Vinzenz Gruppe: Ohne Hausordnung

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Autor: Josef Ruhaltinger

Die Vinzenz Gruppe hat im vergangenen Jahr ihre ambulanten Reha-Standorte von zwei auf vier verdoppelt. Der Zuspruch der Patienten zu einer Rehabilitation ohne Heimregulative nimmt ständig zu.

Rehabilitation gehört nicht unbedingt zur DNA der Vinzenz Gruppe. Der Verbund aus sieben traditionsreichen Ordensspitälern in Wien und Oberösterreich (plus Pflegewohnheime in Wien und Niederösterreich) startete seine Karriere als Reha-Dienstleister erst 2010. Und zwar – bis heute zumindest – ausschließlich in der ambulanten Form. Die Ausgestaltung als ambulanter Reha-Anbieter ist laut Franz Kastner das Ergebnis des Ansatzes „einer integrierten Gesundheitsversorgung, in der wir den Patienten in allen Gesundheitsbereichen betreuen können“. Da seien rehabilitative Angebote „logische Ergänzungen“. Franz Kastner ist Leiter des Geschäftsfeldes Rehabilitation in der Vinzenz Gruppe. Ambulante Reha entspräche den Bedürfnissen der modernen Arbeitswelt: „Das Modell hat den Vorteil, dass die Patienten ihre Lebensführung berufsbegleitend beibehalten können. Und vielen Reha-Bedürftigen ist es unmöglich, drei Wochen am Stück in einen stationären Aufenthalt zu gehen.“ Berufliche oder Betreuungspflichten stehen einer derart langen Absenz oft entgegen. Eine Therapie, die an zwei bis drei Tagen in der Woche umgesetzt wird, lässt sich für den Patienten meist mit den beruflichen oder anderen Verpflichtungen vereinbaren.

Von Haus aus. Der Stellenwert der ambu­lanten Rehabilitation nimmt zu. Wenn medizinisch möglich,
wird die berufsbegleitende, ambulante Rehabilitation dem stationären Aufenthalt vorgezogen.

Wachstumsfeld

Die Vinzenz Gruppe hat ihr Engagement in den Reha-Bereich zuletzt deutlich ausgebaut. Allein im vergangenen Jahr wurden zwei neue ambulante Standorte eröffnet. Für Gesundheitsanbieter mit Wachstumsabsichten bietet das ambulante Reha-Segment eines der letzten Betätigungsfelder. Denn die Bedürfnisse der stationären Rehabilitation scheinen mit rund 11.000 Betten in den wichtigsten Indikationen mittlerweile gesättigt.

Die Vinzenz Gruppe begann mit Bedacht ihren Fuß in die Tür zu stellen: Der Einstieg wurde im Umfeld des Orthopädischen Spitals Speising im Jahr 2010 gewagt. Die Nähe zur Fachklinik ist für ein ambulantes Reha-Zentrum, das sich auf den Bereich des Bewegungs- und Stützapparates spezialisiert, ein ideales Wachstumsbiotop. Speising war als Pilotprojekt konzipiert, das innerhalb der Gruppe den medizinischen und finanziellen Ertrag des neuartigen Reha-Bereichs testen sollte. In den Nullerjahren waren Erfahrungswerte aus der ambulanten Rehabilitation noch Mangelware – im therapeutischen wie im ökonomischen Sinn.

Die Testphase wurde bestanden. Mittlerweile verweist „reha.ambulant“ – so der gebrandete Bereichsname in der Vinzenz Gruppe – auf vier Standorte, die teilweise in Kooperation mit externen Partnern betrieben werden. Jüngster Neuzugang ist Wien-Meidling, das im September des Vorjahres eröffnet wurde. Dort – an derselben Adresse wie das legendäre U4 – ist das Therapie-Angebot auf zwei Spuren aufgeteilt. Bei der Cardiomed werden Personen nach Stoffwechsel- und kardiologischen Erkrankungen behandelt. Das Vinzenz-Ambulatorium kümmert sich um Menschen mit Problemen im Bereich des Bewegungs- und Stützapparates sowie der Onkologie.

Ein weiterer Neuzugang unter den reha.ambulant-Zentren startete im Februar 2022 in Ried im Innkreis – mit gleich sieben Reha-Indikationen (onkologische, orthopädische, kardiologische, pulmologische, neurologische und psychiatrische sowie Stoffwechsel-Reha). Betrieben wird Ried gemeinsam mit der Privaten Krankenanstalt Wels und der BBRZ Med Health Services GmbH.

Nach dem Pilotprojekt Speising war das Zentrum Linz der Beweis, dass die Vinzenz Gruppe länger im Reha-Geschäft bleiben will. In der oberösterreichischen Landeshauptstadt werden seit 2015 neben orthopädischen auch onkologische Reha-Patienten betreut. Es war damals Österreichs erstes ambulantes Reha-Zentrum, das Krebspatienten betreute. Auch in Linz wurde investiert: 2020 bezog das Linzer Team ein neues Zentrum, das modernere Infrastruktur und großzügigere Räume bieten kann.

Vielfalt. Franz Kastner ist überzeugt, dass die alternde Bevölkerung den Stellenwert von Reha-Einrichtungen steigern wird. Auch werden Reha-Maßnahmen vielschichtiger: Eine Prae-Reha zur Vorbereitung von Patienten auf Eingriffe werde nicht mehr lange auf sich warten lassen.

Im Kommen: Prae-Reha

Mit der Verdopplung der Standorte und dem Ausbau der Kapazitäten nutzt die Vinzenz Gruppe Wachstumschancen: Der Bereich der ambulanten Reha ist in Österreich noch ausbaufähig, wie der Rehabilitationsplan 2020 deutlich macht. Für den ambulanten Erwachsenen-Bereich wird bis zum Jahr 2025 ein Bedarf von insgesamt 26.626 jährlichen ambulanten Rehabilitationsverfahren in der ambulanten Phase-II-Rehabilitation prophezeit – eine in ihrer Präzision unüberbietbare Prognose. Der Zuspruch zu ambulanten Rehabilitationsformaten ist groß. Peter Golmayer, ärztlicher Leiter des Reha-Zentrums Ried, zeigt sich in einem Beitrag auf einer Online-Plattform der Vinzenz Gruppe sogar überrascht: „Die Zahl jener, die eine ambulante Rehabilitation einem stationären Aufenthalt vorziehen, ist größer, als ich es mir vorgestellt habe.“ Ambulante Rehabilitationsprogramme dauern in der sogenannten „Phase II“ durchwegs sechs Wochen mit jeweils drei Therapietagen pro Woche. Bei Bedarf können sich zur Stabilisierung weitere Therapieeinheiten im Rahmen einer mehrmonatigen „Phase III“ anschließen. Neben den Therapieeinheiten im Rehazentrum bekommen Patienten in der Regel – nicht alle Reha-Indikationen sind gleich – ein Heimübungsprogramm für den Alltag mit auf den Weg. Sämtliche Leistungen müssen – wie bei einer stationären Reha – von den zuständigen Leistungsträgern (Sozialversicherungen) bewilligt werden und sind dann für die Patientinnen und Patienten kostenfrei.

Die Pläne der Vinzenz Gruppe sind im Reha-Bereich noch nicht erschöpft. Ganz konkret ist bereits die Expansion im Westen: So konnte der Zuschlag für ein ambulantes Reha-Zentrum in Innsbruck unter Dach und Fach gebracht werden. An der Umsetzung wird gerade gearbeitet.

Die Zukunft wird im Reha-Geschäft lebhaft, ist Bereichs-Chef Franz Kastner überzeugt. Dafür sorge allein schon die Demografie. „Um auch ältere Menschen nach Krankheiten wieder in den Arbeitsprozess einzugliedern, wird die Rehabilitation an Bedeutung zunehmen.“ Neben den stationären und ambulanten Formaten werden sich weitere Formen von Rehabilitation entfalten: „Ich bin sicher, dass sich eine Prae-Reha entwickeln wird, durch die Patienten für einen Eingriff vorbereitet werden.“ Es sei wissenschaftlich erwiesen, dass die gezielte Vorbereitung auf eine Operation die Genesungszeit des Patienten deutlich verkürze. „Das wird kommen“, zeigt sich Kastner sicher, „und wir schauen, dass wir dabei sind.“  

Der Verbund hinter Reha.ambulant

Hinter dem Angebot der ambulanten Rehabilitation („Reha.ambulant“) steht der Verbund der Vinzenz Gruppe. Zu diesem gehören die Krankenhäuser der Barmherzigen Schwestern Wien und Ried, das Ordensklinikum Linz, das Orthopädische Spital Speising, das St. Josef Krankenhaus, das Göttlicher Heiland Krankenhaus und das Herz-Jesu Krankenhaus (alle Wien) sowie Einrichtungen der Barmherzige Schwestern Pflege & Wohnen GmbH in Wien und in Niederösterreich.
Weiters zählen die HerzReha Bad Ischl, an der eine gemeinsame Beteiligung und ein Betriebsführungsvertrag mit der Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft besteht, und sowhat, das Kompetenzzentrum für Menschen mit Essstörungen in Wien und Niederösterreich, zum Verbund der Vinzenz Gruppe.

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