Millionen Meinungen

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Autor: A. di Positas

Meinungen zur Situation im österreichischen Gesundheitswesen gibt es aktuell mehr als Menschen im Lande. Nimmt man die öffentlich und die im Verborgenen vorgetragenen, sind es gleich doppelt so viele Meinungen. Addiert man dazu die Meinungen, „die man ja immer schon“ hatte und „was man von Anfang an schon immer gesagt“ habe, sind es rund 35 bis 40 Millionen Meinungen in Österreich; dabei handelt es sich um eine grobe Hochrechnung; die Dunkelziffer ist nicht bekannt, sonst wäre sie ja heller.

Das Too-Long-COVID-Syndrom verbreitet sich rasend schnell in den Tälern der Republik. Auf den Bergen beklagt man die wiederholt schlechte Wintersaison und in den kleinen gallischen Dörfern misstraut jeder jedem.

Wie immer der österreichische Rückzug von der pandemischen Kriegsfront gegen das weltweit wichtigste Virus in den nächsten Wochen und Monaten geordnet werden wird, die Sorgen mit dem Gesundheitswesen werden nicht weniger werden. Ihr austro-mexikanischer Gesellschaftsreporter erwartet im Gegenteil erschreckende Klarheiten über die offenen Baustellen, sobald sich der Staub der Maßnahmen legt.

Allein in der Zeit der Großen Pandemie durften wir in unserem Österreich eine multiple Änderung der Zieldefinitionen seitens der zehn Gesundheitspolitiken im Bund und den neun Bundesländern miterleben. Vom Schutz der Älteren, über die Kollateralschädenvermeidung für die gesunden Lebensjahre aller, die Vermeidung der Überlastung der Intensivstationen, die Vermeidung der Überlastung der Normalstationen bis zur schieren Aufrechterhaltung der kritischen Infrastruktur im Omikron-gebeutelten Quarantänegalopp changierten die Ziele abhängig von Ort, Zeit und Interessenlage.

Der nachnötige Wiederaufbau der Prozesse im Gesundheitssystem beschert uns die einmalige Chance, vor dem Problemlösen, Maßnahmensetzen und Investieren die zerfledderten Gesundheitsziele aufzusammeln, breit zu diskutieren, zu ordnen, zu priorisieren und mit allen, die es braucht, dann zu vereinbaren; als gemeinsames Interesse.

Ihrem A. di Positas, verehrte Leserin, geschätzter Leser, ist die Frömmigkeit dieses Wunsches natürlich bewusst. Das wird im Kampfanzug nicht gelingen, nicht mit unveröffentlichten Interessenkonflikten von Expertinnen und Experten, nicht durch Kontrollen von Polizistinnen und Polizisten, auch nicht durch allseits immer abstruser werdende Statistiken und ihre dünne mediale Begleitmusik. Der General im Kampfanzug nimmt seine Tasche und geht, so der fromme adipöse Inszenierungswunsch, und der König betritt mit Saint-Exupérys kleinem Prinzen die Bühne:

„Wenn ich einem General befehle, von einer Blume zur anderen wie ein Schmetterling zu fliegen oder eine Tragödie zu schreiben oder sich in einen Seevogel zu verwandeln, und wenn der General den Befehl nicht ausführt, wer trüge daran die Schuld, er oder ich?“

„Das würdet Ihr sein“, sagte der kleine Prinz entschlossen.

„Richtig. Wir müssen von jedem fordern, was er leisten kann«, sagte der König. „Autorität beruht in erster Linie auf der Vernunft. Wenn du deinen Leuten befiehlst, sich ins Meer zu stürzen, werden sie sich auflehnen. Ich habe das Recht, Gehorsam zu fordern, weil meine Befehle vernünftig sind.“

„Was wird also mit meinem Sonnenuntergang?“, erinnerte der kleine Prinz, der niemals eine Frage vergaß, wenn er sie einmal gefragt hatte.

„Du sollst deinen Sonnenuntergang haben. Ich werde ihn gebieten. Aber ich werde in meiner Gelehrsamkeit als Herrscher warten, bis die Voraussetzungen hierfür günstig sind.“

Das wünscht sich
Ihr A. di Positas
mit sternenbestaubtem Handkuss

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