom baden-württembergischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus. Die Vernetzung von Herstellern, Forschung, Leistungserbringern und Patient:innen bilde hier eine essenzielle Voraussetzung.
Effekte auf all diese Beteiligten haben die Schwierigkeiten in den Lieferketten, deren Ursachen erst in der Pandemie und nun im Ukraine-Krieg liegen. Diese negativen Effekte im globalisierten Markt lassen sich durch Hersteller nicht kurzfristig abfedern, erklärte in der Diskussionsrunde Britta Fünfstück, Vorstandsvorsitzender Hartmann-Gruppe. Regulatorische Vorgaben verhindern Flexibilität beim Einsatz von Lieferanten. Und die Verfügbarkeit von Gas betreffe beispielsweise nicht nur den Energiebereich, sondern auch Abdeckmaterialien und Folien etwa für OPs.

Über eine Refokussierung auf Europa sollte daher hinsichtlich Lieferketten und Fertigung überlegt werden, legte Dr. Rapp nahe. Das Ende der Globalisierung erfordere vorab ein „Umparken im Kopf“. Die Südschiene – mit rascheren, fachkompetenzgestützten politischen Entscheidungen im Vergleich zu Berlin – bietet für solche Diskussionen eine gute Basis, kommentierte Weigert. Der Markt als Steuerungsmechanismus braucht zu viel Zeit, so Dr. Rapp; die Politik muss eingreifen.

Auch zur Sicherung der Versorgung seien neue Ansätze nötig, sagte Fünfstück: Während Unternehmen wie Hartmann rasch und flexibel eine Maskenproduktion aufgesetzt hatte, steht inzwischen wieder der harte Preiskampf an. Zugleich müssten wegen Haltbarkeitsdaten Bestände abverkauft und erneuert werden. Diese Herausforderungen passen aber wirtschaftlich nicht in den gegenwärtigen Marktrahmen. Die Politik sollte also über die finanzielle Unterstützung für die Lagerhaltung nachdenken, um regionale Versorgungssicherheit zu gewährleisten.

Schluss mit „Just-in-time“, ein Ende der Abhängigkeit von Ländern wie China etwa in der Medikamentenversorgung seien nötig, resümierte Weigert: Wer sich im globalen Markt abhängig mache, gehe zu hohe Risiken ein. Eine lokale Unterstützung von beispielsweise 30 Prozent einer relevanten Produktkategorie könne eine sinnvolle Lösung sein; die anderen Anteile ließen sich global sourcen.

Der Eingriff der Politik sei im regulatorischen Bereich ebenfalls gefordert, so der Tenor beim Fazit-Panel. Die MDR bedrohe mit der übermäßigen Inanspruchnahme personeller und finanzieller Ressourcen die Verfügbarkeit von Bestandsprodukten ebenso wie die Portfolios kleinerer Unternehmen. Hier ist ein Spagat nötig, sagte Weigert: Qualität muss natürlich sein, aber die Hersteller müssen die Anforderungspakete auch tatsächlich erfüllen können. Im bayerischen Cluster Medtech erhalten Unternehmen hierbei Unterstützung mit kompetenter Beratung und finanziellen Mitteln. Ein Ende der „Super-safe Society“ forderte Weigert. Und Innovation dürfe nicht gebremst werden, betonte Dr. Rapp mit Hinweis auf entsprechende Soforthilfen, die Baden-Württemberg derzeit anpasst. Woraus setzen wir Prioritäten – fragte Fünfstück: auf die Versorgung von Patient:innen mit zeitgemäßen Medizinprodukten oder auf das Bedienen bürokratischer Vorgaben? Eine internationale Vereinheitlichung im regulatorischen Kontext könne helfen, den Aufwand zu reduzieren.

Einen dritten innovationskritischen Bereich sprach das Panel hinsichtlich Daten und neuen Entwicklungen wie der künstlichen Intelligenz (KI) an. Baden-Württemberg wolle dem Bund beim Thema des überzogenen, innovationsfeindlichen Datenschutzes Beine machen, kommentierte Dr. Rapp; auch in Bayern wurden hierzu Initiativen gestartet. KI, 3D-Druck und weitere Technologien ermöglichen künftig bessere, personalisierte Medizin, so das Panel. Ein Beispiel von Hartmann zeige dies: ein neues Wund-Produkt werde KI-basiert beim jeweiligen Patientenfall die auf Big Data beruhende Befundung schwer heilender Wunden optimieren.

Die „Südschiene“ generiert ein Drittel des gesamten deutschen Inlandsproduktes, betonten die Staatssekretäre. Auf die Frage, inwieweit grenzüberschreitend Österreich oder auch einzelne Bundesländer im Nachbarland sich beteiligen können, zeigten sich die Staatssekretäre positiv und offen für Gespräche.

Die Nürnberger freuen sich darauf, 2023 die MedtecLIVE with T4M durchzuführen. Dr. Fleck unterfütterte mit einem Lächeln die Einladung zur Teilnahme kulinarisch: Nach den Maultaschen in diesem Jahr warten dann Rostbratwürste auf die Teilnehmer.

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