Nach der Eröffnung durch Bundesminister Martin Kocher tauschten sich unter anderen Komplexitätsforscher Peter Klimek, der Standortanwalt der Wirtschaftskammer Wien, Alexander Biach und Herwig Ostermann,Geschäftsführer Gesundheit Österreich GmbH, zu diesem hochaktuellen Thema aus und beleuchteten den Wandel der Arbeitswelt aus den jeweiligen Perspektiven von Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Praxis.
„New Work“ steht für ein neues Verständnis von Arbeit in Zeiten von Globalisierung und Digitalisierung und bezieht sich vor allem auf ein Mehr an Flexibilität und Selbstständigkeit und das zunehmende Verschwimmen zwischen Arbeitszeit und Freizeit. „Das Thema hat durch die Corona-Pandemie zusätzlich an Brisanz gewonnen und betrifft immer mehr Menschen in der arbeitenden Bevölkerung. Eine veränderte Arbeitswelt bringt veränderte Krankheitsbilder hervor und damit für die Gesundheitsprävention und Rehabilitation neue Herausforderungen mit sich. Betroffen sind davon vor allem auch die Unternehmen, deren betriebliche Gesundheitsvorsorge unter den neuen Rahmenbedingungen weiterentwickelt werden muss“, so Sven Thomas Falle-Mair, operativer und medizinischer Direktor der OptimaMed.
Arbeitskräftemangel zwingt zu mehr Prävention
Bundesminister Martin Kocher behandelte in seinem Eröffnungsstatement die strukturellen Herausforderungen, die unsere Gesellschaft einerseits durch die Digitalisierung und andererseits den demografischen Wandel erwarten. Im Hinblick auf „New Work“ betont Kocher, dass die Umbrüche in der Arbeitswelt während der Hochphase der Pandemie durchaus disrupiv waren, sich nun aber normalisieren. Für die Arbeitgeber und Arbeitnehmer bleibt die Herausforderung der Balance zwischen Flexibilität und Planbarkeit, die durchaus auch gesundheitliche Folgen hat. Prävention und Rehabilitation kommen große Bedeutung zu – gerade auch um die Menschen länger erwerbsfähig zu halten, was angesichts der Verschärfung des Arbeitskräftemangels ein dringendes Gebot der Stunde ist.
Was der Wandel der Arbeitswelt für den Wirtschaftsstandort Österreich bedeutet, zeigte Alexander Biach, Standortanwalt der Wirtschaftskammer Wien, auf. Gesunde Arbeitskräfte bedeuten volkswirtschaftlich betrachtet auch ein Mehr an Effizienz. Biach sieht den Schlüssel in der Prävention – die individuelle Gesundheit muss im Mittelpunkt stehen und es gilt, hier früher anzusetzen. Oft werden erst im Krankheits- bzw. Beschwerdefall Maßnahmen ergriffen. Aufholbedarf sieht er neben der Digitalisierung im Bereich der Primärversorgung.
Schattendasein der Arbeitsmedizin
Joachim Klikovics, ärztlicher Direktor des OptimaMed Rehazentrums Raxblick präsentierte im Rahmen des Forums eine Erhebung des Wandels zur neuen Arbeitswelt, die im Rahmen der Vorbereitungsarbeiten des OptimaMed Forums 2022 durchgeführt wurde. Befragt wurden ArbeitsmedizinerInnen aus ganz Österreich. Die Ergebnisse der Erhebungen deuten darauf hin, dass die Arbeitsmedizin in der Österreichischen Gesundheitslandschaft nicht den Stellenwert hat, den sie verdient. Häufig wird die Aufgabe nur nebenberuflich ausgeübt, die individuelle Betreuung leidet unter mangelnden Ressourcen. Auf die gesundheitlichen Folgen des Home Office Arbeitsplatzes haben ArbeitsmedizinerInnen keinen direkten Einfluss.
Richard Crevenna, Vorstand Universitätsklinik für Physikalische Medizin, Rehabilitation und Arbeitsmedizin, Medizinische Universität Wien, sieht als wichtigsten Einflussfaktor auf die Gesundheit von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern eine Unternehmenskultur, die Gesundheitskompetenz fördert. Dies bedingt jedoch einen Werte- und Kulturwandel in der breiten Öffentlichkeit Österreichs, denn Gesundheit dürfe nicht nur ein gesetzlicher Auftrag sein. Crevenna sieht in diesem Zusammenhang aktuell eine positive Entwicklung – das Interesse für Prävention sei bei Jungen vergleichsweise schon viel größer.
In der abschließenden Podiumsdiskussion diskutieren Mag.a Canan Aytekin, Generaldirektor Stv. PV, Dana Glöß, Mitglied der Geschäftsleitung salvea Deutschland, und Eva Höltl, Ärztliche Leitung Gesundheitszentrum Erste Bank der Österreichischen Sparkassen AG, vor allem über die Hürden in der Praxis. Glöß betont auf Basis ihrer jahrzehntelangen Erfahrung mit Betrieblicher Gesundheitsförderung in Deutschland, dass es Aufrichtigkeit, Vertrauen und einen „Mindset-Change“ braucht, damit unternehmerische Bemühungen im Gesundheitsbereich nachhaltig wirken. Canan Aytekin ortet besonders in der Kommunikation und an den Schnittstellen großes Potenzial. Gesundheitsservices sollten zielgruppengerecht differenziert sein und auch entsprechend kommuniziert werden. Eva Höltl pflichtet dem bei und betont, dass die Kommunikation insbesondere optimiert werden sollte, um junge Menschen zu erreichen. Um in der betrieblichen Gesundheitsförderung und Prävention erfolgreich zu sein, müssen die Tools für alle Altersgruppen attraktiv gestaltet sein und auch sollten die jeweiligen inividuellen Benefits ganz klar kommuniziert werden. Denn entscheidend ist, dass die Menschen etwas für ihre persöniche Gesunheit tun möchten, nicht für den Erfolg des Unternehmens.