Künstliche Intelligenz im Klinikalltag

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Autor: Scho

Jeder dritte Krankenhauspatient hat – unabhängig vom Grund seiner Einweisung – Diabetes. Für das Klinikpersonal ist das eine Herausforderung. Denn bei den Patienten geraten durch Krankheit, Behandlung und dem damit verbundenen Stress sowie die ungewohnten Umstände Blutzuckerwerte und Insulinspiegel durcheinander. Die Werte müssten neu eingestellt werden, doch dafür fehlten auf vielen Stationen die Spezialisten. Pflegekräfte, die sich mit dem Thema wenig auskennen, fürchten insbesondere, möglicherweise zu viel Insulin zu geben und damit eine lebensgefährliche Unterzuckerung auszulösen. Wird der Blutzucker aber nicht richtig eingestellt, drohen Komplikationen und auch Todesfälle.

Das Kantonsspital St. Gallen hat deshalb ein KI-gestütztes Diabetesmanagement-System der decide Clinical Software GmbH eingeführt. Die Pflegekräfte messen mit einem Point-of-care-Gerät den Blutzucker des Patienten, das System „GlucoTab“ berechnet auf dieser Basis und den Angaben zu eingenommenen Mahlzeiten automatisch die nötige Insulindosis. Die Pflegekraft spritzt die entsprechende Dosis und notiert sie im KIS-System.

Da sich die Insulinsensibilität von Tag zu Tag ändert, wertet das „GlucoTab“ die Messwerte jeden Tag neu aus und passt die Dosisempfehlungen an. Eine Studie habe ergeben, dass das System die Blutzucker-Messwerte in 73 Prozent der Fälle im vorgegebenen Zielbereich halte, sagte Dr. Peter Beck, Chief Technical Officer bei decide. Zugleich seien Hypoglykämien nicht häufiger aufgetreten als in Best-Practice-Studien.

Risikowarnsystem für Delir und akutes Nierenversagen

Patientenschutz ist auch das Ziel eine KI-Projekts am Vivantes-Klinikum, das im Sommer in den Rollout gehen soll. Gemeinsam mit der Dedalus Healthcare GmbH hat das Klinikum ein Risikowarnsystem für akute Nierenschädigungen entwickelt. Auf der Basis von Millionen von Datensätzen sowohl strukturierter als auch unstrukturierter Daten erkennt das KI-System Muster, die auf die Gefahr einer Sepsis, eines Delirs oder eines akuten Nierenversagens (AKI) hinweisen.

Für jeden Patienten werden bestimmte Faktoren ausgewertet wie Laborwerte, Alter, Vorerkrankungen und andere Risikofaktoren. Neue Befunde oder Arztbriefe wertet das System automatisch aus und berechnet die Risikolage neu. Derzeit sei das Projekt noch in der Evaluationsphase, in der vor allem geprüft werde, ob die Warnungen des Systems begründet sind und zum richtigen Zeitpunkt kommen, sagte Gino Liguori von der Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH. Das Warnsystem werde zunächst nur in bestimmten Bereichen eingesetzt, für später sei aber ein Einsatz auf der Intensivstation und in der Rettungsstelle geplant.

AIA der EU kann Forschungsgruppen an Kliniken das Leben schwer machen

Weniger ermutigend als diese praktischen Beispiele war der Ausblick auf den „Artificial Intelligence Act“ (AIA), mit dem die Europäische Union den Umgang mit Künstlicher Intelligenz regeln will. Der Entwurf sieht drei Risikoklassen bei KI vor, mit denen die Anforderungen an Hersteller und Nutzer steigen. KI im Gesundheitsbereich falle in die zweithöchste Stufe, erläuterte Dr. Thorsten Prinz vom VDE Verband der Elektrotechnik. Medizinprodukte seien damit als Hochrisikosysteme anzusehen.

Noch sei der Entwurf in der Diskussion, und manche darin vorgesehene Regel werde vermutlich noch entfallen, sagte Prinz. Dennoch sollten Hersteller von KI-Systemen frühzeitig mit ihren Kunden besprechen, ob diese tatsächlich den neuen Anforderungen gewachsen seien. Unter anderem sieht der AIA nach derzeitigem Stand für Anwender Überwachungs- und Meldepflichten vor. Zudem könne es leicht passieren, dass Nutzer im Umgang mit der KI plötzlich rechtlich gesehen als Anbieter gelten – nämlich immer dann, wenn sie neue Datensätze ins System einspeisen oder den Anwendungsbereich des Systems erweitern. Dieser Punkt sei insbesondere für Forschungsgruppen an Kliniken relevant und nicht zu unterschätzen, warnte Prinz. Derzeit gebe es in den Diskussionen über das Gesetz jedoch eine Tendenz, die Anforderungen zu entschärfen und „mehr Vernunft und technische Machbarkeit“ walten zu lassen.

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