Einfache und billige Gesundheitsmaßnahmen für Schwangere könnten einer Studie zufolge jedes Jahr mehr als eine Million Totgeburten oder Todesfälle bei Neugeborenen in Entwicklungs- und Schwellenländern verhindern. Dazu gehörten so simple Schritte wie die Verabreichung von Aspirin oder Aufklärung über die Gefahren des Rauchens, hieß es in Beiträgen eines internationalen Forscherteams, die die Fachzeitschrift „The Lancet“ veröffentlicht hat.
Acht bewährte und leicht umsetzbare Maßnahmen könnten demnach in insgesamt 81 Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen mehr als 565.000 Totgeburten verhindern. Dazu gehörten die Bereitstellung von sogenannten Mikronährstoffen wie Vitamine und Mineralstoffe, von niedrig dosiertem Aspirin oder dem Hormon Progesteron, Informationen über die Risiken des Rauchens sowie Behandlungen gegen Malaria, Syphilis und Bakterien im Urin.
Würden schwangeren Frauen Steroide zur Verfügung gestellt und Ärzte die Nabelschnur nach der Geburt nicht sofort abklemmen, könnte der Tod von mehr als 475.000 weiteren Neugeborenen verhindert werden, schrieben die Forscher. Sie schätzen die Kosten für all dies Maßnahmen auf rund 1,1 Milliarden Dollar. Das sei „ein Bruchteil dessen, was andere Gesundheitsprogramme erhalten“, erklärte der Experte Per Ashorn von der finnischen Universität Tampere, einer der Hauptautoren der „Lancet“-Beiträge.
„Kleine gefährdete Neugeborene“
Die Forscher schätzen darüber hinaus, dass deutlich mehr Neugeborene als bisher angegeben zu früh oder untergewichtig auf die Welt kommen. Dabei nutzen sie eine neue Definition für Neugeborene mit zu geringem Gewicht. Die traditionelle Methode zur Bestimmung eines niedrigen Geburtsgewichts – wenn ein Neugeborenes weniger als 2,5 Kilogramm auf die Waage bringt – habe ein finnischer Arzt im Jahr 1919 festgelegt, sagte die Wissenschaftlerin Joy Lawn von der London School for Hygiene and Tropical Medicine. Der Maßstab sei „etwas willkürlich gewählt“ worden und zu „grob“.
Nach einer Analyse von 160 Millionen Lebendgeburten in den Jahren 2000 bis 2020 schufen Lawn und ihre Kollegen den neuen, differenzierteren Begriff „kleine gefährdete Neugeborene“. Demnach waren allein im Jahr 2020 rund 35,3 Millionen der weltweit geborenen Babys entweder Frühchen oder zu klein – das entspricht in etwa jedem vierten Neugeborenen.
Laut den Forschern gibt es auf dem Gebiet so gut wie keine Fortschritte. Betroffen seien Frauen in aller Welt, auch in Industriestaaten. Als Beispiel nannten sie Afroamerikanerinnen in den USA, die in der Regel medizinisch schlechter versorgt seien als ihre Geschlechtsgenossinnen aus anderen Bevölkerungsgruppen.
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(APA/AFP/red.)