Fachgesellschaften und Juristen kritisieren Verbot der „Ex-post-Triage“

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Autor: Redaktion

Der im Bundeskabinett abgestimmte und am 24. August 2022 veröffentlichte Gesetzentwurf zur „Triage“ intensivmedizinischer Behandlung im Fall pandemiebedingter Ressourcenknappheit wird von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Medizin, Ethik und Recht deutlich kritisiert.

Der Gesetzentwurf schließt aus, bereits laufende lebenserhaltende Therapien bei sehr schlechter Erfolgsaussicht zugunsten der Behandlung von Menschen mit einer besseren Überlebenschance zu beenden. Vertreter zahlreicher medizinisch-wissenschaftlicher Fachgesellschaften und Juristen hatten diese Regelung bereits im Vorfeld kritisiert, da sie die Anwendung des Kriteriums der Überlebenswahrscheinlichkeit erschwert und zu mehr vermeidbaren Todesfällen führt.

Grundsätzlich Unterstützung für gesetzliche Regelung

Bereits im Juli hatten in zwei aufeinander abgestimmten Stellungnahmen 25 medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaften und 16 ausgewiesene Rechtsexperten Position zum Referentenentwurf bezogen. „Die zügige und konstruktive Abstimmung sowie die breite interdisziplinäre Unterstützung für die Inhalte machen deutlich, wie wichtig das Thema aus Sicht der medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften ist“, so Rolf-Detlef Treede, Präsident der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF).

Sowohl die medizinischen Fachgesellschaften als auch die Juristen begrüßen eine gesetzliche Regelung der Zuteilung pandemiebedingt nicht ausreichender intensivmedizinischer Behandlungskapazitäten. Inhaltlich wird die im Gesetzesentwurf vorgesehene Zuteilung nach dem Kriterium der Erfolgsaussicht begrüßt, da dies nach Einschätzung der Fachexperten die Anzahl der knappheitsbedingten Todesfälle minimieren kann, falls einmal die Nachfrage die Anzahl der verfügbaren Intensivbetten überschreiten sollte. „Die gesetzliche Regelung ist darüber hinaus wichtig, damit Ärztinnen und Ärzte eine demokratisch legitimierte Grundlage für die schwierigen Zuteilungsentscheidungen und Rechtssicherheit haben“, so Uwe Janssens, Intensivmediziner und Mitinitiator der Stellungnahme.

Breiter Konsens für „ex-post-Triage“ in Ausnahmesituationen

Der Gesetzesentwurf wird allerdings sowohl in der Stellungnahme der Fachgesellschaften (federführende Autoren Uwe Janssens, Intensivmedizin, sowie Georg Marckmann und Jan Schildmann, Medizinethik) als auch vonseiten der Rechtswissenschaftler (Federführung Tatjana Hörnle) kritisiert. Dies gilt insbesondere für das Verbot der sogenannten „Ex-post-Triage“ – also der Möglichkeit, bei schlechten Erfolgsaussichten eine bereits laufende Intensivtherapie zu beenden, um andere Menschen mit besserer Erfolgsaussicht lebensrettend behandeln zu können.

Anders als in der Diskussion bisweilen dargestellt, stelle dies keinen Tabubruch dar, so Georg Marckmann, Präsident der Akademie für Ethik in der Medizin. Vielmehr sprechen medizinische und ethische Gründe dafür, bei Zuteilungsentscheidungen im Falle pandemiebedingt nicht ausreichender intensivmedizinischer Behandlungskapazitäten alle Patienten gleichermaßen einzubeziehen. „Wenn bereits zugeteilte intensivmedizinische Behandlungskapazitäten von den Zuteilungsentscheidungen ausgenommen werden, wie dies der Referentenentwurf vorsieht, werden viele Menschen sterben, die Bedarf und eine realistische Chance auf ein Überleben haben“, ergänzt Tatjana Hörnle. Das Verfassungsrecht gibt nicht vor, dass nur die zufällig zuerst eintreffenden Patienten behandelt werden dürften.

Stellungnahme der AWMF Task-Force COVID-19 Leitlinien zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Infektionsschutzgesetztes des BMG vom 14.06.2022 und Ergänzende juristische Stellungnahme: www.awmf.org

Quelle: AWMF-Pressemitteilung

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