Wann ist eine Behandlung in Zusammenhang mit einer künstlichen Befruchtung erstattungsfähig

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Autor: Monika Ploier

Der OGH hat sich in einer aktuellen Entscheidung mit dem Anspruch auf Kostenerstattung einer Behandlung mit dem Medikament „Ig VENA“ im Zuge einer künstlichen Befruchtung beschäftigt.

Der Klägerin wurde nach insgesamt vier fehlgeschlagenen Versuchen einer In-vitro-Fertilisation IVF Ig VENA verordnet. Dabei handelt es sich um ein wissenschaftlich anerkanntes und regulatorisch gut positioniertes Präparat, das in Österreich u.a. zur Anwendung im Rahmen einer Substitutionsbehandlung bei primären Immunmangelkrankheiten oder dem Kawasaki-Syndrom zugelassen ist. Ig VENA verfügt über keine Zulassung für Autoimmunerkrankungen sowie für die Verbesserung von Fertilität und Schwangerschaftsverlauf.

Bei der Klägerin lagen eine primäre Sterilität, eine latente humorale primäre Immundefizienz, eine autoimmune Hyperthyreose vor sowie die Neigung zu habituellem Abort bei Schwangerschaft. Außerdem wurde auch eine erhöhte Anzahl von uterinen natürlichen Killerzellen festgestellt. In der Literatur werden diese Auffälligkeiten mit wiederkehrendem Implantationsversagen assoziiert. Wissenschaftliche Studien liefern Hinweise, dass eine intravenöse Behandlung mit Ig VENA eine immunmodulierende Funktion hat und die Aktivität der uterinen natürlichen Killerzellen in der Gebärmutterschleimhaut abschwächt. Aufgrund dieser Erkenntnisse ist die Anwendung von Ig VENA bei mehrmaligem Implantationsversagen und wiederholtem Abortusgeschehen eine seit Jahren gelebte Praxis in sehr vielen Fertilitätszentren national und international.

Wegen der immunologischen Abweichungen war die bei der Klägerin konkret durchgeführte Behandlung mit Ig VENA aus medizinischer Sicht indiziert und gerechtfertigt. Diese Behandlung führte auch zu einer insgesamt erfolgreichen Schwangerschaft. Erfolgversprechende (zulässige) alternative Behandlungsmethoden bestanden keine.

Die ÖGK lehnte mit Bescheid den Antrag der Klägerin auf Erstattung der Kosten für die Behandlung mit dem Präparat Ig VENA ab. Dagegen erhob die Klägerin Klage und begehrte die Erstattung des Kostenbetrags von insgesamt € 5.448.

Das Erstgericht wies die Klage ab und begründete dies damit, dass eine In-vitro-Fertilisation keine Krankenbehandlung sei. Dies müsse umso mehr für die vorbereitenden und begleitenden Maßnahmen gelten.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil ab und bejahte einen Kostenerstattungsanspruch, da der Grund für die Behandlung mit Ig VENA nicht die bei der Klägerin vorgenommene In-vitro-Fertilisation als solche gewesen sei, sondern deren immunologische Abweichungen und damit ein regelwidriger Körperzustand. Die Behandlung habe das Ziel gehabt, eine Abstoßung des Embryos infolge des regelwidrigen Körperzustands der Klägerin zu verhindern.

Der OGH bestätigte diese Sicht des Berufungsgerichts und begründete dies damit, dass ein Anspruch auf Kostenerstattung bestehen bleibt, auch wenn die Behandlung des regelwidrigen Körperzustand in einem (zeitlichen oder ursächlichen) Zusammenhang mit einer nicht kostenerstattungspflichtigen In-vitro-Fertilisation steht.

Bei der Klägerin bestand eine immunologische Abweichung, aufgrund derer die Klägerin die Neigung zu habituellem Abort aufwies, was einen regelwidrigen Körperzustand darstellt. Sämtliche gegenständlichen Behandlungen hatten den Zweck, eine Abstoßung des Embryos infolge dieses regelwidrigen Körperzustands der Klägerin zu verhindern. Die Behandlung wirkte somit unmittelbar auf den regelwidrigen Körperzustand ein, weshalb ein Kostenerstattungsanspruch bestand. 

Dr. Monika Ploier ist Anwältin bei HLMK Rechtsanwälte und auf Medizin- und Arbeitsrecht spezialisiert. Sie ist Verfasserin zahlreicher Publika­tionen und Lektorin für Medizin & Recht an mehreren akademischen Bildungseinrichtungen. Monika Ploier ist Obfrau des Forschungsinstituts für Recht in der Medizin FIRM.

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