Hoshin Kanri

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Autor: Kepler Universitätsklinikum

Eine Systematik zur Operationalisierung der strategischen Ziele im klinischen Kontext.

Vor dem Hintergrund der vielschichtigen Herausforderungen in der Gesundheitsbranche und vor allem des zunehmenden Fachkräftemangels setzen viele Krankenhausträger ihren Schwerpunkt auf das strategische Management. Damit sollen Effizienzsteigerungen erzielt und gleichzeitig die Dienstleistungsqualität verbessert werden.

In jüngster Zeit wird hierbei zunehmend auf Konzepte und Ansätze aus der produzierenden Industrie und vor allem aus der japanischen Automobilindustrie zurückgegriffen. Ein hieraus entspringender chancenträchtiger, aber im Gesundheitswesen noch ungekannter Begriff ist „Hoshin Kanri“.

Hoshin Kanri, auch als Policy Deployment bekannt, ist ein strategisches Managementinstrument, das in den 1960er-Jahren in Japan als Management by Objectives (MbO)-Konzept entwickelt wurde und eine agile Reaktionsfähigkeit im dynamischen wirtschaftlichen Umfeld gewährleisten sollte. Im Rahmen des Hoshin-Kanri-Prozesses gibt die oberste Führungsebene in erster Instanz dem mittleren Management strategische Ziele vor. Diese werden schrittweise an die untergeordneten Abteilungen und Umsetzungsteams weitergegeben, operationalisiert und von unten nach oben bewertet. (Nanda, 2003).

Richtig angewendet kann diese Systematik im Krankenhaus effektiv eingesetzt werden, um strategische Ziele mit den täglichen Abläufen und Möglichkeiten auf klinischer Ebene in Einklang zu bringen, die Patientenversorgung zu verbessern und die Gesamtleistung der Organisation zu steigern.

Das Erreichen der gewünschten Ergebnisse der Organisation ist laut dieser Ideologie durch alle Mitarbeiter möglich, die die langfristige Richtung verstehen und an der Gestaltung der Schritte beteiligt sind (Nanda, 2003). Diese Einbeziehung der Frontline-Healthprofessionals steigert die Mitarbeiterbindung, indem das Bewusstsein dafür geschaffen wird, welchen Beitrag die einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Erreichung der gesamtorganisatorischen Vision beitragen können.

Hoshin Kanri ist keine einseitige Methode. Sowohl die Führungskraft als auch die Mitarbeiter müssen sich über die Ziele einig sein. Die Diskussion bringt Klarheit und macht den Prozess und dessen Rahmenbedingungen transparent. Dieses interaktive Zusammenspiel, bei dem Informationen und Ideen vertikal und horizontal in einer Organisation „geworfen“ und „gefangen“ werden, nennt sich „Catchball“. Es besteht aus Diskussionen und Feedbackschleifen über Ziele und die für die Erreichung erforderlichen Mittel. Während des Catchball-Prozesses können die Ziele adaptiert werden und der Zielerreichung angepasste Ressourcen zugewiesen werden (Da Silveira et al. 2018; Thurer et al. 2019). Vor allem im dynamischen und sich ständig ändernden Umfeld der Gesundheitseinrichtungen könnte dieser kontrollierte und fortlaufende Informationsfluss top-down und bottom-up zur besseren Abstimmung von Ressourcenbedarf und -verfügbarkeit und somit zur gesamtsystemischen Zielerreichung führen.

In der Funktionalität und Umsetzung des Hoshin Kanri Kreislaufes spielt der aus dem Lean Management und der Lean Production bekannte PDCA-Zyklus eine Schlüsselrolle. Die nachstehende Tabelle soll beispielhaft die mögliche Anwendung im Krankenhaus erläutern.

Die korrekte und kontinuierliche Anwendung dieses Konzeptes könnte zur Aufweichung der funktionalen Silos hin zum patientenzentrierten Pfaddenken führen, zur Mitarbeiterbindung durch Befähigung, Miteinbeziehung und Selbstbestimmung sowie vor allem dazu, dass sich Krankenanstalten zu lernenden Organisationen entwickeln und Management von Qualität und Effizienz ein Selbstläufer auch auf klinischer Ebene wird.

In Organisationen des Gesundheitswesens gibt es einige Faktoren, welche diese ganzheitliche und systemische Anwendung der Strategie- und Zielumsetzung erschweren und verzögern. Hierzulande sind diese Herausforderungen vor allem die Drei-Säulen-Führung und deren Silo-Organisation, die stark verwurzelten Hierarchien, der fehlende Wettbewerbsdruck und das sehr komplexe Ad-hoc-Umfeld, welches eine vorausschauende Ressourcenplanung zur großen Herausforderung macht. Darüber hinaus erfordert vor allem die Analyse und Messung aktuelle, leicht zugängliche und qualitativ hochwertige Daten, was vor allem im klinischen Bereich in den meisten Krankenhäusern herausfordernd sein dürfte.

Wie viele andere Aspekte von aus Japan stammenden Managementansätzen erfordert Hoshin Kanri einen Kulturwandel innerhalb der Organisation. Die Verpflichtung zu kontinuierlicher Verbesserung auf allen Ebenen sowie die Übertragung und Übernahme von Verantwortlichkeiten stehen dabei im Fokus. Historisch gewachsene Strukturen aufzubrechen, ist dabei vermutlich die mit Abstand größte Herausforderung.

Literatur:
• Nicholas, J. (2016), „Hoshin Kanri and critical success factors in quality management and lean production“, Total Quality Management and Business Excellence, Vol. 27 Nos 3/4, pp. 250-264.
• Giordani da Silveira, W., Pinheiro de Lima, E., Deschamps, F. and Gouvea da Costa, S.E. (2018), „Identification of guidelines for Hoshin Kanri initiatives“, International Journal of Productivity and Performance Management, Vol. 67 No. 1, pp. 85-110.
• Barnabè, F. and Giorgino, M.C. (2017), „Practicing lean strategy: Hoshin Kanri and X-matrix in a healthcare-centered simulation“, The TQM Journal, Vol. 29 No. 4, pp. 590-609.
• Da Silveira, W.G.; de Lima, E.P.; Gouvea da Costa, S.E.; Deschamps, F. Guidelines for Hoshin Kanri Implementation: Development and Discussion. Prod. Plan. Control 2017, 28, 843–859.
• Thurer, M.; Maschek, T.; Fredendall, L.; Gianiodis, P.; Stevenson, M.; Deuse, J. On the Integration of Manufacturing Strategy: Deconstructing Hoshin Kanri. Manag. Res. Rev. 2019, 42, 412–426.

Autoren:

Natasa Neuhold, M.A., B.A.
Qualitätsmanagementbeauftragte
Stabsstelle Qualitätsmanagement
Standortzuständigkeit Neuromed Campus
natasa.neuhold@kepleruniklinikum.at

OA Dr. Harald Stefanits
Leitender Oberarzt Univ.-Klinik für
Neurochirurgie

Kepler Universitätsklinikum GmbH
www.kepleruniklinikum.at