Führung verstehen: Stimme

Lesedauer beträgt 2 Minuten
Autor: Heinz K. Stahl

Wer führen will, muss ein ganzes Bündel an Erwartungen erfüllen. Er oder sie hat eine bestimmte Rolle auszufüllen, sollte nicht aus der Rolle fallen und braucht dafür den richtigen „Auftritt“. Dazu gehört auch eine wirkungsvolle Stimme. Führung erfolgt heute allzu oft in ihrer stummen Form. Die elektronische Post reduziert alles auf die pure Mitteilung. Je höher die Führungsspanne und die Mobilität aller Beteiligten, desto seltener, aber zugleich prägender sind die Gelegenheiten, sich als Führungskraft erlebbar zu machen und damit auch mit der Stimme einzubringen. Dafür gibt es einiges zu beachten.

Was Zuhörende in einem Gespräch oder Vortrag am raschesten abschalten lässt, ist neben Stakkato-Sprechen und pausenlosen Ähs und Ähms eine Piepsstimme. Sonore, also tragfähige, raumfüllende, vollklingende Stimmen garantieren hingegen Aufmerksamkeit. Das sind Stimmen so um die 100 Hertz herum. Die Frequenz der durchschnittlichen männlichen Stimme liegt bei etwa 120 Hertz. Und wo bleiben hier die Frauen? Sie passen sich an. Indem sie – wenn auch langsam – immer mehr verantwortungsvolle Positionen einnehmen, verändert sich auch ihre Stimmlage. Lag diese vor 20 Jahren noch bei etwa 220 Hertz, so schwingt heute eine gesunde Frauenstimme im Schnitt bei 168 Hertz, wie Forscher der Universität Leipzig herausfanden.

Wir hören uns selbst meist tiefer und voluminöser als die Zuhörenden. Und sind dann oft enttäuscht oder entsetzt, wenn wir unsere Stimme in einer Aufnahme hören. Das liegt nicht an der Qualität des Aufnahmegerätes. Vielmehr registriert das Mikrofon nur den Luftschall aus unserem Mund, während wir beim Sprechen auch die Vibrationen des Schädelknochens, den „Knochenschall“, wahrnehmen. Immerhin, je öfter wir der eigenen aufgezeichneten Stimme lauschen, desto mehr gewöhnen wir uns an sie. Das mag für durchschnittliche Ansprüche genügen, nicht jedoch, wenn man auf das knappe Gut der Aufmerksamkeit angewiesen ist.

Um mit ihrer Stimme die nötige Wirkung zu erzielen, braucht eine Führungskraft neben der Stimmlage auch Präsenz. Sie muss zum einen durch Bewegungsenergie die Aufmerksamkeit der Zuhörenden auf sich lenken. Dabei besteht allerdings die Gefahr zu überziehen. Dann dominieren im Klangbild Obertonfrequenzen so zwischen 2,5 und 3,5 kHz, die irritierend wirken können. Also braucht es einen Gegenpol, das innere Aufrichten („Ich fühle mich wie eine Eiche, fest verwurzelt im Boden“). Durch die Verbindung von Bewegungsenergie und innerer Festigkeit bleibt er oder sie in der klanglichen Mitte und kann so die Zuhörenden gewinnen. Es entfallen jene Momente, in denen die Stimme unter erhöhter Spannung gepresst und druckvoll klingt.

Damit fällt es auch leichter, die Sprechgeschwindigkeit anzupassen. Das Stichwort heißt echogeleitetes Sprechen. Der Sprechende horcht dabei in den Raum hinein und wartet auf den Nachhall der eigenen Stimme. Die Sprechweise wirkt dadurch getragen, weil die Tonhaltedauer der Vokale während des Sprechens länger ist. Die emotionale Energie, die ein Sprechender verströmt, wird ja vor allem über die klingenden Elemente der Sprache transportiert. Das Verstehen erfolgt nicht während des Sprechflusses, sondern überwiegend in den winzigen Pausen dazwischen.

Ein solches pausenbewusstes Sprechen kann man trainieren. Dazu müssen sich z.B. drei, vier Leute zusammentun. Ein Moderator ermuntert sie nun, auf den jeweils Sprechenden so zu reagieren, dass sie das Gehörte bei jedem inneren Impuls sichtbar und deutlich hörbar mit mhm quittieren. Der Sprechende merkt meist schon nach wenigen Sätzen, dass er eigentlich dauernd in das Mhm hineinspricht. Er erkennt, wie sehr er die Zuhörenden durch seinen Sprechfluss unter Druck setzt und so ein Verstehen unterbindet. Die Stimme dauerhaft zu verändern ist enorm zeitaufwändig und mag für angehende Schauspieler zweckmäßig sein. Für Führungskräfte ist es sinnvoller, sich mithilfe einiger simpler Übungen selbst zu steuern und nicht im Modus des Autopiloten einfach draufloszusprechen.

Quelle:

Interview mit dem Stimm-Coach Arno Fischbacher, Salzburg.

Autor:

ao. Univ.-Prof. Dr. Heinz K. Stahl

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