Ein Harntest mit 50 Protein-Fragmenten als Marker kann offenbar das Sterberisiko von Betroffenen einer ganzen Reihe von Erkrankungen vorhersagen. Das hat eine neue Studie europäischer Wissenschafter unter Beteiligung der MedUni Innsbruck ergeben. Ursprünglich wurde der Test bei Covid-19-Patienten erprobt.
Die SARS-CoV-2-Pandemie hat ohne Zweifel die medizinische Forschung auf vielen Gebieten vorangetrieben. Ein Thema war die Entwicklung neuer Impfstoffe, ein anderes waren antivirale Medikamente, ein drittes neue Labormethoden. Das in Hannover in Deutschland angesiedelte Biotech-Unternehmen Mosaiques Diagnostics hat sich auf die Analyse von Mustern an Peptiden in verschiedenen Körperflüssigkeiten mittels Verfahren wie Elektrophorese und Massen-Spektrometrie im Zusammenhang mit verschiedenen Erkrankungen spezialisiert.
Dabei wurde zum Beispiel das COV50-Testsystem entwickelt. Es handelt sich um die Analyse der Muster von 50 im Harn vorkommenden Peptiden (Teile von Proteinen). Veränderungen sollen Hinweise auf den Verlauf von Erkrankungen und sogar auf ein Mortalitätsrisiko geben. Eine vom deutschen Gesundheitsministerium finanzierte Studie mit Covid-19-Patienten zeigte im Jahr 2022 in „Lancet Digital Health“ erstaunliches: Ein entsprechendes Peptid-Muster von 1.012 Erkrankten (positiver SARS-CoV-2-Test zu Beginn) sagte mit einer Genauigkeit von fast 75 Prozent eine tödlich verlaufende Covid-19-Erkrankung voraus. Die Genauigkeit für die Prognose eines schweren Krankheitsverlaufes lag bei 67 Prozent.
Vulnerabilität bereits vor der Erkrankung
Jetzt hat ein Wissenschafterteam aus Österreich (MedUni Innsbruck), Deutschland, Frankreich, Belgien und Griechenland mit COV50 versucht, die Aussagekraft des Tests auch bei anderen Erkrankungen zu bestimmen. „Vorangegangene Forschungen haben ergeben, dass die Charakterisierung von Peptiden im Harn mit COV50 das Fortschreiten einer SARS-CoV-2-Erkrankung und Todesfälle vorhersagen kann. Das deutet darauf hin, dass dies zumindest teilweise mit einer Vulnerabilität zu tun hat, die bereits vor einer Erkrankung vorhanden war“, schrieben die Experten, unter ihnen Felix Keller vom Labor der Universitätsklinik für Innere Medizin IV in Innsbruck.
Im Rahmen der Studie, die vor kurzem im „Journal of Translational Medicine“ erschienen ist, analysierte man mit dem COV50-Klassifikationssystem das Peptid-Muster aus Harnproben von 1.719 Patienten von Intensivstationen und von 7.474 Patienten mit weniger schweren Erkrankungsverläufen. Es handelte sich durchwegs um nicht an Covid-19 Erkrankte. Das Ergebnis: Mit jeder Steigerung des COV50-Werts um eine Einheit, war das Sterberisiko von Patienten auf Intensivstationen um 20 Prozent erhöht. Bei Erkrankten ohne Bedarf einer intensivmedizinischen Versorgung stieg das entsprechende Mortalitätsrisiko sogar um 61 Prozent.
„Die größten und signifikantesten Veränderungen im Zusammenhang mit zukünftiger Sterblichkeit waren eine Reduktion bestimmter Kollagen-Fragmente“, heißt es in der Zusammenfassung der wissenschaftlichen Arbeit. Offenbar geht das auf Veränderungen im Gewebe zwischen den Zellen des Organismus (extrazelluläre Matrix) zurück. Jetzt stellt sich die Frage, ob man auf irgendeinem Weg im Krankheitsfall eingreifen könnte, um von COV50 erfasste Zustände zu verhindern, welche zu einer größeren Anfälligkeit für schwere Verläufe führen oder gar den Tod im Krankheitsfall begünstigen. Auf der anderen Seite könnte der Test auch ein Frühwarnsystem für eine von Beginn an intensivere Therapie bei Gefährdeten sein.
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(APA/red.)