Pflegeausbildung: Mehr Assistenz am Krankenbett

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Autor: Norbert Peter

Die Ausbildungspfade der Pflege wurden durch die Reform des Vorjahres breiter. Die Schulung zur Pflegeassistenz und Pflegefachassistenz soll die dünne Personaldecke kurzfristig stärken.

Nicht wenige haben es schon vor Corona erkannt, aber die Pandemie servierte es auf dem Silbertablett: Das österreichische Gesundheitssystem hat einen Pflegenotstand. Dieser nährt sich aus dem Personalmangel und der daraus entstehenden Überforderung derjenigen, die noch in der Pflege tätig sind. Die dann nach mehr oder weniger langer Höchstbelastung erschöpft das Feld räumen. Eine der vielen Befürchtungen: Dass in der Not Dienste an Kranken geleistet werden, für die die Mitarbeiter nicht ausgebildet sind. Eine Deprofessionalisierung nähme ihren Lauf, Experten warnen schon vor „deutschen Verhältnissen“. Dort mahnte schon zu Beginn des Jahres 2021 die Vizepräsidentin des deutschen Pflegerates (DPR) Christine Vogler: „Die akademische Ausbildung der Pflege bricht ein.“

Bildungs-Comeback. Die einjährige Ausbildung zur Pflegeassistenz sollte eigentlich auslaufen. Die Pflegereform des Vorjahres erweckte die Kurzausbildung zu neuem Leben.

Neue Kompetenzen für Assistenten

Die im Frühjahr 2022 präsentierte Pflegereform soll einen Beitrag zu einer gesunden Zukunft leisten. Kernstück ist die Aufwertung der Pflegeassistentinnen und Pflegeassistenten (PA) beziehungsweise Pflegefachassistentinnen und Pflegefachassistenten (PFA). Beide Ausbildungen gibt es schon länger. Nun erhalten sie mehr Kompetenzen, um die diplomierten Pflegekräfte zu entlasten. Eine weitere Säule in der Ausbildung stellt das dreijährige FH-Studium für Gesundheits- und Krankenpflege dar, das mit einem akademischen Grad schließt, dem „Bachelor of Science in Health Studies (BSc)“. Von dort und aus Gesundheits- und Krankenpflegeschulen kommen weiterhin diplomierte Pflegekräfte auf den Markt.

Die Ausbildung von PA wird an Gesundheits- und Krankenpflegeschulen angeboten und dauert ein Jahr. Jene der PFA läuft über zwei Jahre. Seit der Pflegereform dürfen beide Berufsgruppen künftig auch neue Aufgaben wahrnehmen – nämlich das Ab- und Anschließen laufender Infusionen bei liegendem periphervenösen Gefäßzugang, die Aufrechterhaltung dessen Durchgängigkeit sowie gegebenenfalls die Entfernung desselben. Ausgenommen davon bleiben Zytostatika mit Vollblut oder Blutbestandteilen.

Für die PFA ist eine zusätzliche Kompetenzerweiterung vorgesehen: das Legen, der Wechsel und die Entfernung von subkutanen und periphervenösen Verweilkanülen sowie die Verabreichung von subkutanen Injektionen und ebensolchen Infusionen.

Schon bisher waren zahlreiche Aufgaben zu bewältigen. Als PA darf man beispielsweise neben der Durchführung von Grundtechniken der Pflege und Mobilisation und der Dokumentation von Pflegemaßnahmen auf schriftliche Anordnung auch Arzneimittel verabreichen, Verbände anlegen und den Blutdruck messen. Wie bei den PA liegt bei den PFA ebenfalls der Schwerpunkt in der Unterstützung des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege. Auch hier gehören die Pflege und die Mobilisation zu den Kernaufgaben. Hinzu kommt unter anderem das Setzen eines transurethralen Katheters bei der Frau. Die Tatsache, dass für die PFA der Tätigkeitsbereich ähnlich definiert ist, bietet Kritikern Angriffsfläche. Die Gefahr besteht, dass man vorwiegend PA einsetzt, da sie günstiger kommen als PFA oder gar diplomierte Pflegekräfte.

Das liegt auch daran, dass sich auch die Einsatzorte decken. Neben Kliniken und Pflegekrankenhäusern kommen auch Pflegeheime, Wohngemeinschaften, Hospize und die Hauskrankenpflege infrage.
Ein Upgrade ist übrigens jederzeit möglich. PA, die früher noch Pflegehelferinnen und Pflegehelfer hießen, können mit einer verkürzten Ausbildung rechnen, wenn sie doch PFA werden wollen. In einem Jahr können sie ihre Kompetenz und ihr Wissen im Umgang mit kranken Menschen vertiefen.

Neue Wege zur Pflege. Waltraud Haas-Wippel begrüßt die neuen Pfade zur Pflegeausbildung über die berufsbildenden mittleren und höheren Schulen (BMS und BHS).

Berufsbildende Schulen: Erfolgreicher Schulversuch

Lob für die neuen Bildungswege gibt es von jemandem, der sich seit Jahrzehnten mit dem Thema befasst. Waltraud Haas-Wippel war Pflegedienstleiterin der Geriatrischen Gesundheitszentren der Stadt Graz und unterrichtete an der Universität Graz am Institut für Pflegewissenschaft. In der Pension ist sie gefragte Keynote Speakerin und nach wie vor als Sachverständige und Gutachterin im Einsatz. Dass man nun auch über die berufsbildenden mittleren und höheren Schulen (BMS und BHS) zur Pflegeausbildung kommt, hält sie für einen wichtigen Schritt. Interessierte können in der BMS mit der mittleren Reife auch Lehrinhalte einer weiterführenden Pflegeausbildung vorziehen, in der BHS bekommt man neben der Matura auch einen Abschluss in der Pflegefachassistenz.

Der Vorteil gegenüber früher: Die Ausbildung kann schon mit der neunten Schulstufe beginnen. Da sind die meisten Jugendlichen 14 Jahre alt. In anderen Modellen gibt es das Mindestalter von 17 Jahren. „Somit fällt für die jungen Menschen die Stehzeit weg“, zeigt sich die Expertin von dieser Lösung überzeugt. „Und es handelt sich um Ausbildungen, die eine weitere Fortbildung ermöglichen, bis hin zum Bachelor, also zum gehobenen Dienst der Gesundheits- und Krankenpflege.“ Und dass die Bundesregierung dafür ein Budget von bis zu 350 Millionen Euro vorsieht, bedeutet für Waltraud Haas-Wippel, dass diese Ausbildungsform nun endgültig im Regelschulsystem ankommt, geplanterweise 2023/24. Bis jetzt wurde sie als Schulversuch geführt. Eine Pflegelehre hingegen hält sie für eine Sackgasse.

8.000 neue Ausbildungsplätze

„Mit der Schaffung der neuen Pflegeschulen setzen wir einen wichtigen Part der Pflegereform der Bundesregierung um. Dabei trägt der Bildungsbereich entscheidend dazu bei, mittel- und langfristig Pflegekräfte in Österreich gut ausbilden zu können“, so Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) in einer Aussendung. Aufgefettet wird das Vorhaben auch pekuniär: Durch einen monatlichen Zuschuss von 600 Euro für die Zeit der Pflichtpraktika soll die Ausbildung an mittleren und höheren Lehranstalten für Pflege und Sozialbetreuung auch finanziell attraktiv werden. Langfristig sollen die Maßnahmen 8.000 zusätzliche Ausbildungsplätze schaffen. 

Lehrlinge für Assistenzberufe in der Pflege

In einem Modellversuch wird eine Lehre für Jugendliche angeboten. Sie soll drei Jahre dauern und endet mit einem Lehrabschluss als Pflegeassistenz. Eine vierjährige Lehre führt zu einem Abschluss als Pflegefachassistenz. Er ermöglicht auch den Zugang zur Ausbildung zum diplomierten Gesundheits- und Krankenpfleger an einer Fachhochschule. Im vierten Lehrjahr ist eine Lehrlingsentschädigung von rund 1.500 Euro vorgesehen. Die Umsetzung kommt erst: Rund um den Jahreswechsel ist die gesetzliche Begutachtung dieses Modells vorgesehen. Kritiker führen an, dass Menschen nicht zu früh an den Pflegeberuf herangeführt werden sollten.

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