Die Physik des Gesundheitswesens

Lesedauer beträgt 2 Minuten
Autor: A. di Positas

Seit Jahrzehnten in diesem Gesundheitswesen, Ihr gehorsamster Kolumnist ist viel gewohnt. Doch der Speed killt ihn gerade: Konnte er früher Kolumnen schreiben, die Wochen, Monate, ja Jahre später galten wie am Tag ihrer Korrektur durch unsere unverdrossene Lektorin – bei der er sich auf diesem Wege endlich und öffentlich bedanken möchte für ihr stilles, sicheres und schnelles Treiben in den Tagen und Nächten vor dem Redaktionsschluss, ist das heute anders. Er konnte sich einst als Meinungsmaler darauf verlassen, dass nach Zeiträumen jeder Länge und Breite das Gesundheitswesen das gleiche war wie zuvor.

Heute ist er zur Drucklegung nicht mehr sicher, ob die Namen der Funktionsträger noch stimmen werden, wenn’s der geneigte Leser, die verständige Leserin dann unters kritische Auge nimmt. Speed verzerrt, wer in der nächsten Runde die Verantwortung für die intensive Versorgung der Bevölkerung trägt, wer die Macht des Faktischen innehat und wer später dafür zur Verantwortung gezogen wird.

Dabei ist Speed rein physikalisch nix Schlechtes: Physiker verstehen darunter die skalare Größe, die beschreibt, wie schnell sich ein Objekt bewegt, also, in welcher Zeit ein Objekt welche Strecke zurückzulegen imstande ist. Schnelle Objekte erkennt man an der großen Strecke, die sie in kurzer Zeit zurücklegen. Objekte ohne jegliche Bewegung haben Zero Speed. Aber, was erzähle ich Ihnen als Insider! Sie waren selbst dabei und wissen sofort, wovon und von wem ich hier schreibe: tausend Probleme und noch mehr Verantwortliche und unser verlässlich unbewegtes Gesundheitssystem. Das ist Geschichte; vielleicht gut so, aber es schaffte Vertrauen, Ruhe und Sicherheit.

In der neuen Ära der Standpunkte haben wir es nimmer mit Zero Speed zu tun. Es jagen einander die Neuigkeiten, Meinungen, Fakten, Erklärungen, Pressekonferenzen, Schlusserklärungen etc. durch den digitalen Äther. Ihr A. di Positas nützt alle Kanäle, um auch nur halbwegs dran zu bleiben: Radio beim Essen, Lesen in der Badewanne, Fernsehen beim Aufräumen und Computern, Telefonieren, Podcasthören, Youtubeschauen und Smartphone-Social-Medialising jederzeit: Wahnsinns-Fahrtwind …

… und dennoch geht nix weiter. Zero Velocity ist das Motto dieser Ära der Standpunkte: Velocity ist die Vektorgröße, welche die Rate der Positionsveränderung von Objekten beschreibt. Objekte, die sich sehr schnell bewegen, wenn auch zuerst vorwärts und dann rückwärts, haben eine Velocity von Zero, weil sie nicht vom Fleck kommen. Trotz größter Anstrengung: High Speed – Low Velocity. Umgekehrt wär’s gedacht: Low Speed – High Velocity, imagine!
Die deutsche Sprache macht keinen Unterschied. Geschwindigkeit ist beides, ob Speed oder Velocity ist ihr eins. Gerade hat Sotheby’s das Manuskript Einsteins zur Entwicklung seiner Relativitätstheorie versteigert: E=mc².
Eine Relativitätstheorie des Gesundheitssystems ist noch nicht so knackig formuliert. Der erste Schritt zu ihrer Entwicklung wäre, den Unterschied zwischen Geschwindigkeit als zurückgelegte Strecke pro Zeiteinheit und Geschwindigkeit als Ortsveränderung pro Zeiteinheit zu durchdringen. Das sparte nicht nur jede Menge leere Kilometer, Patientenleid und verbrauchte Gesundheitsminister pro Zeiteinheit, es ließe zumindest die Hoffnung auf eine Veränderung unserer Lage wieder keimen.

Als zweiten Schritt schlägt Ihr A. di Positas die Bearbeitung einer, so scheint es, physikalischen Gesetzmäßigkeit vor, die Einstein so beschreibt: „Der Horizont der meisten Menschen ist ein Kreis mit dem Radius r=0. Und das nennen sie ihren Standpunkt.“

Ihr A. di Positas
mit physikalischem Handkuss