Im Notfall verlässlich aufgefangen

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Autor: Scho

Notfall- und Fachambulanzen finden sich in allen Spitälern des Landes. Sie sind rund um die Uhr mit eigens dafür qualifizierten Teams besetzt, die sich neben hoher fachlicher Expertise auch durch besonders rasches Handlungsvermögen sowie Entscheidungs- und Nervenstärke auszeichnen. Denn sie sind explizit für lebensbedrohliche und spitalspflichtige Notfälle vorgesehen. Am Schwerpunktkrankenhaus Feldkirch werden die Fähigkeiten der in diesem Bereich benötigten Fachdisziplinen in einer zusätzlichen „Interdisziplinären Notaufnahme“ (iNA) gebündelt. Dafür stehen seit Sommer 2020 neue, eigens für den akuten Notfall konzipierte Räumlichkeiten zur Verfügung. Durchschnittlich werden allein in dieser Interdisziplinären Notaufnahme des LKH Feldkirch rund 27.500 PatientInnen pro Jahr betreut.

Pandemiebedingt konnten die Eröffnungsfeierlichkeiten für die neuen Räumlichkeiten erst heuer stattfinden: Vergangenes Wochenende wurde die Arbeit der Interdisziplinären Notaufnahme iNA nun im Rahmen einer Fachtagung am LKH Feldkirch offiziell vorgestellt.

Im Gruppenbild v.l.: Priv.-Doz. Dr. Alexander Vonbank, DGKP Matthias Hellmair, MBA, DGKP Peer Leithe, OA Dr. Benjamin Matosevic, Dr. Lukas Gamillscheg, Prim. Doz. Dr. Matthias Frick, Prim. Dr. Philipp Werner; ©Mathis Fotografie

Gut eingespielte Teams aus unterschiedlichen Fachbereichen

Kernaufgabe der Notaufnahme ist die Notfall- und Akutversorgung von PatientInnen in einem (potentiell) lebensbedrohlichen Zustand, der rasches Handeln erfordert. Am LKH Feldkirch als Schwerpunktkrankenhaus ist die Interdisziplinäre Notaufnahme das Zentrum für kardiologische und neurologische Notfälle. Die Verletzungen und Krankheitsbilder der PatientInnen, die das Fachteam in der iNA behandelt, fallen vor allem in die Bereiche „Innere Medizin“ (etwa ein akuter Herzinfarkt, ein allergischer Notfall, Magen- oder Darmblutungen), „Pädiatrie“ (z.B. Kinder mit Atembeschwerden, Krämpfen), „Neurologie“ (v.a. akute Schlaganfälle) und „Allgemeinchirurgie“ (u.a. akute Bauchschmerzen etc.). „Zusätzlich betreuen wir in der Notaufnahme auch Notfälle der Urologie, Gynäkologie, Dermatologie, Gefäßchirurgie und Neurochirurgie“, ergänzt DGKP Matthias Hellmair, MBA. Er ist Stationsleiter der iNA am LKH Feldkirch.

„Wir arbeiten also in einem interdisziplinären Team mit neun verschiedenen medizinischen Fachbereichen. Das ist sehr spannend, braucht aber auch viel Fach- und Zusatzwissen.“ Gerade wenn viele Fachrichtungen und unterschiedliche Berufsgruppen in Ausnahmesituationen und ungeplanten Ereignissen rasch und effizient zusammenarbeiten müssen, setzt das auch ein hohes Maß an Kommunikations- und Teamfähigkeit voraus: „Hier ist die iNA am LKH Feldkirch bestens aufgestellt, wir haben einen hervorragenden Zusammenhalt im Team!“, lobt Matthias Hellmair. „Die gute Zusammenarbeit zwischen den MitarbeiterInnen aus all diesen Disziplinen macht diese Art der Notaufnahme so besonders“, betont auch Fachbereichsleiter Prim. Priv.-Doz. Dr. Matthias Frick. Die eigens dafür konzipierten Räumlichkeiten haben nach Ansicht des Primars nicht nur die Arbeitssicherheit und den -komfort erhöht, „sie haben auch die Möglichkeit eröffnet, uneingeschränkte Notfallmedizin im engsten Sinn durchzuführen: Sprich: Die Bereiche Elektiv (planbare Eingriffe) und Notfall (unaufschiebbare Behandlungen) sind ganz klar getrennt“.

Erstbehandlung von Corona-PatientInnen

„Zudem“, fügt der bereichsleitende Oberarzt Priv.-Doz. Dr. Alexander Vonbank Phd, MBA hinzu, „können wir die Notfälle zeitnah und nach den aktuellsten medizinischen Anforderungen behandeln. Das betrifft unter anderem auch den infektiologischen Bereich mit der Möglichkeit zur Isolation von PatientInnen“. Nicht zuletzt die Corona-Pandemie hat gezeigt, welchen Stellenwert dieser Aspekt einnehmen kann: die iNA hat hier von Beginn an eine große Rolle gespielt: „Wir haben damals – noch kurz vor dem Umzug in die neuen Räumlichkeiten – innerhalb von wenigen Tagen ein Konzept für die Versorgung der InfektpatientInnen erstellt, das nicht nur die PatientInnen-, sondern auch die BesucherInnenströme gesteuert hat. Das anfängliche Konzept wurde zunehmend professionalisiert und schließlich auch in die weitere Versorgung übernommen“, fasst OA Dr. Vonbank im Rückblick zusammen.

Bis heute werden fast alle COVID-positiven stationär aufgenommenen PatientInnen primär in der Notaufnahme erstbehandelt. Es lag und liegt also am Personal der iNA, über eine notwendige stationäre Aufnahme (Normal-, Überwachungs- oder Intensivstation) zu entscheiden und – wenn nötig – die entsprechende Betreuung in die Wege zu leiten. „In den vergangenen zweieinhalb Jahren haben wir dafür in etwa 35.000 bis 40.000 PCR- und Antigen-Tests durchgeführt“, bilanziert DGKP Matthias Hellmair: „Auch nach den letzten zwei großen Corona-Infektionswellen, als sich die COVID-Belegzahlen in den Spitälern jeweils schon wieder deutlich reduziert hatten, waren wir in der Notaufnahme noch stark durch Corona belastet: Weil aber 80 Prozent der COVID-PatientInnen nach umfangreicher Abklärung wieder nach Hause entlassen werden konnten, scheinen sie in den Bettenbelegs-Statistiken natürlich nicht auf. Die Zahlen zeigen jedoch den Stellenwert der Ersteinschätzung und heben den Wert unserer gut funktionierenden Notaufnahme deutlich hervor.“

„Manchester Triage System“ regelt Dringlichkeit

Die MitarbeiterInnen der iNA betonen, dass die Entscheidung darüber, welcher PatientIn wann behandelt wird, nicht willkürlich geschieht: „Die Ersteinschätzung erfolgt vielmehr nach einem genau vorgegebenen Plan“, erklärt Primar Matthias Frick. Und Oberarzt Alexander Vonbank führt aus: „Um die Dringlichkeit der Notfälle bestmöglich einschätzen zu können, haben wir das sogenannte Manchester Triage System erfolgreich eingeführt.“ Dabei handelt es sich um ein standardisiertes Verfahren zur Ersteinschätzung, das zur ersten Eingruppierung neu eintreffender PatientInnen herangezogen wird. „Ziel ist das schnelle Festlegen von sicheren und nachvollziehbaren Behandlungsprioritäten.“

Eine entscheidende Rolle kommt hier dem Pflegepersonal zu, weiß DGKP Matthias Hellmair: „Es ist nämlich eine eigens geschulte Notfallpflegefachkraft, die die neu eintreffenden PatientInnen als allererstes sieht und somit auch die Einschätzung nach dem Manchester Triage System übernimmt. Ein zertifizierter Grundkurs sowie ein bestimmtes Maß an notfallmedizinischer Erfahrung werden für diese Position vorausgesetzt. Die KollegInnen treffen dabei nicht die Entscheidung, wer behandelt wird und wer nicht, sondern sie reihen nach Dringlichkeit und nach dem Leitsatz: Wer zuerst Hilfe braucht, bekommt zuerst Hilfe.“ Erfahrung spielt hier also eine ganz entscheidende Rolle, erklärt Hellmair: „Eine eigene Abteilung als zentrale Notaufnahme mit eigenem Kernteam ist daher viel wert, allein schon, um personell eine Kontinuität zu erreichen und Erfahrungsschatz aufzubauen!“

Rasche Hilfe auch bei fachübergreifenden Problemen

Bei der Ersteinschätzung wird im Normalfall aber nicht nur die Dringlichkeit beurteilt, sondern bereits auch eine grobe Zuteilung für die passenden medizinischen Fachbereiche vorgenommen. „Wir haben dazu SpezialistInnen aller Fachdisziplinen zur Verfügung. Und es sind – neben Turnus- und AssistenzärztInnen – immer auch erfahrene Fach- und OberärztInnen vor Ort“, betont OA Dr. Alexander Vonbank. „Auch bei fachübergreifenden Problemen können wir rasch auf entsprechende ExpertInnen zurückgreifen. Der Vorteil für die PatientInnen ist, dass sie für den Fall der Fälle nur einen Anlaufpunkt kennen müssen und ÄrztInnen aller Fachrichtungen schnell für Konsultationen hinzugezogen werden können. Internistischerseits hat ein großer Teil der ÄrztInnen auch eine Ausbildung in fachübergreifender Notfallmedizin, einige davon beteiligen sich auch aktiv am NotärztInnen-Dienstrad.“

Als medizinischer Notfall im eigentlichen Sinn gilt ein plötzlich eingetretenes Ereignis, das eine unmittelbare Gefahr für das Leben und die Gesundheit eines Menschen bedeutet, erklärt der Oberarzt: „Die vitalen Funktionen sind in so einem Fall durch eine Verletzung oder eine akute Erkrankungen gestört oder ausgefallen.“ Anzeichen für dringend notwendige Behandlungen, die auch Laien berücksichtigen sollten, sind beispielsweise akute, ganz plötzlich auftretende Beschwerden, Lähmungserscheinungen und starke Blutungen. Zu den lebensbedrohlichen Zuständen zählen unter anderem Herzstillstand, Schlaganfall, Herzinfarkt, Trauma und Atemversagen. Eine grobe Orientierung dazu findet sich auch online auf der iNA-Seite der Spitalshomepage: Interdisziplinäre Notfallambulanz (iNA) – Vorarlberger Landeskrankenhäuser (landeskrankenhaus.at)

Derzeit komme es allerdings immer wieder vor, dass PatientInnen sich auch mit „banaleren“ Leiden wie beispielsweise einem Schnupfen, einem Zeckenbiss und Ähnlichem bei der iNA melden: „Und das kann dann durchaus zu Verzögerungen bei der Behandlung von wirklich dringenden Notfällen führen“, bedauert Oberarzt Vonbank. Mittlerweile sind jene PatientInnen, die selbst und ohne Zuweisung in die iNA kommen, sogar die zahlenstärkste Gruppe. Erst danach folgt die Zahl an PatientInnen, die per Rettung und Hubschrauber ins Spital gebracht werden. „Natürlich ist es immer auch eine individuelle Selbsteinschätzung, ob man die Notaufnahme aufsucht – wir sind daher auch gerne rund um die Uhr im Einsatz“, unterstreicht Matthias Hellmair. „Im Zweifel unterstützen aber auch HausärztInnen und die Teams der Gesundheitshotline sehr gut bei der Entscheidung, wohin man sich im Bedarfsfall wenden soll.“

Starke Steigerung der PatientInnenzahlen

Allgemein merken die MitarbeiterInnen der Notaufnahmen (nicht nur in Vorarlberg) seit Jahren stark steigende Patient:innenzahlen: Im deutschsprachigen Raum beträgt der Zuwachs im Schnitt rund acht Prozent jährlich. „In Kombination mit den regelmäßig stark steigenden Zahlen merken wir auch eine deutliche Änderung der Erwartungshaltung in der Bevölkerung darüber, was eine Notaufnahme leisten muss“, berichtet Matthias Hellmair aus Erfahrung. „Und hier neigt der Trend zur Nutzung einer Notaufnahme als Ersatz für Versorgungswege im niedergelassenen Bereich.“ Rund die Hälfte der PatientInnen, die in die Notaufnahme kommen, sind aber keine Notfälle, sondern wären bei ihren HausärztInnen als erste Anlaufstelle besser aufgehoben. Vereinzelt kann es dann schon einmal vorkommen, dass solche PatientInnen beim Aufklärungsgespräch ihrem Unmut mit verbalen und sogar körperlichen Übergriffen Ausdruck verleihen.

„Aber glücklicherweise zeigen die meisten PatientInnen Verständnis dafür, wenn sie dann zugunsten tatsächlicher Notfälle warten müssen.“ Denn sie wissen: Die Arbeit in einer Notaufnahme ist für alle eine Herausforderung. Die PatientInnen kommen mit Schmerzen, psychischen Belastungen, persönlichen Krisen, traurigen Schicksalen, großen Ängsten. Und das Team der iNA tut rund um die Uhr sein Bestens, um ihnen zu helfen.

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