Advanced Practice Nurse: Pflege mit Leadership

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Autor: Norbert Peter

Das Berufsbild der „Advanced Practice Nurse“ wartet in Österreich auf seinen Durchbruch. Neue Initiativen sollen den Einsatz der hochspezialisierten Betreuerinnen und Betreuer endlich in die Gänge bringen.

Die im Februar veröffentlichte Personalprognose der „Gesund Österreich GmbH“ (GÖG) wartet mit neuen Zahlen auf. Die aktualisierten Berechnungen ergaben, dass der Personalstand im Pflegebereich bis 2030 auf 143.200 Menschen angehoben werden muss, um den Versorgungsstand des Jahres 2019 aufrechtzuerhalten. Dies würde den Zusatzbedarf decken, aber auch die pensionsbedingten Abgänge von 20.600 bis 2030. Pflegepersonen. Eine der Maßnahmen, die die GÖG in ihren Schlussfolgerungen vorschlägt, ist die Effizienzsteigerung im System. Dazu gehöre unter anderem eine bessere Koordination der Abläufe und der richtige Personalmix.

Mehr Verantwortung für die Pflege. Advanced Practice Nurses (APNs) haben in vielen Gesundheitssystemen tragende Rollen. Sie haben erweiterte Kompetenzen und treffen Entscheidungen. In den meisten heimischen Spitälern ist die Funktion der APN nicht vorgesehen.

Potenzial ungenützt

Gleichzeitig verzögern sich Lösungen, die in anderen Ländern schon umgesetzt wurde. Die Rede ist von verschiedenen Formen der Aufwertung der Pflegetätigkeit und jener, die sie ausüben. So werden Pflegende beispielsweise unter ihren Kompetenzen eingesetzt, wie Silvia Neumann-Ponesch meint: „Das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz lässt wesentlich mehr zu, als wirklich gelebt wird.“ Neumann-Ponesch leitet seit über zehn Jahren den Lehrgang „Interkulturelles Pflegemanagement“ an der FH Oberösterreich und hat vor rund fünfzehn Jahren das „Forum ANP Austria“ ins Leben gerufen. Darin versuchen engagierte Branchenvertreter mit Vernetzung, Diskussion und Forschungstätigkeit die Sache voranzutreiben: Der Begriff und das Berufsbild der „Advanced Practice Nurse“ (APN) sollen etabliert werden (siehe Kasten). Advanced Practice Nurses (APNs) sind in vielen Gesundheitssystemen weltweit von großer Bedeutung. Sie haben erweiterte Kompetenzen und sind häufig in Bereichen spezialisiert wie Pädiatrie, Geriatrie, Notfallpflege oder chronische Krankheiten.

Daniela Lehwaldt sitzt im Vorstand des Advanced Practice Nurse Netzwerks des International Council of Nurses (ICN), hat aber ebenso in Irland Erfahrung gesammelt, wo sie auch an der School of Nursing and Human Sciences in Dublin City University unterrichtet. Bei den APNs geht es um fachliches Leadership: Sie sind verantwortlich, sich selbst und das Team weiterzubilden. Dazu gehört auch, sich mit den neuesten Entwicklungen auseinanderzusetzen und für deren Implementierung zu sorgen. Als klinische Expertinnen übernehmen sie Patientenverantwortung. Gleichzeitig wird betont, dass sie sich vom pflegerischen Stammpersonal abheben. Lehwaldt verweist auf die erlebte Praxis, dass für APNs eine Unterstützung des Managements vor allem am Anfang notwendig ist.

Diabetes Care in Feldkirch

Auch hierzulande werden schon einschlägige Schritte gesetzt. Die Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin (DGKP) Ruth Giesinger hat sich durch einen Universitätslehrgang an der Med-Uni Graz und einen Lehrgang an der FH-OÖ zur APN Diabetes Care (APN D.C.) weiter ausbilden lassen. Angeschlossen hat sie noch zahlreiche Fortbildungen mit Hospitationen an Fachkliniken.

Im Unterschied zu frei beruflichen APNs, die in Pflegepraxisräumen oder bei den Patienten zuhause arbeiten, ist sie als Pflegeexpertin für Diabetes am LKH Feldkirch tätig. Ihren Arbeitsalltag beschreibt sie als verantwortungsvoll und vollgepackt mit Aufgaben: „Als APN muss man bereit sein, Entscheidungen zu treffen und die Konsequenzen zu tragen.“ Ihre Arbeit erfordert viel Einsatz: „Um sich über das normale Ausmaß an geforderten Aufgaben und Tätigkeiten weiterentwickeln zu können, braucht es sehr viel Eigeninitiative, Durchhaltevermögen, Tatendrang und Humor. Man muss bereit sein, viele Stunden, die nicht gesehen oder honoriert werden, zu investieren und daran auch Freude haben, wenn man die Entwicklung durchlebt.“

Das Arbeitsfeld der APN ist durchaus weitreichend: Darunter fällt auch die Zusammenarbeit mit Selbsthilfegruppen sowie die Fort- und Weiterbildung für Pflegepersonen aller Bereiche und die Arbeit mit Angehörigen. Auch die multiprofessionelle Zusammenarbeit ist ein wesentliches Kriterium: Die APN arbeitet eng mit Medizinerinnen, Diätologinnen, Physiotherapeuten und Psychologinnen zusammen. Ebenso hat sie Kontakte zur Orthopädieschuhtechnik, mobilen Pflege und zum Wundmanagement, um nur einige aufzuzählen.

ANP – was heißt das? Silvia Neumann-Ponesch hat das „Forum ANP Austria“ ins Leben gerufen. Sie lobt die Salzburger Landeskliniken, die ein eigenes Karrieremodell für APNs entwickelt haben. Andere Klinikverbünde zeigten weniger Interesse an neuen Pflegekarrieren.

Rückenwind

Silvia Neumann-Ponesch hat im Jänner gemeinsam mit Claudia Leoni-Scheiber im ANP-Rahmenkonzept Österreich 2024 einen Werkzeugkoffer für Advanced Nursing Practice vorgestellt. Die Expertise darin soll dem Anliegen mehr Gehör verschaffen. Internationale Erkenntnisse wurden berücksichtigt, es wurde aber ganz speziell für die Situation in Österreich entwickelt. Eingeflossen sind die Erfahrungen von unterschiedlichen Expertinnen der Pflege, Führungskräften ebenso wie Wissenschaftlern und Pädagogen. Das Ziel war, die unterschiedlichen Herausforderungen zu benennen, die für den Einsatz der APN zu schultern sind.

Silvia Neumann-Ponesch stellt klare Forderungen: „Pflegende sollen mehr Autonomie in ihren Settings erhalten! Das steht ihnen zu, damit sie ihre Kompetenzen im Sinne des Patienten anwenden können.“ Verantwortung dafür sieht die Gesundheitsmanagerin auch bei den Führungskräften und den Trägern der Kliniken: „Im Zuge der Veränderungen im Skill-Grade-Mix wandern mehr Aufgaben Richtung Minderqualifizierung. Da braucht es umso mehr Hochqualifizierte, die das klinische Leadership übernehmen.“

Im Klinikbereich müssen die APNs auch entsprechend honoriert werden: „Ohne Nachtdienste und Wochenenddienste kann es vorkommen, dass sie als hochqualifizierte Expertin weniger verdient als DGKPs.“ Wobei Neumann-Ponesch schon unterschiedliche Bedingungen bei den Trägern wahrnimmt: „Die Salzburger Landeskliniken sind ein positives Beispiel. Sie haben ein eigenes Karrieremodell für APNs. Expertinnen werden besser bezahlt. Kompetenz wird honoriert. Aber viele Träger haben noch was nachzuholen.“  

Quellen und Links:

  • Link zur Pflegepersonalbedarfsprognose und Abstract der GÖG: jasmin.goeg.at/id/eprint/3378        
    Juraszovich, Brigitte; Rappold, Elisabeth; Gyimesi, Michael (2023): Pflegepersonalprognose. Update bis 2050. Aktualisierung der Pflegepersonalbedarfsprognose 2030. Ergebnisbericht. Gesundheit Österreich, Wien
  • Lehwaldt, Daniela: Die ICU Outreach Nurse in: Neumann-Ponesch, Silvia, LeoniScheiber, Claudia: Advanced Nursing Practice, verstehen-anwenden-umsetzen. Facultas, Wien, 2020 (S. 23 ff)
  • Leoni-Scheiber, Claudia; Neumann-Ponesch, Silvia: ANP-Rahmenkonzept Österreich 2024. Der Werkzeugkoffer für Advanced Nursing Practice. ANP Forum Austria

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