Nachhaltigkeit bedeutet mehr als Energiesparen

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Autor: Margit Kapfer

Nachhaltigkeit wird heute mit den Dimensionen Umwelt, Soziales und verantwortungsvolle Unternehmensführung („ESG – Environment, Social & Governance“) abgebildet. Aus dieser Sammlung an Themen sticht aktuell die Diskussion zum Klimaschutz hervor. Wäre der Gesundheitssektor ein Land, wäre dieses weltweit der fünftgrößte Verursacher für Treibhausgasemissionen. Anstrengungen zur Reduktion der Emissionen sind auch im Gesundheitssektor im Laufen, aber – betrachten wir die richtigen Themen? Was sind die wesentlichen ESG-Themen und Hebel zur Veränderung in unserem Bereich?

Internationale Branchenanalysen (Quelle: Science Based Target Initiative) zeigen, dass 60% der Treibhausgasemissionen in durchschnittlichen Gesundheitseinrichtungen nicht im Unternehmen oder im Energiebezug anfallen, sondern in der Wertschöpfungskette (Scope 3 Emissionen). Darin sind nicht nur Mobilitäts­themen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Patientinnen und Patienten sowie Besucherinnen und Besucher umfasst, sondern das ganze Thema der Beschaffung und Nutzung der Anlagen und Produkte. Konkret: Mit welchen Treibhausgasemissionen ist die Herstellung und der Transport der verwendeten Arzneimittel, medizinischer Mehr- und Einwegprodukte und der Gebäude belastet.

Eine umfassende Klimastrategie im Gesundheitssektor muss daher über die auf der Hand liegenden Themen wie Energie­effizienz, den Einsatz erneuerbarer Energieträger und ein Mobilitätskonzept hinausgehen. Aus dieser Betrachtung wird schnell klar, dass die Hebel – neben der Energietechnik und dem Facility Management – auch in der Beschaffung liegen.

Klimaschutz ist aber nur eines von etlichen wichtigen Themen aus dem schwer greifbaren Begriff der „Nachhaltigkeit“. Neben Themen im Bereich Umweltschutz (Energie, Emissionen, Wasser, Abfall, Boden …) müssen systematisch die Felder Soziales, Arbeitnehmerbelange, Menschenrechte, Kampf gegen Korruption betrachtet werden.

Wäre der Gesundheitssektor ein Land, wäre dieses weltweit der fünftgrößte Verursacher für Treibhausgasemissionen.

Im Licht des Fachkräftemangels im Gesundheitswesen rücken auch soziale Aspekte in den Mittelpunkt. Themen wie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Chancen- und Lohngleichheit oder etwa Geschlechtergleichheit für Führungspositionen sind eng mit der Attraktivität von Job und Arbeitgeber verknüpft. Ein nachhaltiges Branding des Arbeitgebers verschafft einen Vorsprung gegenüber den Mitbewerbenden beim Werben um Talente.

Das Bemühen um mehr Nachhaltigkeit ist längst nicht mehr eine Frage der Freiwilligkeit oder ein nice-to-have-Luxus. Mit der Umsetzung der Taxonomie-Verordnung will die Europäische Kommission festlegen, welche Wirtschaftstätigkeiten künftig als ökologisch nachhaltig eingestuft werden. Damit soll die Basis geschaffen werden, Kapital in nachhaltige Investitionen zu lenken.

Diese verlangt Prüfungen zur möglichen energetischen Sanierung von Bestandsgebäuden, mögliche Ausweise über die Energieeffizienz der Gebäude, Analysen von standortbezogenen Risiken durch den Klimawandel (Hochwasser, Stürme, Hitzewellen  …) und Ableitung von Maßnahmen zur Risikoreduktion.

Diese Maßnahmen können von strategischen Entscheidungen zur Verwendung von Green Bonds in der Finanzierungsstrategie von Neubauten auf einer Seite hin zu Maßnahmenkatalogen führen, die Einzelmaßnahmen in der Verbesserung der Umwelt- und Sozialleistungen umfassen. Beispiele aus dem Gesundheitsbereich umfassen den Einsatz von alternativen Narkosegasen, Recyclierung von Plastik und medizinischen Einwegprodukten oder nachhaltige Beschaffung.

Sollen Entscheidungen erfolgreich umsetzt werden, werden die Elemente der Vision und der Führung zentral. Dabei müssen die Themen der Nachhaltigkeit im Unternehmen oder in der Gesundheitseinrichtung verankert und zielgruppenorientiert kommuniziert werden. Jede Mitarbeiterin, jeder Mitarbeiter muss ihren bzw. seinen Beitrag und den eigenen Nutzen klar erkennen. Klimaziele und Nachhaltigkeit sind inzwischen Chefsache geworden. 

Die promovierte Biologin Dr. Margit Kapfer ist seit 2002 für den Bereich Energie & Klima der denkstatt-Gruppe verantwortlich, einer international tätigen Nachhaltigkeitsberatung. Mit ihrem Expertenteam im Bereich der Dekarbonisierung hat sie zahlreiche klimapolitische Strategien für große Organisationen entwickelt, Treibhausgasemissionen von Unternehmen bewertet sowie an Kompensations- und Senkenprojekten in der Land- und Forst­wirtschaft gearbeitet.

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