Wie elektronische Patienten­tagebücher helfen

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Autor: Michaela Endemann

E-Tagebücher erlauben die Dokumentation von Gesundheitsdaten zu Blutdruck, Blutzucker, psychischer Verfassung oder Hämophilie. Die Aufzeichnungen sind oft Voraussetzung für Heim-Therapien.

Hämophilie ist eine Erbkrankheit, die zu einer Störung der Blutgerinnung führt und eine lebenslange Substitutionstherapie erfordert. Neben einer umfassenden Schulung in einem Hämophilie-Zentrum ist gute Dokumentation Voraussetzung für die Selbstbehandlung zu Hause. Die Angaben zu Blutungen, selbstverabreichter Injektion, Dosis des Medikaments und Datum sind für die behandelnden Ärzte wichtig. „Bei Hämophilie können Gelenkblutungen auch ohne Trauma spontan auftreten. Rasches Reagieren und Injizieren des Ersatzstoffes ist wichtig, um Gelenk- und Knorpelschäden zu vermeiden“, erklärte Christoph Male vom Forschungs-Kompetenzzentrum Pädiatrische Kardiologie an der Med­uni Wien auf der diesjährigen Kinderärztetagung. Am AKH ist eines von derzeit drei am Markt verfügbaren Therapiemanagement-Tools im Einsatz. Mit diesem E-Tagebuch können Patienten Blutungen in einer Bodymap dokumentieren, Fotos hinzufügen und die Medikation notieren. Über einen Barcode-Scanner wird die Charge des Medikaments erfasst, Zeit und Ort der Injektion können angegeben werden. Das Tool ermöglicht es dem behandelnden Arzt, die Dokumentation via Web einzusehen. Arzt und Patient können jederzeit miteinander in Kontakt treten. Die wenigen verfügbaren Studien bei Hämophilie würden laut Male noch keine signifikante Verbesserung der Adhärenz im Vergleich zur konventionellen Dokumentation zeigen. Allerdings würden Patienten über Verbesserungen im Umgang mit der Krankheit berichten. Male ist überzeugt: „Das elektronische Tagebuch ist besser als das Ausfüllen von Zetteln und Fragebögen.“

Immer in Kontakt. Mit einem speziellen E-Tagebuch dokumentieren Hämophilie-Patienten Blutungen und Medikation in einer Bodymap. Der behandelnde Arzt kann die Aufzeichnungen digital einsehen und jederzeit kommunizieren.

Forschung

Studien gibt es aber schon zu anderen medizinischen Einsatzgebieten. In einer Studie, in der E-Patientenberichte zur Symptomüberwachung während der Chemotherapie ausgewertet wurden, konnte sogar eine höhere Überlebensrate im Vergleich zur Standardversorgung festgestellt werden. Die Autoren Basch et al. folgerten, dass dies auf eine frühzeitige Reaktion auf die Symp­tome der Patienten und eine längere Verträglichkeit der Chemotherapie zurückzuführen sei. Wahidi et al. folgerten in ihrer Studie: Ohne Aufzeichnungen ist es schwieriger, sich an Symp­tome zu erinnern, die zwischen Arztterminen auftreten und beim Gespräch dann vergessen werden zu erwähnen. Sogar ein SMS-basiertes System war ein wirksames Mittel zur Fernüberwachung von Symptomen, das die Rücklaufquote der wöchentlichen Symp­tomerhebung erhöhte.

Eine der wohl umfassendsten Übersichtsarbeiten über Krankheiten hinweg stammt von Emchi und Norbu aus dem Jahr 2022. In einer systematischen Literaturrecherche konnten im Suchzeitraum zwischen Juni 2007 und April 2019 68 randomisierte kontrollierte Studien zusammengetragen werden. Den zahlenmäßig größten Anteil machten Studien zu Diabetes mellitus mit 19 Studien aus, gefolgt von Herzinsuffizienz, Atemwegserkrankungen wie Asthma und psychischen Erkrankungen, aber auch Morbus Parkinson, chronischer Hepatitis B und Psoriasis. In 40 Studien konnte eine signifikante Wirksamkeit der App im Vergleich zur Kontrollgruppe nachgewiesen werden. Die Studienautoren bescheinigen diesen Anwendungen großes Potenzial und Nutzen für die Patienten (siehe Quellen und Links).

Quellen und Links:

Basch E, Deal AM, Dueck AC, Scher HI, Kris MG, Hudis C, Schrag D. Overall Survival Results of a Trial Assessing Patient-Reported Outcomes for Symptom Monitoring During Routine Cancer Treatment. JAMA. 2017 Jul 11;318(2):197-198. doi: 10.1001/jama.2017.7156. PMID: 28586821; PMCID: PMC5817466. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov

Emchi, Karma Norbu. Smartphone Apps zur Verbesserung der Gesundheit bei chronischen Erkrankungen Eine systematische Übersichtsarbeit. 2022, University of Zurich, Medizinische Fakultät. www.zora.uzh.ch

Qian W, Lam TT, Lam HHW, Li CK, Cheung YT. Telehealth Interventions for Improving Self-Management in Patients With Hemophilia: Scoping Review of Clinical Studies. J Med Internet Res. 2019 Jul 10;21(7):e12340. doi: 10.2196/12340. PMID: 31293241; PMCID: PMC6652120.

Tiede A, Halimeh S et al: „Quality of electronic treatment records and adherence to prophylaxis in haemophilia and von Willebrand disease: Systematic assessments from an electronic diary“. Haemophilia 2020 Nov;26(6):999-1008.

Wahidi R, Mintz R, Agabalogun T, Mayer L, Badiyan S, Spraker MB. Remote Symptom Monitoring of Patients With Cancer Undergoing Radiation Therapy. Cureus. 2022 Sep 29;14(9):e29734. doi: 10.7759/cureus.29734. PMID: 36324357; PMCID: PMC9617467. www.ncbi.nlm.nih.gov

E-Tagebücher Hämophilie:

www.haemophilie-und-ich.de/leben-mit-haemophilie/gesundheitsapps-fuer-haemophilie-patienten

www.meine-haemophilie.de/content/10-jahre-haemoassist

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