Wenn ein Familienmitglied pflegebedürftig wird, übernehmen in vielen Familien die Angehörigen die Pflege. In der Stadt Graz sollen pflegende Angehörige künftig unter bestimmten Voraussetzungen angestellt werden und für ihre Pflegearbeit monatlich bis zu 2.000 Euro netto bekommen. Im Jänner kommenden Jahres startet das Pilotprojekt mit 15 Plätzen. In das Vorhaben werden 700.000 Euro investiert.
Die Übernahme der Pflege zuhause durch Angehörige stellt eine große Herausforderung dar – vor allem, wenn sich die zeitliche Intensität der Pflege und der Job nicht mehr vereinbaren lassen. Dabei werde Großartiges geleistet, die Pflegenden würden aber sozial „oft komplett in der Luft hängen“, betonte die Grazer SPÖ-Vorsitzende und steirische Soziallandesrätin Doris Kampus. Mit einer Anstellung sorge man für „soziale Sicherheit in einer schwierigen Lebenssituation“, wie Kampus hervorhob.
Im Burgenland wurde Ende 2019 ein Anstellungsmodell für pflegende Angehörige eingeführt. Die Grazer SPÖ hat diese Idee im Herbst 2019 in die Koalitionsverhandlungen eingebracht. Im Grazer Pilot, der das burgenländische Modell an die Herausforderungen der steirischen Landeshauptstadt angepasst hat, wolle man Erfahrungen sammeln, wie das Projekt über das Jahr 2024 hinaus weitergeführt werden wird, wie Kampus ausführte.
„Mehr als nur punktuelle Pflege“
Die Anstellung ist an mehrere Voraussetzungen gebunden. Das Einkommen der pflegebedürftigen Person muss unter der EU-SILC- Grenze (rund 1.400 Euro im Monat) liegen und eine Pflegestufe 3 oder höher vorliegen. „Das ist mehr als nur eine punktuelle Pflege“, wie Norma Rieder, Leiterin der Pflegedrehscheibe schilderte. Die pflegenden Angehörigen müssen älter als 18 Jahre sein, für die körperliche und gesundheitliche Eignung müsse ein ärztliches Attest gebracht werden. Personen in Pension oder Karenz können nicht angestellt werden, wie Rieder weiter ausführte.
Die Entlohnung erfolgt je nach Stundenausmaß und betrage bei 20 Wochenstunden netto rund 1.200 bzw. rund 2.000 Euro bei 40 Wochenstunden. Dazu werden der pflegebedürftigen Person 50 Prozent des Pflegegeldes als Selbstbehalt abgezogen. Die restliche Finanzierung erfolge durch das Sozialamt der Stadt Graz. Die Anstellung erfolge vorerst über eine Leasing Firma, mit diesem Modell habe die Stadt Graz bereits gute Erfahrungen.
Weitere Voraussetzung ist die Absolvierung eines achtstündigen Erste-Hilfe-Kurses und ein zweistündiger Basiskurs zu den Grundlagen der Pflege. Innerhalb von drei Monaten ab Dienstantritt müssen die angestellten Pflegenden noch 24 Stunden Pflegekurse im Albert-Schweitzer Trainingszentrum absolvieren.
„Das neue Grazer Modell ist ein erster wichtiger Schritt zur Absicherung von Personen, die für die Pflege ihrer Angehörigen physisch und psychisch an die Grenzen gehen. Wir entlasten sie damit und nehmen ihnen zumindest ihre finanziellen Sorgen“, hielt Gesundheits- und Pflegestadtrat Robert Krotzer (KPÖ) fest. Die Anstellung pflegender Angehöriger sei „eine weitere Säule im Pflegesystem der Stadt, das von den Geriatrischen Zentren über mobile Dienste und 24-Stunden-Pflegedienste bis zu Tageszentren reiche. Dass die angestellten pflegenden Angehörigen mit Pensions- und Arbeitslosenversicherung auch „für die Zukunft abgesichert“ werden, betonte Vizebürgermeisterin Judith Schwentner (Grüne).
(APA/red.)