Satire: Home Hospital als letzter Ausweg

Lesedauer beträgt 2 Minuten
Autor: Norbert Peter

Bekenntnisse eines Leidenden. Eine Satire von Norbert Peter.

Das Morgenjournal im Radio bringt mehr Horror als Halloween und der Krampus zusammen. Zwischen all den Massakern und Kriegen kommt man seelisch kaum mehr zur Ruhe. Und jetzt steigen auch noch die Preise auf den Advent­märkten! Nicht mal mehr den Punsch kann man sich leisten.

Wenigstens die Wissenschaft kann eine gute Nachricht vermelden. Eine neue Studie verspricht Glück im doppelten Sinn: Akuter Schlafmangel führt anscheinend zur Ausschüttung des Glückshormons Dopamin. Obendrein wurde an Mäusen beobachtet, dass sich das Gehirn bei Schlafentzug neu ordnet. Diese Konstellation wirkte wie ein Antidepressivum auf die kleinen Säuger. Das ist doch eine gute Nachricht für alle, die im Nachtdienst durchhalten: Freut euch auf den Trip und dankt dem Dienstgeber, dass er diese Freudenmomente nicht vom Gehalt abzieht.

Dabei sind die Straßen im Advent voll: Die Kids streiken für Frieden und ein besseres Klima, die Gewerkschaften protestieren, weil sie ihre Löhne in die Höhe schrauben wollen und nun will sogar die Wiener Ärzteschaft an die frische Luft gehen. Demonstrationen und Streiks sollen Honorare und Einfluss erhöhen, unterstützt von der Horrormeldung: „Ohne uns stirbt Wien“ wurde auf einem Plakat angekündigt. Als gelernter Wiener und bekennender Hypochonder empfinde ich dies als unangenehme Prognose. Ich verlange die permanente Bereitschaft des medizinischen Personals für meine Gesundheit. Rund um die Uhr, 24/7.

Es geht um mein Leben! Dementsprechend wünsche ich, dass die Kammer-Forderungen besser gestern als heute umgesetzt werden. Wenn man bedenkt, dass uns die Medizinerinnen und Mediziner der Stadt das Überleben selbst in extremen Gesundheitskrisen ermöglichen. Wie sie in uns reinschauen, uns wunderbare Mittelchen verschreiben und unsere Knochen liebevoll zusammennageln.

Da nehme ich auch in Kauf, dass ich in letzter Zeit immer häufiger schon von der strengen EVA (ErstVersorgungsAmbulanz) abgefangen wurde: Die Triage neben dem Eingang hat die Pandemie leider überdauert. Nach meinem 50. Versuch, wegen Rückenschmerzen auf die orthopädische Ambulanz meiner Lieblingsklinik zu gelangen, musste ich zehnmal an eine Tafel schreiben „Wenn ich mich krank fühle, gehe ich zuerst zum Hausarzt“.

30 Prozent mehr Gehalt verlangt die Wiener Ärztekammer für ihre Schützlinge. Als Plan B sollten wir alternativ jeden Ersten im Monat 30 Minuten am Balkon in die Hände klatschen.

Solidarität ist gefragt: Wir werden einfach nicht mehr krank werden! Dann werden die Stadträte, Gesundheitsmanager und Klinikvorstände schon schauen, wo sie hinkommen! Wenn plötzlich ihre treuesten Kunden ihre Leiden nicht mehr öffentlich ausleben. Wenn wir zu Hause in der stillen Patienten-Kammer unsere Leiden für uns behalten. Das wird Home-Hospital bis zur letzten Konsequenz: „Wien stirbt und keiner wird es merken!“

Wenn alles nichts nutzt, muss die Ärztekammer nolens volens zum letzten Mittel greifen: Sie droht mit der Vertragskündigung mit den Sozialversicherungen, damit wir in den Ordis den Vollpreis zahlen! Und dies alles zum Wohle der Patienten, wie die Kammer betont. Wer diese Logik nicht versteht, kann kein richtiger Arzt sein.

An dieser Stelle noch ein letzter Versuch, eine friedliche Einigung zu erzielen. Es ist mehr ein letztes Flehen: Gebt den Ärzten, was sie brauchen. Und vertragt euch doch wieder, seid alle lieb und verständnisvoll miteinander!

Wenn dann sämtliche Konflikte zwischen Ärztinnen, Apothekern, Pflegern, Krankenhausvorständen und Politikerinnen ausgetragen sind, wäre es nett, wenn wir uns wieder der eigentlichen Aufgabe zuwenden: MIR, eurem ewig treuen Patienten.   

Norbert Peter
Kabarettist, Buchautor, Journalist
Peter & Tekal, medizinkabarett.at

Nächste Termine:
„WechselWirkung“ am 7.1.2024 im Orpheum
(A-1220 Wien, Matinee, Beginn: 11 Uhr)
und am 27.1.2024 in der Papierfabrik Varieté
(A-2431 Kleinneusiedl, Beginn: 20 Uhr)

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