Damoklesschwert Triage

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Autor: Franz Harnoncourt

Wir zählen allein in Oberösterreich über 1.700 an COVID Verstorbene. Unsere Mitarbeiter kämpfen seit nahezu zwei Jahren bis zur Erschöpfung gegen SARS-CoV-19. Und trotzdem wollen Impfgegner persönlich „Nachschau“ auf den Intensivstationen halten. Echt jetzt?

Oberösterreich ist in der vierten Corona-Welle eines der beiden am stärksten betroffenen Bundesländer. Die Situation in den acht Kliniken der Oberösterreichischen Gesundheitsholding (OÖG), der Trägerin der Landesspitäler und des Kepler Universitätsklinikums, ist dramatisch. Unsere rund 15.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind nach den starken Wellen zwei und drei erneut auf das Äußerste belastet. Besonders frustrierend ist, dass diese vierte Welle durch die Impfung zu vermeiden gewesen wäre.

Begleitet von friedlichen und leider auch weniger friedlichen Kundgebungen von Impfgegnern, die nicht einmal mehr davor zurückschrecken, unmittelbar vor den Spitälern zu demonstrieren oder gar versuchen, auf den Intensivstationen persönlich „Nachschau“ zu halten, ist das eine unvorstellbar große Herausforderung für alle.

Denn die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Seit Ausbruch der Pandemie wurden in den Kliniken in Oberösterreich insgesamt bisher 11.470 Patientinnen und Patienten behandelt, 1.748 sind dabei leider verstorben (Stand 30.11.2021).
Um die Krise im Spitalsbereich bewältigen zu können, arbeitete die OÖG von Beginn an sehr eng mit allen anderen Spitalsträgern in Oberösterreich zusammen. Eine dazu eigens eingerichtete Spitals-Taskforce bewertet regelmäßig die aktuelle Lage, die Auslastung in Oberösterreichs Kliniken und Intensivstationen und kümmert sich um die Abstimmung sämtlicher klinikrelevanter Vorgaben und Empfehlungen von Bund und Land. Die OÖG übernahm im Auftrag des Landes die Leitung dieser Taskforce und die Gesamtkoordination für alle 16 oberösterreichischen Spitäler, inkl. der Ordensspitäler und des UKH der AUVA.

Seit März 2020 werden die Intensivbetten oberösterreichweit und trägerübergreifend gemeinsam koordiniert. Dazu wurde das Intensivbetten-Managementsystem ausgebaut sowie die Einbindung in das epidemiologische Meldesystem automatisiert. Das Intensivbetten-Management selbst liegt dabei in Händen des Kepler Universitätsklinikums und ist bis heute in Kraft.

„Wenn die Entwicklung so weitergeht, wäre es nicht korrekt, das Thema der Triage für die Zukunft auszuschließen.“

Dr. Franz Harnoncourt Vorsitzender der Geschäftsführung der OÖ Gesundheitsholding

Die COVID-19-Pandemie hat das Beschaffungswesen massiv beeinflusst. Im Pharmaziebereich wurden bereits im Laufe des Jänners 2020 erste Vorsorgemaßnahmen getroffen und kritische Medikamente bevorratet. Ende Februar 2020 wurde das Schutzmaterial knapp. Mitte März 2020 erfolgte die Beauftragung der OÖG durch das Land OÖ, Schutzmaterial auch für alle anderen oberösterreichischen Bedarfsträger zu beschaffen, um drohende Versorgungsengpässe zu vermeiden. Dies ist unseren MitarbeiterInnen bravourös gelungen.

Die OÖ Gesundheitsholding hat sich im Bereich der Teststraßen des Landes OÖ stark engagiert. An jedem Klinikum wurden sowohl für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als auch für die OÖ Bevölkerung breite Testangebote bereitgestellt. Nach Verfügbarkeit der ersten Impfstoffe wurde zunächst die Belegschaft unserer Einrichtungen geimpft. Danach haben viele Ärztinnen und Ärzte sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Pflege in den öffentlichen Impfstraßen geimpft. Jetzt im Herbst 2021 wurde das Angebot an Impfstraßen in OÖ deutlich erweitert und auch an den Kliniken wird der Bevölkerung eine Möglichkeit zur Impfung angeboten. Auch die nunmehr zugelassene Kinderimpfung der 5-11-Jährigen wird von den Kliniken der OÖG massiv unterstützt.

Die Lage ist durchaus ernst. Mit Stand 30. November 2021 waren 656 Patientinnen und Patienten hospitalisiert, 522 davon auf Normalstationen. 134 belegen die Intensivbetten des Landes. Von den 656 Patientinnen und Patienten sind insgesamt 430 ungeimpft bzw. nicht vollständig immunisiert, alleine auf den Intensivstationen sind es 106. Noch können wir in Oberösterreich die Patientinnen und Patienten adäquat versorgen, aber ich beobachte die Entwicklung mit großer Sorge. Das gilt auch für das wie ein Damoklesschwert über uns schwebende Thema der Triage. Wenn die Entwicklung so weitergeht, wäre es nicht korrekt, das für die Zukunft auszuschließen.    //

Dr. Franz Harnoncourt (60) ist in Wien und St. Georgen im Attergau aufgewachsen. Er arbeitete ab 1986 als Chirurg bei den Elisabethinen in Linz. 2019 übernahm er die Geschäftsführung der OÖ Gesundheitsholding und der Kepler Universitätsklinikum GmbH. Neben dem Universitätsklinikum in Linz betreibt die OÖG mit 15.000 MitarbeiterInnen fünf Regionalkliniken an acht Standorten.

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