In einem gesunden Gelenk ist die Reibung sehr gering und deutlich kleiner als bei beweglichen Teilen einer Maschine. Wie die Natur das schafft, wird seit vielen Jahren diskutiert. Wiener Forscher berichten nun mit Kollegen aus Kanada und China im Fachjournal „Science Advances“, dass wasserfixierende Ionen für die notwendige „Schmiere“ sorgen dürften. Sie wollen das nun näher untersuchen, um neue Behandlungsmethoden bei Gelenksproblemen entwickeln zu können.
Markus Valtiner, Institut für angewandte Physik, TU-Wien:Für eine möglichst geringe Reibung sorgt daher eine flüssige Schicht.
Markus Valtiner vom Institut für angewandte Physik der Technischen Universität (TU) Wien untersucht Effekte, die an der Grenze unterschiedlicher Aggregatzustände stattfinden, etwa zwischen einem Festkörper und einer Flüssigkeit. Solche Grenzflächeneffekte sind auch für das Funktionieren von Gelenken entscheidend: „Würde direkt ein Knochen gegen einen Knochen reiben, oder ein Knorpel gegen einen Knorpel, wäre die Reibung sehr hoch und das Gelenk wäre rasch kaputt“, erklärte Valtiner in einer Aussendung. Für eine möglichst geringe Reibung sorgt daher eine flüssige Schicht.
Wasser alleine genügt dafür aber nicht, denn die Wassermoleküle müssen auch bei Belastung dauerhaft an Ort und Stelle bleiben. Schon bisher habe es den Verdacht gegeben, dass positiv geladene Ionen (Kationen) dabei eine entscheidende Rolle spielen, so Valtiner.
Denn biologisches Gewebe ist an seiner Oberfläche oft negativ geladen. Es zieht also positiv geladene Teilchen an, die wiederum gut Wassermoleküle festhalten können, die eine positiv und eine negativ geladene Seite haben. Die Forscher testeten diese Hypothese experimentell und mit Computersimulationen anhand von dreifach positiv geladenen Lanthan-Atomen. Im Mikroskop sahen sie, wie sich die Lanthan-Atome auf dem negativ geladenen Untergrund festsetzten und sich rund um sie Wassermoleküle ansammelten. Dort, wo sich besonders viele Lanthan-Atome aufhielten, war auch der Wasserfilm am ausgeprägtesten.
Unter Druck geschmierte Gelenke
Im Körper sind keine Lanthan-Atome für diesen Effekt zuständig, sondern Lubricin, ein Glykoprotein. „Das ist ein Molekül, das an seinen beiden Enden ebenfalls positiv geladene Stellen aufweist“, erklärt Valtiner. Diese beiden Enden werden vom Gewebe angezogen und das Molekül bildet eine Art Schleife, in der das Wasser durch molekulare Wechselwirkung festgehalten und bei Belastung freigesetzt wird.
Bei der Analyse stellten die Forscher fest, dass es wichtig ist, „diese Schleife zu quetschen, um den Wasserfilm aufrechtzuerhalten“. Das erklärt für sie auch, warum es gerade bei Gelenksproblemen wichtig sei, sich regelmäßig zu bewegen. Denn in unbewegten Gelenken werde die Reibung im Lauf der Zeit wieder größer. Die Wissenschafter wollen die nun entdeckten physikalischen Prinzipien näher untersuchen, um daraus mögliche künftige Behandlungsmethoden für Gelenksprobleme entwickeln zu können.
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(APA/red.)