Qualitätsmanagement in Alten- und Pflegeheimen: Schönwetterprogramm oder professionelle Navigation in stürmischen Zeiten?

Lesedauer beträgt 4 Minuten
Autor: Andrea Freisler-Traub

Wer hätte vor drei Jahren gedacht, dass diese Diskussion in der Branche der Alten- und Pflegeheime wieder geführt werden muss? Doch die Pandemie und die Auswirkungen des zunehmenden Personalmangels lassen Fragen rund um die Aufwand-Nutzen-Relation des Qualitätsmanagements erneut aufflammen. Was Qualitätsmanagement nun wirklich bringt und welche Auswirkungen Qualitätsarbeit für eine krisengeprägte Branche hat, beleuchten Vertreterinnen und Vertreter von Alten- und Pflegeheimen sowie Qualitätsexpertinnen und -experten.

Mahatma Gandhi sagte einst: „Die Zukunft hängt davon ab, was wir heute tun.“ Und das gilt aktuell mehr denn je. So sollte Qualitätsmanagement im Bereich der Betreuung und Pflege älterer Menschen vor allem auch in herausfordernden Zeiten ein wichtiger Begleiter sein. Die Stimmen, die genau das hinterfragen, werden aufgrund der angespannten Personalsituation und fehlender Ressourcen allerdings immer lauter.

Andrea Freisler-Traub, Geschäftsführerin des Vereins zur Förderung der Qualität in der Betreuung älterer Menschen und der Zertifizierungseinrichtung des Nationalen Qualitätszertifikats für Alten- und Pflegeheime (NQZ) sieht gerade jetzt das Qualitätsmanagement gefordert: „Etablierte Qualitätsmanagementsysteme und auch die Zertifizierung im NQZ liefern eine umfassende Bestandsaufnahme, die aufzeigt, was an Qualität erhalten wurde, was verloren gegangen ist, welche Prozesse stabil geblieben sind und welche in der Krise geholfen haben. Natürlich werden viele Alten- und Pflegeheime dabei zur Erkenntnis kommen, dass Qualität eingebüßt wurde. Doch darauf kommt es nicht an. Was zählt, ist zu erkennen, wo sie heute stehen, was ihre Qualitätsziele sind und wie sie diese erreichen können.“ Einer, der diesem Ansatz folgt und aktuell mit seinem Team die NQZ-Rezertifizierung absolviert, ist Haus- und Pflegedienstleiter Claudiu Suditu vom Caritas Haus St. Barbara in Wien: „Der Prozess ist fordernd und zeitintensiv. Ich bin aber davon überzeugt, dass sich der Aufwand in Form von Zufriedenheit der Bewohnerinnen und Bewohner, Entlastung von Angehörigen sowie langjähriger Bindung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in einem sehr hohen Ausmaß lohnt.“

Überschattet vom Alltagsgeschäft wird dem eigentlich großen Qualitätsmanagement-Interesse in Alten- und Pflegeheimen dennoch weiterhin ein „Nice to have“-
Stempel aufgedrückt. „Das Thema Qualität sollte allerdings kein losgekoppelter Bereich, sondern Teil des täglichen Arbeitsalltags sein. Schließlich unterstützt Qualitätsmanagement ein strukturiertes und wirkungsorientiertes Planen und Handeln sowie eine kontinuierliche Evaluierung und Weiterentwicklung, was Sicherheit und Orientierung für alle Anspruchsgruppen schafft“, betont Jakob Kabas, Geschäftsführer des Sozialhilfeverbandes Liezen und Vorsitzender des Vereins zur Förderung der Qualität in der Betreuung älterer Menschen.

Qualitätsmanagement liefert gerade jetzt einen nachhaltigen Mehrwert in der Betreuung und Pflege älterer Menschen

Der Mehrwert, den Alten- und Pflegeheime aus einem Qualitätsmanagement-System und einer Zertifizierung im NQZ ziehen können, ist demnach unbestritten. Schließlich hat dies nicht nur positive Auswirkungen auf das Image, es erbringt auch Nachweise der Sorgfaltspflicht, bindet und motiviert Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, verringert Redundanzen, optimiert Abläufe, sichert die Evaluierung laufender Prozesse, schafft Vertrauen gegenüber der Öffentlichkeit und wirkt sich positiv auf die Lebensqualität der Bewohnerinnen und Bewohner aus.

Davon berichtet auch die Regionalleiterin OÖ/Kärnten der Stiftung Liebenau Österreich, Doris Kollar-Plasser, die sich trotz Pandemie und Personalmangel für die Re-Zertifizierung des Pflegeheims Haus St. Josef in Gmunden im NQZ entschieden hat: „Ohne Qualitätsmanagementsystem und NQZ-Struktur würden wir uns jetzt in aktuellen Themen verlieren. Besonders die Arbeit mit den Kennzahlen zeigt uns, ob wir auf dem richtigen Weg sind. Darüber hinaus beeinflusst, sichert und steuert der Qualitätskreislauf Plan – Do – Check – Act (PDCA) die Entwicklung unseres Hauses und gibt uns Input für die tägliche Arbeit.“ Der oft thematisierte Personalmangel hat Hausleiterin Doris Mittendorfer ebenfalls nicht davon abgehalten, die Re-Zertifizierung des SENIORium Perg 2021 in Angriff zu nehmen: „Personalmangel ist ein Problem, welches nicht erst seit der Pandemie besteht. Die Pandemie hat dieses nur noch verstärkt. Aber gerade deshalb ist der Erhalt der Qualität für ein optimales Mit- und Füreinander umso wichtiger. Qualitätsmanagement jetzt nach hinten zu reihen, würde die bedarfsorientierte Entwicklung bremsen und negative Auswirkungen auf die Zufriedenheit aller Beteiligten mit sich bringen.“

Den Mehrwert einer strukturierten Qualitätsarbeit hebt auch Andrea Freisler-Traub hervor: „Qualitätsmanagementsysteme fordern alle Beteiligten auf, ihre Prozesse kontinuierlich zu reflektieren und anzupassen. Vor allem in stürmischen Zeiten mit sich rasch ändernden Rahmenbedingungen sorgt dies für Entlastung, die Fehleranfälligkeit sinkt und das Onboarding neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wird erleichtert.“ Das NQZ unterstützt dabei Alten- und Pflegeheime auf ihrem Qualitätsweg mit erfahrenen Zertifiziererinnen und Zertifizierern aus der Branche – und das bei jeder „Wetterlage“.

Autorin
Mag.a Andrea Freisler-Traub,
Koordinatorin des Vereins zur Förderung der Qualität in der Betreuung älterer Menschen und Geschäftsführerin der
NQZ Zertifizierungseinrichtung
www.nqz-austria.at

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