Während die EU-Kommission an ihren Plänen zur Neuen Gentechnik (NGT) arbeitet, hat Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) ihre Bedenken dazu geäußert. „Wir möchten sicherstellen, dass auch für Verfahren der Neuen Gentechnik ein strenges Zulassungsverfahren für Europa“ gelte, sagte Gewessler am Donnerstag in Brüssel vor einem Treffen mit ihren EU-Amtskollegen. Der Prozess rund um den Brüsseler Gesetzesvorschlag, der im Juni kommen soll, sei bisher „sehr, sehr vage“.
Gewessler fordert einen „fundierten, wissenschaftlich basierten Prozess der Risikoabschätzung“ in dem Bereich, der „vielfältige Auswirkungen“ auf Umwelt, Landwirtschaft und Gesundheit habe. Ihrer Ansicht nach brauche es eine „gemeinsame Arbeitsgruppe mit unterschiedlichen Disziplinen“, die sich noch einmal mit der Risikoabschätzung und den Kriterien dazu auseinandersetze. Dies sollte dann in die Gesetzgebung einfließen, sagte Gewessler. Die Umweltministerin hat das Thema beim heutigen EU-Treffen eingebracht.
Die Umweltschutzorganisation Global 2000 kritisierte in einer Aussendung, dass „dieses voreingenommene Vorgehen der EU-Kommission“ einen kritischen neuen Präzedenzfall für konzerngesteuerte Gesetzgebung schaffen würde, der die Umwelt bedrohe, Rechte der Landwirtinnen und Landwirte und das Konsumentenrecht schwäche. „Eine derartig befangene EU-Konsultation darf keine Basis für einen Gesetzesvorschlag sein“, sagte Brigitte Reisenberger, NGO-Expertin für Landwirtschaft und Gentechnik. „Die in Europa geltenden hohen Schutzstandards müssen auf jeden Fall erhalten bleiben. Es braucht also auch in Zukunft eine umfassende Risikobewertung für gentechnisch veränderte Lebensmittel“, sagte Sebastian Theissing-Matei, Landwirtschaftsexperte bei Greenpeace.
„Eine wissenschaftlich begründete Risikobewertung“
Mit rund vier Milliarden Euro Jahresumsatz für Gentechnik-freie Lebensmittel (je zwei Mrd. Euro „Ohne Gentechnik hergestellt“ und weitere zwei für „Bio“) würde eine Deregulierung bzw. Aufweichung der Zulassungsverfahren für gentechnisch veränderte Pflanzen wesentliche Bereiche des heimischen Lebensmittelmarktes treffen, befürchtete der Interessenverband ARGE Gentechnik-frei. Voraussetzungen, um den boomenden Markt in Österreich abzusichern, seien „eine wissenschaftlich begründete Risikobewertung, klare und transparente Kennzeichnung von gentechnischer Veränderung direkt am Produkt, sowie vollständige Rückverfolgbarkeit von gentechnisch veränderten Pflanzen“, erklärte ARGE-Geschäftsführer Florian Faber per Aussendung.
Der Interessensverband Bio Austria erinnerte in einer Aussendung indes, dass die EU-Kommission das Ziel 25 Prozent Bio-Flächenanteil bis 2030 in der EU definiert hat. Daher müsse auch sichergestellt sein, dass die gesetzliche Regelung der sogenannten Neuen Gentechnik dieses Ziel nicht gefährde. „Ein Aufweichen der verpflichtenden Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit für Neue Gentechnik würde nämlich die Koexistenz und damit die biologische Produktion sowie die gesamte restliche gentechnikfreie Produktion in Europa gefährden“, sagte Obfrau Gertraud Grabmann.
Auch die Grünen setzen sich für die Beibehaltung des Vorsorgeprinzips und der Kennzeichnungspflicht ein: „Denn die Menschen haben ein Recht auf Entscheidungsfreiheit. Sie müssen sich darauf verlassen können zu wissen was sie gerade essen“, wurde Clemens Stammler, Nationalratsabgeordneter der Grünen und Obmann der Grünen Bäuerinnen und Bauern (GBB) zitiert. Ein weiteres Problemfeld sieht Stammler in der Patentierbarkeit, denn: „die Anwendung gentechnischer Methoden ist aufwendig, teuer und damit tendenziell großen Konzernen vorenthalten.“
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(APA/red.)