Demenz: Wann darf Technik helfen?

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Autor: Michaela Endemann

Ein an Demenz erkrankter Wiener fuhr mit seiner Familie auf Urlaub. In einem unbeobachteten Moment ging er einfach fort. Seither fehlt jede Spur – bis heute. Hätte man ihn zuvor tracken sollen?

Innerhalb weniger Tage überschlugen sich die Kommentare auf Facebook. Hier eine beliebige Auswahl der Absonderungen: „Das passiert, wenn man nicht auf seine Familie schaut – unglaublich“, „klingt zwar hart, aber ich finde für Demenzkranke sollten die Krankenkassen elektronische Fußfesseln oder zumindest GPS-Sender anbringen am Körper, z.B. durch eine Chip-Implantierung“, „wer dement ist, ist nicht zurechnungsfähig, so wie ein Verbrecher auch (blödes Beispiel ich weiß)“. Es regnete auch Tipps: „Die wenigsten Angehörigen denken daran, einer dementen Person ein Armband mit der Kontaktadresse oder Telefonnummer zu organisieren.“ Ein anderer meinte: „Ich werde es veranlassen, dass ich im Falle einer Demenz geortet werden will“, und gleich darunter jemand, der es auf gar keinen Fall wünscht. Der wichtige Hinweis auf die Möglichkeit der Vorsorgevollmacht fehlte in den Medien: Dort können Zustimmung oder Ablehnung zu technischen Hilfsmitteln individuell festgehalten werden.

Dämon Demenz. Sogenannte „Desorientiertenfürsorge­systeme“ helfen, schwer Demenzkranke zu finden oder zu überwachen. Der Einsatz dieser technischen Hilfsmittel ist juristisch an eine Verhältnismäßigkeitsprüfung gebunden.

Alarm!

Ob im häuslichen Umfeld, im Urlaub oder im Pflegeheim, die Anforderungen sind gleich. Christian Bürger ist im NÖ Landesverein für Erwachsenenschutz Leiter des Fachbereichs „Bewohnerinnenvertretung“. Der Verein überprüft auf Basis des sogenannten Heimaufenthaltsgesetzes seit 2005 freiheitsbeschränkende Maßnahmen in u.a. Pflege- und Betreuungseinrichtungen. Dazu zählen auch die sogenannten elektronischen „Desorientiertenfürsorgesysteme“, die viele größere Pflegeheime einsetzen. „Dabei werden insbesondere demenzkranke Menschen, die nicht mehr straßenverkehrstauglich sind oder eine hohe Desorientierung aufweisen, mit einem Chip im Schuh, Armband oder Ähnlichem versehen, sodass bei Verlassen der Einrichtung eine Alarmierung an die Pflegepersonen erfolgt. Die können dann die Bewohnerinnen am alleinigen Verlassen des Heimes hindern oder sogar zurückhalten“, so Bürger.

Ortung needed?

Es würden auch GPS-Tracker eingesetzt, dies insbesondere in jenen Fällen, in denen die Gefährdung darin besteht, dass die Bewohnerinnen nicht mehr ins Heim zurückfinden. „Bei GPS-Trackern liegt per se kein Eingriff in das Recht auf Bewegungsfreiheit vor, weil die Personen in der Regel nicht zurückgehalten, sondern nur deren Standort im Falle einer längeren Abgängigkeit ermittelt wird“, sagt Bürger.

Der Einsatz all dieser Maßnahmen unterliege generell einer rechtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung und es müssen die beeinträchtigten Rechte wie Persönlichkeitsrecht, Datenschutzrecht und Privatsphäre mit dem zu schützenden Recht auf Leben, Gesundheit und körperliche Unversehrtheit abgewogen werden. „Grundsätzlich halte ich diese Maßnahmen für sinnvoll, zumal den Bewohnerinnen damit ein möglichst großer Freiraum ermöglicht wird, indem sich diese in der Einrichtung und dem Areal der Einrichtung frei bewegen können und erst dort in ihrer Bewegungsfreiheit beschränkt werden, wo die Gefährdung tatsächlich beginnt, nämlich beim Verlassen des Areals zur Straße“, so Bürger.  

Quellen und Links:

Radio Wien

Kleine Zeitung

Demenzbericht 2024 – Sozialministerium

Vorsorgevollmacht

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