Liebe im Magen - Hormon als neuer Ansatz gegen Reizdarm und Co.

Lesedauer beträgt 3 Minuten
Autor: Scho

Unter Darmentzündungen, wie sie etwa beim Reizdarm-Syndrom oder Morbus Crohn auftreten, leiden zahlreiche Menschen weltweit. Ein Kandidat für eine Behandlung ohne problembehaftete Opioide ist das oftmals als „Liebes- oder Kuschelhormon“ bezeichnete Oxytocin. Ein Wiener Forschungsteam hat nun einen Weg gefunden, das Hormon derart zu präparieren, dass es die harschen Bedingungen im Magen überstehen kann. So kann es oral eingenommen werden und werde zur Behandlungsalternative.

Chronisch entzündliche Darmerkrankungen plagen Millionen Menschen. Behandelt werden sie vielfach mit Medikamenten, die auf Opioiden fußen. Das ist vor allem aufgrund der Tatsache, dass dieser Wirkstoffklasse ein hohes Suchtpotenzial innewohnt, höchst problematisch. Dazu können Nebenwirkungen wie Übelkeit oder Verstopfung sowie durch Irritationen des Zentralnervensystems hervorgerufene Müdigkeit und Benommenheit kommen.

Abhilfe könnten Oxytocin-basierte Medikamente schaffen, die im Darm an die dort dafür vorgesehenen Andockstellen (Rezeptoren) herangeführt werden. So würden Prozesse ausgelöst, die zu einer Linderung des Schmerzempfindens führen, wie Untersuchungen zeigen.

Das hätte mehrere Vorteile gegenüber Opioiden: Einer davon ist, dass die Oxytocin-Rezeptoren nicht wie die Opioid-Andockstellen mehr oder weniger im gesamten Körper vorhanden sind. Der Ansatz würde also lokal begrenzter wirken, heißt es seitens eines Forschungsteams um den Medizinchemiker Markus Muttenthaler von der Universität Wien. Das Problem dabei ist aber, dass diesem Hormon aus der Gruppe der Peptide im Magen-Darm-Trakt kein besonders langes Leben beschieden ist.

Die Wissenschafterinnen und Wissenschafter beschreiben daher nun im Fachblatt „Angewandte Chemie“ eine von ihnen entwickelte Oxytocin-Verbindung, die entsprechend stabil ist, um ihren Zielort auch zu erreichen. In Versuchen mit Mäusen mit chronischen Bauchschmerzen konnte das Team zeigen, dass das Verabreichen ihrer modifizierten Variante schmerzlindernd wirkte. Das galt sowohl für die rektale als auch für die orale Einnahme des Wirkstoffes, wie sie in ihrer Arbeit berichten. Gerade die orale Einnahme lasse den Ansatz vielversprechend erscheinen: Man habe einen „Grundstein für eine neue Wirkstoffklasse von oralen, darmspezifischen Peptidtherapeutika“ gelegt, schreiben die Wissenschafter.

Von einer potenziell „neuen, sicheren Alternative zu bestehenden Schmerzmitteln für jene, die unter chronischen Darm-Erkrankungen leiden“, spricht Muttenthaler. Diesen Ansatz möchte man in der Folge im Rahmen eines vom Europäischen Forschungsrat (ERC) geförderten Projekts in Richtung Marktreife weiterentwickeln. Dazu sucht man aber noch nach Investoren und Industriepartnern. Die Uni Wien habe schon ein Patent auf die neuen „Oxytocin-Analoga“ bewilligt bekommen, teilte sie am Freitag mit.

Die Fachpublikation finden Sie hier.

(APA/red.)

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren:

Grazer Mikrobiom-Studie belegt: Du bist, was du isst

Grazer Mikrobiom-Studie belegt: Du bist, was du isst

Das menschliche Mikrobiom, also die Gesamtheit aller Mikroorganismen, die den Darm besiedeln, wird zum Großteil über Muttermilch weitergegeben. Eine Ernährung mit Schwerpunkt auf Obst und Gemüse wirkt sich positiv auf die Bakteriendiversität im menschlichen Darm aus.

Das Labor im Kreditkartenformat

Das Labor im Kreditkartenformat

Das Biomolekülnachweisverfahren, das im vom AIT Experten Rainer Hainberger koordinierten EU-Projekt "IMPETUS" entwickelt wurde, verbindet Papier-, Druck- und Mikrochip-Technologien und schließt die Lücke zwischen Schnelltests und Laboranalysen.