Mit Putzrobotern gegen Keime

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Autor: Josef Ruhaltinger

Der Kampf gegen Keime stellte jede Gesundheitseinrichtung vor wachsende Probleme. Die Forschungsgesellschaft Fraunhofer arbeitet an Desinfektionsrobotern, die selbstständig Türklinken, Knäufe und Oberflächen säubern – und zwar 24 Stunden am Tag an sieben Tagen in der Woche.

Die Vorstellung könnte einem Script von Star Wars entsprungen sein. Ein kleiner Vetter des legendären Roboters R2D2 wuselt schimpfend durch die Gänge und putzt. Das wirklich Coole dar an: Die Szene ist bald keine Science Fiction mehr. Das Stuttgarter Fraunhofer­-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (Fraunhofer-­IPA, 1000 Mitarbeiter) arbeitet derzeit an einem mobilen Roboter, der selbstständig potenziell kontaminierte Oberflächen desinfiziert. Und dies 24 Stunden an sieben Tagen der Woche ohne Urlaubsanspruch. Verglichen mit dem Reinigen von Hand reduziert der Robotereinsatz das Infektionsrisiko bei den Reinigungskräften und sorgt gleichzeitig dafür, dass der Hausputz zuverlässig ausgeführt wird. Mit der Serienreife des mobilen Desinfektionsroboters „DeKonBot“ wird sich für Hygieniker eine Vorstellung erfüllen, die bislang als frommer Wunsch galt: Durch den kontinuierlichen Einsatz des Roboters in Krankenanstalten und Gesundheitseinrichtungen im Tag­ und Nachtbetrieb erfolgt die Entkeimung häufiger als im manuellen Verfahren – und ist bedeutend leichter zu organisieren. Birgit Graf, Gruppenleiterin für Haushalts­ und Assistenzrobotik und verantwortlich für die Entwicklung von DeKonBot, hält sich bedeckt, wenn es darum geht, wann DeKonBot in der Realität durch die Gänge huschen wird: „Wir arbeiten aktuell in der Erprobung mit einem Reinigungsdienstleister zusammen. Ebenso haben wir über die Entwicklung bereits mit mehreren Kliniken geredet, die sich sehr interessiert zeigten“, erzählt die KI­-Expertin von Fraunhofer. Aktuell sei man in der Phase der Prototypen: „Ende September sind erste Praxistests in einer Büroumgebung geplant.“

Wisch und weg

Das Versuchsmodell von DeKonBot reinigt und desinfiziert automatisch kontaminierte Bereiche wie Türgriffe, Lichtschalter oder Aufzugknöpfe. Gegenüber verfügbaren Roboterlösungen am Markt unterscheidet sich die Fraunhofer-­Entwicklung in mehrerlei Hinsicht. Zum einen reinigt der Roboter Oberflächen gezielt und versprüht die einzusetzenden Mittel nicht wie bisherige Konzepte großflächig im Raum. Dies spart nicht nur Desinfektionsmittel und Zeit, sondern verhindert auch Gefahren wie ein Ausrutschen auf feuchten Flächen oder das Einatmen potenziell schädlicher Mittel. Zum anderen kann DeKonBot sicher unter Menschen eingesetzt werden. Alternative Lösungen wie Desinfektionsroboter, die UV­-Strahlen für das Abtöten von Viren nutzen, können bisher aus Sicherheitsgründen nur in menschenleeren Umgebungen eingesetzt werden – in Krankenhäusern ein seltenes Szenario.

Damit DeKonBot erfolgreich arbeiten kann, wird er anfangs mithilfe eines – so verspricht es Fraunhofer – leicht zu bedienenden Tablets in seiner Einsatzumgebung eingeschult. Im ersten Schritt fährt das Bedienpersonal den Roboter einmal durch die Umgebung, wobei dieser eigenständig eine Karte seines Einsatzbereichs erstellt. Zudem weist der Anwender den Roboter auf die zu reinigenden Objekte und die durchzuführende Reinigungsbewegung hin: Die „MeisterInnen“ des Automaten führen den Roboterarm mit dem Desinfektionswerkzeug zur Putzstelle wie dem Türgriff und bewegen das Werkzeug, wie es für die Reinigung erforderlich ist. Der Roboter speichert die Bahn ab und kann sie danach selbstständig wiederholen.

Aktuell erfolgt das Erkennen der zu reinigenden Objekte mithilfe kleiner, schwarzweißer Schilder, sogenannter „Tags“. Das Entwicklungsteam von Fraunhofer-­IPA geht davon aus, dass künftig diese Klebetags nicht mehr gebraucht werden. Das Institut setzt mittlerweile auf Methoden, die die automatische Erkennung dieser Objekte mittels Kameradaten ermöglichen. Zudem wurde im Projekt ein neuer 3D­Sensor entwickelt, der die zu reinigenden Objekte und ihre Lage im Raum besser als verfügbare Sensoren erkennt – beispielsweise auch, wenn es sich um eine metallene, spiegelnde Oberfläche handelt. Basierend auf diesen Erkennungsfunktionen kann der Roboter in der finalen Ausbaustufe die Reinigungsbewegungen automatisch planen und ausführen.

Noch hat DeKonBot seinen vollen Funktionsumfang nicht erreicht. Nicht alle Stellen an der Türklinke werden perfekt gewischt. „Deshalb haben wir ein neues Reinigungswerkzeug auf der Basis von Bürsten entwickelt. Damit wird die Türklinke umfassend desinfiziert“, erklärt Birgit Graf in einer E­-Mail an die ÖKZ. Die Bürsten werden während der Fahrt in Reinigungsflüssigkeit gelagert, was einer automatischen Selbstdesinfektion entspricht. Ohne diese Methode hätten die Reinigungspads regelmäßig gewechselt werden müssen. Graf: „Das hat sich als wenig praktikabel erwiesen.“

Plan im Kopf.
Die „MeisterInnen“ der Roboter speisen über Tablets die Einsatzumgebung in die Software des Roboters ein. Ein  einmaliges Verweisen auf die Reinigungsobjekte lehrt den Roboter, was zu tun ist.

Hygiene im öffentlichen Raum

Das Projekt „DeKonBot“ ist bei Fraunhofer Teil einer umfassenden Initiative zur mobilen Desinfektion: Seit Oktober 2020 arbeiten zwölf Einrichtungen der Fraunhofer­-Gesellschaft an der Entwicklung neuer Technologien für dieses Einsatzfeld. Die Forschungs- und Entwicklungspartner bündeln im Forschungsprojekt „MobDi“ (Mobile Desinfektion) ihre Kompetenzen, um zu einem sicheren „New Normal“ in Pandemiezeiten beizutragen. Als besonders herausfordernd bezeichnet Fraunhofer die Entwicklung einer modularen Antriebsunterstützung für das Überwinden von Spalten und Absätzen. Dafür werden verschiedene Werkzeuge entwickelt, die durch Wischen, Sprühen, UV­ oder Plasmabehandlung desinfizieren. Die Roboter können diese nach Bedarf automatisch wechseln. Vor allem in Gesundheitseinrichtungen sollen die selbstlernenden Apparate beitragen, den Materialtransport zu automatisieren und damit einer Verschleppung von Keimen durch das Personal entgegenzuwirken.

Logistikroboter in der Klinik

Das Projekt berücksichtigt unterschiedliche Verwendungsformen der Roboter: Ein Transportroboter soll Handwagen mit sich führen, wie sie in Kliniken typischerweise eingesetzt werden. Die Neuentwicklung zeichnet sich durch kleine Abmessungen und ein besonders manövrierfähiges Fahrwerk aus. Konzepte für die Selbstreinigung der Apparate sollen verhindern, dass die Maschinen selbst zum Kontaminationsrisiko werden.

Ein mehrschichtiges Umgebungsmodell führt dabei alle benötigten räumlichen Informationen zusammen und ermöglicht den Robotern so, die Arbeit selbstständig zu planen. Das Umgebungsmodell enthält eine Karte, die Informationen über alle Positionen der zu reinigenden Objekte sowie deren Materialien enthält. Dabei müssen die Umgebungsdaten in naher Zukunft nicht immer – wie bei DeKonBot beschrieben – manuell eingegeben werden. Auf Basis der Arbeiten von Fraunhofer Italia wird es möglich sein, Pläne und Architektenskizzen aus dem sogenannten „Building Information Modeling“ (BIM) automatisch in die Robotersoftware zu laden. Moderne Krankenanstalten, die in den vergangenen zehn Jahren erbaut oder modernisiert wurden, verfügen in der Regel über Baupläne und Planungsdaten, die bereits auf BIM-­Basis übersetzt und digitalisiert wurden. Anhand dieser Pläne können sich Hygieneroboter in Zukunft orientieren.

Im Regelbetrieb sollen die Roboter selbst entscheiden, mit welcher Methode und Intensität sie dem Schmutz beikommen: Vor der Desinfektion einzelner Objekte soll eine sogenannte „Wahrnehmungsfunktion“ zum Einsatz kommen: Die Roboter stellen eigenständig den Verschmutzungsgrad des Putzobjektes fest und können durch die Wahl des Verfahrens – Wischen oder Sprühen – die Reinigung optimieren. Wichtig: Nach erfolgter Tätigkeit wird der Erfolg verifiziert und dokumentiert. Derzeit werden erste grundlegende Untersuchungen durchgeführt, wie diese Verschmutzungen erkannt werden könnten.

Die Entscheidungsfindung, wie den Keimen und dem Schmutz am besten beizukommen ist, ist Thema eines speziellen Projekts bei Fraunhofer. Die Projektpartner führen Versuche mit verschiedenen Reinigungs-­ und Desinfektionsverfahren durch, wobei die Eigenschaften weit verbreiteter Oberflächen typen wie Edelstahl und Kunststoffe berücksichtigt werden. Neben der Analyse der einzelnen Verfahren werden auch Kombinationsmöglichkeiten verschiedener Reinigungs-­ und Desinfektionsmethoden untersucht. So könnten die Roboter beispielsweise in leeren Operationssälen zunächst einen Türgriff wischen und anschließend UV-­Licht einsetzen, um die Keime an schwer zugänglichen Stellen zu neutralisieren. Ein kombinierter Einsatz von UV­ und Plasmaquellen wird ebenfalls untersucht. Für die Wahl zwischen den verschiedenen Verfahren werten die Forscher den Desinfektionserfolg sowohl anhand von Verunreinigungen mit Bakterien­ als auch mit Virenproben aus. Berücksichtigt werden auch die Reaktionen der Oberflächen und mögliche Materialschädigungen, um unwillkommenen Zersetzungsprodukten vorzubeugen.

Die Prototypen stehen jetzt vor ihren ersten Tests. Der Weg zur Serienreife ist aber absehbar. Die Forschungsgesellschaft ist mittlerweile auf der Suche nach Herstellern, um die Forschungsergebnisse in den Klinikalltag überzuführen.

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