VAMED: Im Verkaufsregal

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Autor: Martin Hehemann

Der in Turbulenzen geratene deutsche Gesundheitskonzern Fresenius richtet sein Geschäft neu aus. Plötzlich zählt die österreichische Mehrheitsbeteiligung VAMED nicht mehr zum Kerngeschäft. Marktbeobachter werten dies als Schritt in Richtung Verkauf.

Michael Sen bemühte sich nicht lange um Diplomatie: „Fresenius braucht einen kompletten Neustart“, so der Chef des deutschen Gesundheitskonzerns Fresenius. Das Unternehmen habe in den vergangenen Jahren falsche Prioritäten gesetzt. „Fresenius fehlte die Richtung.“ Die unverblümte Botschaft, formuliert auf der Bilanzpressekonferenz zur Präsentation des Jahresergebnisses 2022 im Februar, dürfte sich vor allem an Analysten und Investoren des börsenotierten Konzerns gerichtet haben. Aber auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben genau zugehört.

Weggelegt. Der Mutterkonzern hat dem Tochterunternehmen die Rute ins Fenster gestellt. Fresenius-Chef Sen spricht von „Neuausrichtung“ und möglicher „Kapitalallokation“. Die VAMED mache zu wenig Rendite.

Sen hat Anfang Oktober 2022 den langjährigen Fresenius-Chef Stephan Sturm abgelöst, der nach Gewinnwarnungen in Serie und Absturz der Aktie das Handtuch nehmen musste. Der neue Boss verordnet der weltweit tätigen Unternehmensgruppe mit Sitz im beschaulichen Bad Homburg eine deutlich gestraffte Struktur: Der Gesundheitskonzern reduziert seine Geschäftsfelder von vier auf zwei. Das operative Kerngeschäft besteht in Zukunft aus der Medikamentensparte Kabi und dem Krankenhausbetreiber Helios. Die ebenfalls börsenotierte Dialysetochter Fresenius Medical Care (FMC) wird nur mehr als Finanzbeteiligung geführt. Was in der österreichischen Öffentlichkeit bislang unbemerkt blieb: Das Gleiche gilt für die Tochtergesellschaft Vamed, an der Fresenius zu 77 Prozent beteiligt ist.

Die Vamed, einst gegründet als Bau- und Errichtungsgesellschaft für das Wiener AKH, definiert sich in ihren Pressemeldungen als „weltweit führender Gesundheitsdienstleister mit Sitz in Wien“. Die Hauptaktivitäten der österreichischen Fresenius-Tochter liegen im Projekt- und Dienstleistungsgeschäft: Sie übernimmt die Planung, Errichtung und Ausstattung von Spitälern und Pflegeheimen und managt deren technische Betriebsführung. Weltweit beschäftigt die Gruppe stolze 24.000 Mitarbeiter. Letzte heimische Großakquisition: In Österreich hat die VAMED 2021 den Zuschlag als Totalunternehmer für die Errichtung des neuen Landesklinikums Wiener Neustadt erhalten. Aus Sicht der Konzernmutter Fresenius gehören diese Aktivitäten nun nicht mehr zum Kerngeschäft.

Liebesentzug

Was es bedeutet, dass die Vamed nur mehr als Finanzbeteiligung gesehen wird, hat Fresenius-Chef Sen vor einigen Wochen in einer Telefonkonferenz mit Aktienanalysten klargestellt: Man werde die „Management Attention“ und „möglicherweise auch die Kapitalallokation“ reduzieren.

Der Hinweis auf die Reduktion der Kapitalunterstützung bedeutet für die VAMED schlechte Nachrichten. „Der Konzern wird kein Kapital mehr für Wachstum zur Verfügung stellen. Das muss die Vamed aus eigener Kraft stemmen“, meint ein deutscher Aktienanalyst. In den Worten von Fresenius-Boss Sen klingt das so: „Wir werden sehen, wie sich die Rendite unserer Investition entwickelt, ohne in das operative Geschäft einzusteigen.“ Das Management der Vamed um Vorstandsvorsitzenden Ernst Wastler hält sich mit einer Kommentierung der Botschaften aus Bad Homburg zurück: Zu dem Thema gebe es derzeit nichts zu sagen, meint ein Sprecher.

Die Vamed hat so wie viele andere Unternehmen mit den Auswirkungen der Corona-Krise zu kämpfen und ein schwieriges Jahr 2022 hinter sich. So stieg der Umsatz laut Veröffentlichung der Konzernmutter im vergangenen Jahr zwar um drei Prozent auf knapp 2,4 Milliarden Euro. Das operative Ergebnis (EBIT) ohne Berücksichtigung von Sondereinflüssen sank aber um 81 Prozent auf 20 Millionen Euro. Damit reduzierte sich auch die Rentabilität (EBIT-Marge) auf 0,8 Prozent – was aus Sicht des Kapitalmarkts, der zweistellige Rentabilitätsziffern erwartet (!), sehr negativ bewertet wird. Erschwerend kommt hinzu, dass die übrigen drei Geschäftsfelder von Fresenius sich 2022 deutlich besser schlugen und die geforderten zweistelligen EBIT-Margen erzielten. Vor allem das vierte Quartal des Vorjahres lief bei der Vamed laut Fresenius-Boss Sen „not to our liking“ – auf Deutsch: nicht nach unserem Geschmack. Dies drücke auch die Erwartungen für 2023.

Vorbereitung für den möglichen Verkauf

Umso besser schmeckt Analysten und Investoren die Entscheidung des neuen Fresenius-Chefs. Alexander Neuberger, Analyst beim Bankhaus Metzler: Die Vamed „hat mit dem Kerngeschäft von Fresenius nichts zu tun“. Dieser Schritt – die Bewertung als reine Finanzbeteiligung – diene der Vorbereitung für einen möglichen Verkauf. „Eine Trennung macht aus Sicht von Fresenius Sinn.“ Ähnlich sieht das Florian Oberhofer, Fondsmanager bei Union Investment: Ein Abbau der Beteiligung am Dialysespezialisten FMC, an dem Fresenius 32 Prozent hält, und auch am Klinik-Dienstleister Vamed sei künftig wahrscheinlicher, wurde der Investmentexperte von der deutschen Tageszeitung Die Welt zitiert. Zumindest im Fall der börsenotierten FMC sei ein Verkauf derzeit aber kein gutes Geschäft für Fresenius, da die Aktie deutlich an Wert verloren habe.

Unter Investoren stand die breite Aufstellung von Fresenius mit den vier Geschäftsfeldern Arzneien (Kabi), Kliniken (Helios), Dialyse (FMC) und Projektgeschäft (Vamed) schon länger in der Kritik. Sens Vorgänger Stephan Sturm hatte dem Gesundheitskonzern einen ambitionierten Wachstumskurs verordnet und zahlreiche Übernahmen getätigt. Das international verzweigte Konglomerat kommt mittlerweile auf einen Umsatz von mehr als 40 Milliarden Euro. Der neue Fresenius-Chef machte bei der Bilanzpressekonferenz deutlich, was er von dieser Expansionspolitik hält: „Transaktionen sind keine Strategie. Wachstum wurde auf Kosten von Rendite erzielt.“ Mit der Neuausrichtung des Konzerns und dem Fokus auf Kabi und Helios „lösen wir uns aus Strukturen, die beide Unternehmen zuletzt daran gehindert haben, das Beste aus sich herauszuholen“.

Unruhe bei heimischen Aktionären

In Finanzkreisen wird davon ausgegangen, dass es nicht bei der neuen Struktur bleibt. Die Reduktion auf zwei Geschäftsfelder gilt nur als erster Schritt der Restrukturierung. So soll der aktivistische US-Hedgefonds Elliott, der im vergangenen Oktober ein Paket an Fresenius-Aktien erworben hat, massiv auf eine Aufspaltung des Gesundheitskonzerns drängen.

In Wien wird man die Entwicklungen in Deutschland aufmerksam zur Kenntnis nehmen – nicht nur bei der Vamed selbst. Denn das Unternehmen hat neben Fresenius zwei weitere Groß-Eigentümer: die heimische B&C-Gruppe, die 10 Prozent der Aktien hält, und die Staatsholding ÖBAG, die 13 Prozent besitzt. Die ÖBAG dürfte wenig Interesse an einer Aufstockung ihrer Beteiligung haben. Dazu ÖBAG-Sprecher Michael Mauritz: „Wir kennen die Aussagen von Fresenius zur Vamed bislang auch nur aus den Medien. Man muss sehen, ob es wirklich zu einem Verkauf kommt und wie dann der Verkaufsprozess ausschaut.“ Wenn Fresenius verkauft, „dann vermutlich nur das ganze Paket in einem Block“, so Mauritz weiter. „Und das käme für uns aus verschiedenen Gründen nicht infrage.“ Nachsatz: „Wer auch immer der zukünftige Mehrheitseigentümer der Vamed sein wird, wir haben großes Interesse, die Partnerschaft fortzuführen.“

Etwas anders verhält es sich möglicherweise bei der B&C-Gruppe. Sie besitzt unter anderem Mehrheitsbeteiligungen am Faserhersteller Lenzing, dem Aluminiumkonzern AMAG und dem Gummiverarbeiter Semperit und gilt als kapitalkräftig. Eine Übernahme der Vamed wird ihr von Insidern durchaus zugetraut. Die B&C-Manager lassen sich allerdings nicht in die Karten schauen. Man wolle sich nicht an Marktspekulationen beteiligen, heißt es. Kurzer Kommentar eines Sprechers der B&C-Gruppe: „Wir sind mit unserer VAMED-Beteiligung zufrieden.“ 

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