Vamed: Kein Stein auf dem anderen

Lesedauer beträgt 4 Minuten
Autor: Martin Hehemann

Eigentümer Fresenius strukturiert den österreichischen Klinikdienstleister Vamed kräftig um. Nun verdichten sich die Anzeichen, dass der erwartete Verkauf des Unternehmens auf die Zielgerade geht. (Stand bei Redaktionsschluss: Mitte April 2024.)

Das Dementi via SMS fällt entschieden aus – inklusive vier Ausrufezeichen: „Keine Rede von einer Aufstockungsabsicht! Das ist die ganz klare Entscheidung der B&C; seit Jahren. Und daran ändert sich jetzt auch nix! Alles andere sind Wunschvorstellungen u/o gezielte Gerüchte!!“ Die Nachricht von Wolfgang Hofer, Vorstand der B&C Privatstiftung, gilt einem Gerücht, das sich hartnäckig in Wiener Wirtschaftskreisen hält. Demnach soll die B&C, die Mehrheitsbeteiligungen an Industrieunternehmen wie Lenzing, Semperit oder der AMAG hält, beabsichtigen, ihren 10-Prozent-Anteil am österreichischen Klinikdienstleister Vamed aufzustocken. Hofer hat mit diesen Vermutungen offensichtlich wenig Freude.

Ähnlich wird es sich bei den 24.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des betroffenen Unternehmens selbst verhalten. Die Vamed befindet sich derzeit in einem tiefgreifenden Sanierungsprozess. Kein Stein bleibt auf dem anderen. Der Vorstand wurde bereits ausgetauscht und der Aufsichtsrat neu aufgestellt. Geschäftsfelder werden umgebaut und der Verkauf von Aktivitäten ist geplant. Zudem verdichten sich die Anzeichen, dass ein Verkauf der Vamed selbst ansteht: „Die Vamed wird derzeit hergerichtet, damit man einen akzeptablen Kaufpreis erzielen kann“, meint ein Insider, der das Unternehmen gut kennt. „Der Eigentümer führt Gespräche mit möglichen Interessenten.“ Die Rede ist von aktuellen Due Diligence-Prüfungen und „vielen fremden Gesichtern“ in der Wiener Unternehmenszentrale.

Mit „Eigentümer“ ist der börsennotierte deutsche Gesundheitskonzern Fresenius gemeint, der 77 Prozent der Anteile an der Vamed besitzt und damit das Sagen hat. 17 Prozent hält die Republik Österreich über ihre Beteiligungsgesellschaft ÖBAG. Die restlichen 10 Prozent gehören der B&C-Stiftung. Starkes Interesse an der Vamed wird einer Gruppierung nachgesagt, die aus prominenten Namen der österreichischen Wirtschaft besteht: den Baukonzernen Porr und Strabag sowie dem Tiroler Industriellen Klaus Ortner mit seiner IGO Industries.

Aufgehübscht. Der Vorstand wurde erneuert, Unternehmensteile ins Regal gestellt, Quartals­zahlen verbessert: Die Vamed putzt sich heraus. Ernste Verkaufsgespräche seien im Laufen, heißt es.

Bewerber aus der Baubranche

Das Konsortium soll dem Vernehmen nach vor allem am Österreich-Geschäft der Vamed interessiert sein. „Die treibende Kraft ist Ortner. Bei Strabag und Porr ist man mal mehr und mal weniger interessiert.“ (Aktuelle Informationen betreffend Übernahme lesen Sie hier.) Die Sondierungen dürften im vergangenen Sommer begonnen haben. Auch der Finanzinvestor Towerbrook Capital Partner soll die Vamed damals durchleuchtet haben. Das österreichische Wirtschaftsmagazin „trend“ berichtete darüber.

Weder die IGO noch Strabag und Porr sind zu einer Stellungnahme bereit. Dementis wie bei B&C werden vermieden. Kommentare aber auch. Ähnlich verhält es sich bei Fresenius: Man deute derartige „Marktgerüchte“ nicht, richtet ein Sprecher des Konzerns aus. Unbeantwortet lässt Fresenius auch einen Artikel der deutschen Tageszeitung „FAZ“. Diese schrieb im vergangenen Dezember, dass der Medizinkonzern die Investmentbank UBS mandatiert habe, den Markt nach Interessenten für die Reha-Klinik-Sparte der Vamed zu sondieren. Das Geschäftsfeld umfasst laut Website der Vamed 40 Kliniken in fünf europäischen Ländern – darunter zehn in Österreich. Von einem möglichen Kaufpreis zwischen 600 und 800 Millionen Euro ist die Rede.

Die Sondierungen scheinen durchaus erfolgreich zu verlaufen. Die deutsche Tageszeitung „Handelsblatt“ berichtet von vier Interessenten, die bereit seien, ein Angebot für die Reha-Sparte zu legen – darunter auch der Finanzinvestor Waterland, der die Reha-Klinikkette Median besitzt, die mehr als 430 Krankenhäuser und Einrichtungen in Deutschland, Großbritannien und Spanien betreibt.

Nicht mehr Kerngeschäft

Zum Entstehen dieser Berichte trägt Fresenius selbst kräftig bei. Begonnen hat es bei der Präsentation der Ergebniszahlen im Februar 2023. Damals gab der kurz davor angetretene CEO Michael Senn eine Umstrukturierung bekannt. Teil des angekündigten Konzernumbaus war ein Detail, das den österreichischen Medien zunächst verborgen blieb. Die ÖKZ berichtete in ihrer Ausgabe 3-4/2023 als erste darüber (siehe den Beitrag „Im Verkaufsregal“): Die Vamed gehört seit damals nicht mehr zum Kerngeschäft von Fresenius, sondern wird nur mehr als sogenannte „Finanzbeteiligung“ geführt. Von Investoren und Analysten wird dieser Schritt begrüßt: „Die Vamed hat mit dem Kerngeschäft von Fresenius nichts zu tun“, meinte Alexander Neuberger, Analyst beim Bankhaus Metzler, vor einem Jahr gegenüber der ÖKZ. „Eine Trennung macht aus Sicht von Fresenius Sinn.“

Die Vamed, einst gegründet als Bau- und Errichtungsgesellschaft für das Wiener AKH, beschreibt sich auf ihrer Website nach wie vor als „weltweit führender Gesundheitsdienstleister mit Sitz in Wien“. Die Fresenius-Tochter ist im Projekt- und Dienstleistungsgeschäft tätig. Sie übernimmt die Planung, Errichtung und Ausstattung von Spitälern und Pflegeheimen (das Projektgeschäft) und managt deren technische Betriebsführung (das Servicegeschäft). Diese Aktivitäten betrachtet die Mutter wie erwähnt seit einem Jahr nicht mehr als ihr Kerngeschäft. Was das bedeutet, hatte Konzernchef Michael Sen damals bei einer Telefonkonferenz mit Aktienanalysten klargestellt: Man werde die „Management Attention“ und „möglicherweise auch die Kapitalallokation“ reduzieren.

In der Folge bekam das Vamed-Management allerdings mehr Aufmerksamkeit geschenkt, als ihm lieb gewesen sein dürfte. Damals erreichte „ein unschönes Schreiben“ die Unternehmenszentrale in Wien. Der Absender: die Rechtsabteilung von Fresenius. Der Empfänger: der langjährige Vamed-Vorstandschef Ernst Wastler, seine Kollegen, Aufsichtsräte und Anteilseigner. Der Inhalt hatte es in sich. Die Vamed weise „Performance-, Liquiditäts- und Compliance-Risiken“ auf. „Die aktuellen Problemfelder“ der Vamed-Gruppe hätten beim Fresenius-Vorstand „große Besorgnis“ ausgelöst. Das Vamed-Management solle rasch „Finanz- und Budgetinformationen“ liefern und einen „Turnaround-Plan“ ausarbeiten.

Sesselrücken. Seit Oktober 2022 hat bei Fresenius Michael Sen das Sagen. Er glaubt nicht an die Vamed-Zukunft in seinem Konzern.

Neuer Vorstand

Ob das damalige Vamed-Management diesen Sanierungsplan ausgearbeitet hat, wird vom Unternehmen nicht kommentiert. An dessen Umsetzung ist es jedenfalls nicht mehr beteiligt. Ende Juni 2023 gab die Vamed bekannt, dass Vorstandschef Wastler „mit Erreichen des Pensionsalters“ aus dem Unternehmen ausscheide – ebenso wie sein Kollege Gottfried Kroos. Im Jänner 2024 verließ auch Andrea Raffaseder das Unternehmen. An die Stelle der drei langjährigen Vorstandsmitglieder hat Fresenius drei neue Manager eingesetzt. Sprecher des Vorstands ist nun der Österreicher Klaus Schuster, ein gelernter Humanmediziner, der 2020 als Chief Operating Officer zu Vamed kam.

Die Latte für das neue Vorstandsteam liegt hoch: „Vor der Vamed liegen große Aufgaben. Das Unternehmen braucht tiefgreifende Veränderungen, um wieder zukunftsfähig zu werden“, meinte Fresenius-Manager und Vamed-Aufsichtsratschef Dieter Schenk anlässlich der Ernennung von Schuster. Bei der Operation des Patienten Vamed konzentriert man sich auf zwei Schwerpunkte. Zum einen wird das Projektgeschäft neu ausgerichtet – vor allem in Deutschland. Der Fokus liegt verstärkt auf Profitabilität und weniger auf Wachstum. Man gehe bei der Bewertung von Projekten strenger vor als in der Vergangenheit, meinte Fresenius-Chef Sen im vergangenen Februar. Der zweite Schwerpunkt liegt auf dem Servicegeschäft der Vamed. Hier wolle man sich von Aktivitäten „in wesentlichen nichteuropäischen Märkten“ trennen, so ein Fresenius-Sprecher.

Die Kurskorrektur beginnt bereits zu greifen. Im dritten und vierten Quartal 2023 erzielte die Vamed wieder einen Gewinn, nachdem die Quartale zuvor enttäuschend verlaufen waren. Die Verkaufskandidatin steht deutlich besser da als noch vor einem Jahr – ganz zur Freude von Fresenius-Chef Sen: „Wir haben der Vamed starke Medikamente verschrieben und es wirkt.“ 

Quellen und Links:

Beitrag in der ÖKZ 3-4/2023: VAMED – Im Verkaufsregal

Website Fresenius – Finanzergebnisse: www.fresenius.com/de/finanzergebnisse

Website Vamed: www.vamed.com