Mit Algorithmen Demenz erkennen, ehe sie sich zeigt

Lesedauer beträgt 3 Minuten
Autor: Hannes Perko
Diese Serie erscheint in Kooperation mit:

Zehn Prozent der Menschen in Österreich über 65 Jahren leiden unter Demenz, doch auch Jüngere kann es treffen, die Auswirkungen auf das Leben und das Umfeld sind gravierend. Bis jetzt ist es schwierig und teuer Demenz früh zu erkennen, da diese jedoch nur verlangsamt und nicht geheilt werden kann, ist dies essenziell. Künstliche Intelligenz kann Anzeichen frühzeitig erkennen und ermöglicht eine breite Anwendung, etwa im Rahmen der jährlichen Vorsorgeuntersuchung.

Demenz ist eine weitverbreitete, neurologische degenerative Krankheit, die für Patienten und Angehörige ein großes Leid bedeutet. In Österreich leiden 10 Prozent der Bevölkerung über 65 Jahren darunter, aber auch Jüngere bleiben von dieser Krankheit nicht verschont. Die Auswirkungen reichen von Gedächtnisverlust, bis hin zum vollständigen Verlust aller geistigen Fähigkeiten, wodurch die Patienten vollständig auf Betreuung angewiesen sind. Das belastet nicht nur die Erkrankten, sondern auch das Umfeld und vor allem die Familie. Derzeitige diagnostische Methoden wie Hirnscans, nuklearmedizinische Methoden oder die Untersuchung der Cerebrospinalflüssigkeit sind hoch invasiv, teuer, komplex und langwierig. Meist wird nur bei schwerem Verdacht getestet, dann ist der Schaden meist schon fortgeschritten. Heute kann Demenz nicht geheilt werden, aber der Krankheitsverlauf kann verlangsamt werden, deswegen ist eine Früherkennung besonders wichtig.

Algorithmen können erste Anzeichen auf Demenz deutlich vor dem Menschen erkennen und so könnte eine Therapie bereits begonnen werden, noch bevor erste Auswirkungen bemerkbar sind. Bei dieser Form der Diagnose werden mittels Elektroden Gehirnströme an der Kopfoberfläche (Elektroencephalogramme – EEGs) gemessen, während die Patient:innen einfache kognitive Aufgaben erledigen. Aus den dabei entstehenden EEG Daten kann die künstliche Intelligenz dann bereits Anzeichen erkennen die im Alltag nicht bemerkbar wären. Solche Programme können auch bei der Entwicklung von Medikamenten gegen Demenz hilfreich sein, damit können die richtigen Testgruppen gefunden und der Prozess beschleunigt werden.

BrainCheck

Das von AIT koordinierte Projekt BrainCheck setzt mit dem interdisziplinären Team rund um die EEG-Experten Tilmann Kluge und Hannes Perko genau hier an und entwickelt eine einfache und günstige Frühdiagnose, geeignet für groß angelegte Screenings z.B. bei der Gesundenuntersuchung ab einem gewissen Alter. In diesem Projekt wird ein neuartiges System für eine frühe Demenzdiagnose basierend auf der EEG-Analyse entwickelt. Das EEG misst die elektrische Aktivität des Gehirns und ist eine kostengünstige, nicht belastende und einfach anzuwendende Untersuchungsmethode, die in der klinischen Praxis regelmäßig zur Diagnose von Epilepsie eingesetzt wird. Es wurde bereits in der wissenschaftlichen Literatur gezeigt, dass in Frühstadien der Demenz zu typischen Auffälligkeiten kommt, welche vor allem bei kognitiver Aktivität im Vergleich zu Gesunden verändert sind.

Eine wesentliche Innovation des Projektes BrainCheck ist es ein mobiles und einfach anzuwendendes Diagnosegerät zu entwickeln, dass diese Unterschiede im EEG, durch die Anregung des Kortex mit speziellen kognitiven Aufgaben, sichtbar macht. In unserem Ansatz wird diese Anregung simultan mit haptischen, visuellen und auditiven Stimuli bewerkstelligt, eine Methode, die sich in wissenschaftlichen Studien zum Thema Lerneffizienz bereits als sehr effektiv herausgestellt hat. Weiters werden wir ein maßgeschneidertes einfach anzuwendendes mobiles EEG-Gerät integrieren und eine zuverlässige Auswertung der parallel aufgenommenen EEG-Daten entwickeln. Bei der EEG-Auswertung setzen wir auf wir neuartige Methoden der Künstlichen Intelligenz, insbesondere Deep Learning Technologien. Hier können die Expert:innen des AIT Centers for Health & Bioresources, jahrelange Erfahrung im Bereich der KI basierten automatischen Auswertung von Gehirnströme einbringen.

Mit encevis wurde basierend auf diesen Methoden bereits ein Medizinprodukt entwickelt, das international medizinisches Personal bei der Epilepsie-Diagnose und Therapie unterstützt. Das zentrale Ergebnis von BrainCheck ist ein neuartiges Diagnosegerät, das erstmalig eine einfache, kostengünstige und zuverlässige Frühdiagnose von Demenz ermöglicht, die sich für ein groß angelegtes Screening eignet. Der Ausbruch der Krankheit kann dadurch für viele Patienten wesentlich verzögert werden. Außerdem kann das Diagnosegerät für das Auffinden der geeigneten Proband:innen bei Medikamentenstudien verwendet werden und so die Entwicklung von neuen Medikamenten für die Heilung der Krankheit, wie sie derzeit bei renommierten Pharmaunternehmen wie Alzheon, AC Immune, alector oder Biogen stattfindet, viel effizienter und schneller erfolgen.

Hannes Perko, Senior Research Engineer
Medical Signal Analysis, Center for Health & Bioresources
AIT Austrian Institute of Technology

Hannes Perko ist Senior Research Engineer am AIT und Autor und Co-Autor von über 25 internationalen Publikationen, leitete bereits mehrerer internationale Forschungsprojekte und ist Vertreter des AIT bei großen EU-Projekten. Er erhielt sein Diplom in Elektrotechnik an der TU Wien im Jahr 2002. Während seines Studiums konzentrierte er sich auf multivariate Signalanalyse. Seit 2002 leistete Hannes Perko wesentliche Beiträge zu den EEG-Signalverarbeitungsalgorithmen des AIT.

Weitere Blogbeiträge dieser Institution:

Durch den demografischen Wandel und der dadurch stetig steigenden Anzahl an Patient:innen mit chronischen Erkrankungen und Multimorbidität besteht ein Bedarf in der Modernisierung der Versorgungsstrukturen.

Wir schreiben das Jahr 2023. Die Digitalisierung ist aus dem Bereich des Gesundheitswesens nicht mehr wegzudenken und die Veränderungen in den letzten 30 Jahre waren enorm. Bereits 30 Jahre alt ist die Medizinprodukterichtlinie (Medical Device Directive - MDD 93/42/EEC). Damals war die Entwicklung der Technologien und die Einsatzmöglichkeiten von Software im Gesundheitssektor schwer vorstellbar.

Ist eine Behandlung mit Antibiotika zielführend? Zwischen bakterieller und viraler Infektion schnell und kostengünstig zu unterscheiden ist nur ein Anwendungsbeispiel für papierbasierte Biosensoren. Das EU-Projekt IMPETUS hat ein neues Fertigungsverfahren für papierbasierte diagnostische Testsysteme entwickelt. Das medizinische Fachpersonal benötigt nur noch ein Smartphone mit passender App um das Ergebnis der günstigen, umweltfreundlichen Teststreifen abzulesen, die das Labor in die Ärztliche Praxis bringen. Dieses neue Fertigungsverfahren für papierbasierte Tests und die dabei entstandene Pilotlinie ist eine wichtige Grundlage für den nächsten Schritt von reparativer zur präventiver Gesundheitsversorgung.