David-Sackett-Preis 2022

Lesedauer beträgt 2 Minuten
Autor: Redaktion

Die AG Evidenzbasierte Onkologie der Uniklinik Köln erhält den Wissenschaftspreis des EbM-Netzwerks, weil die Gruppe die oft fehlerhafte Berechnung von Effekten aus Überlebenszeitanalysen in Metaanalysen korrigiert hat. Die Preisträgerinnen und Preisträger haben dafür gesorgt, dass die Mängel von Überlebenszeitanalysen bei der Erstellung klinischer Leitlinien mehr beachtet werden.

Nicole Skoetz und Marius Goldkuhle war aufgefallen, dass in vielen Metaanalysen zwar die relativen Effekte richtig bestimmt wurden, dann aber oft falsch in absolute Raten und Effekte umgerechnet wurden. Das Problem liegt im Kern darin, dass der Effekt für ein Ereignis und für das Gegenereignis nicht notwendigerweise gleich sind: Wenn z.B. ein neues Medikament das Sterberisiko halbiert, dann verdoppelt dies nicht die Überlebenswahrscheinlichkeit. Das Team der Kölner Uniklinik musste feststellen, dass dieses Problem in vielen Metaanalysen einfach ignoriert wurde. Eine erste systematische Überprüfung von knapp 100 Analysen zur Krebsbehandlung zeigte oft schwerwiegende Mängel in den Berechnungen.

Das Kölner Forschungsteam, die AG Evidenzbasierte Onkologie der Uniklinik Köln, entwickelte zur Lösung des Problems eine Anleitung zur korrekten Berechnung von absoluten Effekten. Dann organisierten Marius Goldkuhle und Nicole Skoetz Workshops und Arbeitsgruppen, um die Problematik und ihre Lösungsvorschläge weltweit bekannt zu machen. Schließlich konnte die Kölner Gruppe die internationalen Forschungsnetzwerke (Cochrane Collaboration und GRADE Working Group) überzeugen, ihre jeweiligen Methodenrichtlinien und Software-Pakete anzupassen. Heute profitieren Forscherinnen und Forscher auf der ganzen Welt von der verbesserten Methodik.

Die Arbeiten des Kölner Teams bedeuten auch für Patientinnen und Patienten mit Krebs eine erhebliche Verbesserung. Das betonte Timur Ohloff vom „Patient:innenbeirat der Deutschen Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs“ in seiner Laudatio. Denn viele Betroffene lesen die laienverständlichen Zusammenfassungen von Cochrane-Metaanalysen. In diesen wurden aber Nutzen und Schaden von Krebstherapien vor allem anhand der falsch umgerechneten Effekte dargestellt. Gerade bei Krebserkrankungen sei es sehr wichtig, so der Patientenvertreter, dass die Betroffenen korrekte und gut verständliche Daten zu Überleben, Krankheitsfreiheit und Symptomfreiheit erhalten.

In einer dritten Arbeit konnte die Kölner Arbeitsgruppe Methoden für Überlebenszeitanalysen weiterentwickeln, um fehlerhafte Schlussfolgerungen bei fehlenden Daten zu vermeiden. Wenn in einer klinischen Studie die eine Patientengruppe vollständig, die andere Patientengruppe aber unvollständig nachuntersucht wird, dann kann dies die Glaubwürdigkeit eines Vergleichs stark beeinträchtigen. Je nachdem, aus welchen Gründen Daten fehlen, verfälscht dies die Studienergebnisse deutlich. In Kooperation mit dem GRADE-Forschungsnetzwerk wurden von AG Evidenzbasierte Onkologie international gültige Empfehlungen entwickelt, damit Probleme aufgrund lückenhafter Nachbeobachtung bei der Entwicklung klinischer Leitlinien genauere Beachtung finden. Weil die GRADE-Methodik international und auch von den meisten deutschen Fachgesellschaften angewendet wird, ist die vom EbM-Netzwerk ausgezeichnete Forschung weltweit relevant.

Der David-Sackett-Preis 2022 wurde am 02.09.2022 im Rahmen der 23. Jahrestagung des EbM-Netzwerks an Marius Goldkuhle und Nicole Skoetz von der AG Evidenzbasierte Onkologie der Uniklinik Köln verliehen. Das Netzwerk Evidenzbasierte Medizin e.V. (EbM-Netzwerk) vergibt seit 2008 jährlich seinen Wissenschaftspreis für herausragende wissenschaftliche Leistungen auf dem Gebiet der Evidenzbasierten Medizin und Gesundheitsversorgung in Forschung, Lehre oder bei der Verbreitung der Anliegen der EbM. Der Preis ist nach dem EbM-Pionier David Sackett benannt und mit 2.000 Euro dotiert.

Quelle: Deutsches Netzwerk Evidenzbasierte Medizin e.V., www.ebm-netzwerk.de

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren:

Weiterlesen

Umweltfolgenabschätzung als Teil von Health Technology Assessment

Wäre der Gesundheitssektor ein Land, so wäre es der fünftgrößte CO2-Emittent der Welt. Laut eines Berichts der NGO „Health Care without Harm“ machen die Länder der Europäischen Union mehr als die Hälfte des weltweiten Klima-Fußabdrucks des Gesundheitswesens aus. Der Gesundheitssektor trägt daher Verantwortung, die Umweltschäden zu minimieren, zumal diese umgekehrt enorme negative Folgen für die Gesundheit mit sich bringen. Health Technology Assessment ist prädestiniert, die Umweltfolgen von Gesundheitstechnologien als weiteren Baustein der Entscheidungsunterstützung darzustellen. Ein Konsens über geeignete Methoden fehlt jedoch noch.

Weiterlesen

Agnes Wechsler-Fördös: „Es fehlt von allem etwas, von vielem viel“

Agnes Wechsler-Fördös, Fachärztin für Anästhesie und Intensivmedizin
und Vorstandsmitglied des Fachverbandes ÖGHMP, ärgert sich über die uneinheitliche
Vorgangsweise der Kliniken in Hygienefragen und den geringen Stellenwert, der
der Infektionsprävention in vielen Häusern eingeräumt wird.