Begegnungsraum der Primärversorgung

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Autor: Petra Koller-Lechleitner

Seit Herbst versorgt eine Webplattform die heimische Gemeinde der Primärversorger mit Informationen und Dienstleistungen. Damit soll das Konzept von „Primary Health Care“ ein Stück weit sichtbarer werden.

Das Zeitalter der digitalen Kommunikation verlangt neben Information nach Gemeinschaft. Community gilt dabei als Zauberwort. Heute hat jedes Anliegen seine virtuelle Anhängerschaft. Seit 14. September hat die Gemeinde der Primärversorger eine eigene Webplattform. Unter primaerversorgung.gv.at sollen Ärzteschaft, Dienstleister und andere Interessenten der Primärversorgungsidee zueinander finden oder – wie es auf der Landing-Page geschrieben steht: Sie sollen im „Begegnungsraum für die österreichische Primärversorgungscommunity“ zusammenkommen. Die Plattform Primärversorgung soll die strukturelle Weiterentwicklung des österreichischen Gesundheitswesens in Richtung Vernetzung, Partizipation und Wissenstransfer vorantreiben. „Attraktivierung und Förderung der Primärversorgung“ ist ein Projekt im Rahmen der EU-Aufbau- und Resilienzfazilität (Recovery and Resilience Facility, kurz RRF genannt). Das Thema Primärversorgung wurde auf Vorschlag der heimischen Regierung in den RRF aufgenommen. Mit diesem Instrument möchte die Europäische Kommission die EU-Mitgliedstaaten unterstützen, die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie abzufedern sowie Europa nachhaltig zu stärken und resilienter zu gestalten.

Das Projekt, das bis 2026 läuft, stärkt das Konzept der Primärversorgung durch umfangreiche Förderungen. Die Fördermittel von insgesamt 100 Millionen Euro sollen dafür verwendet werden, die wohnortnahe Gesundheitsversorgung gezielt und nachhaltig zu stärken und innovative Versorgungsmodelle zu unterstützen. Die Förderrichtlinien wurden über den Sommer 2022 weiterentwickelt und an die Bedürfnisse der Praxis angepasst. Seit 1. September sind die Neuerungen in Kraft und gelten sowohl für bestehende als auch für Neugründer (siehe dazu ÖKZ 1/2022 und 10/2022). Man findet den Fragekatalog für Förderungen auf der Website übersichtlich dargestellt. Über einen Fördermanager kann man die notwendigen Antragsformulare mittels Schritt-für-Schritt-Anleitung ausfüllen. Partner Austria Wirtschaftsservice Gesellschaft mbH (aws) ist mit der Vergabe und Abwicklung der Förderungen betraut.

Mehr Sichtbarkeit und Service. Die Idee der Primärversorgung nimmt in Österreich Fahrt auf. Eine offizielle Webplattform will Heimat und Dienstleister der PV-Gemeinde werden.

Die Plattform

Kommunikationsdrehscheibe des Projekts ist die Plattform Primärversorgung. Sie erleichtert kontinuierlichen, strukturierten und österreichweiten Erfahrungsaustausch. Maßnahmen im Bereich der Aus-, Fort- und Weiterbildung stärken die interprofessionelle Zusammenarbeit. Direkte Förderungen wie z.B. flächendeckende Ausrollung von Primärversorgungseinheiten (PVE), infrastrukturelle, technische und digitale Adaptierungen oder Initiativen zur sozialen Inklusion sollen Gründer in der Umsetzung einer PVE unterstützen. Auf den Weg gebracht werden diese Schwerpunkte durch eine (kostenlose) Mitgliederorganisation, Veranstaltungen, einen PVE-Accelerator, einen Newsletter und die Website www.primaerversorgung.gv.at.

Die digitale Plattform Primärversorgung zielt vor allem da­rauf ab, eine Community aus Gründerinnen und Gründern, bereits in der PV Tätigen und Forschenden aufzubauen. Viele Bereiche sind nur für Mitglieder einsehbar. Die Mitgliedschaft ist kostenfrei und ermöglicht die Einarbeitung in das Thema der Primärversorgung. Laut der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG), die die Plattform koordiniert, wird die Plattform sehr gut angenommen. Nach zwei Monaten Laufzeit haben sich bereits über 500 Einzelpersonen und über 37 Institutionen als Mitglieder auf der Plattform angemeldet. Zur Zielgruppe zählen

> Primärversorgungseinheiten (PVE)
> Allgemeinmedizinische Ordinationen mit §2-Kassenvertrag
> Facharztordinationen für Kinder- und Jugendheilkunde mit §2-Kassenvertrag
> Interessen- und Berufsvertretungen (nationale Organisationen und Landesorganisationen)
> Institute der Universitäten und Fachhochschulen bzw. die Fachhochschulen selbst
> Sozialversicherungen
> Gesundheitsfonds
> Länder
> Städtebund, Gemeindebund
> öffentlich finanzierte Forschungsinstitutionen (z.B. IHS)
> NGOs (z.B. Caritas)

Die Mitgliederorganisation soll die Vernetzung und den Austausch z.B. mittels „Buntes Brett“ fördern. Über die Website werden auch praxisbezogene Fachinformationen, Webinare und eine Mediathek angeboten. In Form von Ideenwerkstätten und Umfragen ist Partizipation gefragt. Plattformbetreiber GÖG kann nach acht Wochen auf über 20 Beiträge auf dem bunten Brett für Jobs und Kooperationen verweisen. In Anbetracht der stecknadelgroßen Zielgruppe ist dies ein gelungener Start.

Die Werkzeuge

Wer sich für die Gründung und Inbetriebnahme einer Primärversorgungseinheit interessiert, wird von einem Accelerator auf der Website unterstützt. Ein Accelerator ist eine Informationsdrehscheibe, mit der Geschäftsideen entwickelt und betreut werden. Was sind die ersten Schritte zur Gründung einer PVE? Was muss ich beachten? An wen kann ich mich in meinem Bundesland wenden? Die Gründung einer PVE ist mit vielen Fragen und Entscheidungen verbunden. Daher stehen verschiedene Angebotsformate zur Verfügung, zum Beispiel:

> Informationsveranstaltungen
> Workshops
> Vorlagen und Materialien
> Möglichkeiten zur Vernetzung mit anderen PVE-Gründern

Eine schrittweise Anleitung inklusive Erläuterung wirtschaftlicher und rechtlicher Rahmenbedingungen sowie die Standortwahl durch das „Handbuch zur Gründung einer PVE“ führt durch den aufwendigen Prozess.

Die PVE-Landkarte ist eines der meistgenutzten Instrumente aus dem digitalen Werkzeugkasten. Hier findet sich ein Überblick über die bisher eingerichteten Primärversorgungszentren in den einzelnen Bundesländern – eine sich ständig ändernde Zahl. Um die aktuellen Ausschreibungen für Primärversorgungseinheiten im jeweiligen Bundesland einzusehen, wird man auf die Website der Österreichischen Gesundheitskasse verwiesen. Oder man erkundigt sich auf der Website der Landesärztekammer, wo man oft auch genaue Informationen zu Ausschreibungen und zum Bewerbungsprozess erhält. Gibt es keine passende Stellenausschreibung, tritt man am besten mit den Ansprechpersonen in dem jeweiligen Bundesland in Kontakt. Auch diese sind auf der Website angeführt.

Grundlage für die Bewerbung ist auch das Versorgungskonzept. Die regionalen Versorgungsprofile Primärversorgung (RVP/PV) sind eine Zusammenstellung von 35 Indikatoren zum Versorgungsbedarf der Bevölkerung sowie zum Versorgungsangebot für die ausgewählte Region. Auf der Website finden sich die Kriterien eines regionalen Versorgungsprofils wie Demografie und Sozioökonomie, Prävention und Risikofaktoren, Epidemiologie und Mortalität, Versorgungsangebot und ambulante Inanspruchnahme. Durch die Beantwortung dieser Fragen bekommt man eine Vorstellung von der Versorgungssituation in der gewählten Region.

So umfangreich und unterstützend die Website auch ist – um sie noch besser an die Bedürfnisse der Mitglieder anzupassen, wird sukzessive Feedback zur Weiterentwicklung der Plattform Primärversorgung eingearbeitet, um das erklärte gesundheitspolitische Ziel der Primärversorgung als erste Anlaufstelle für Gesundheitsfragen und -probleme zu erreichen. 

Das verspricht die PV-Plattform

Austausch mit der PV-Community: Networking und Kommuni­kation mit den Mitgliedern der Plattform Primärversorgung

Mitglieder-Events: Mitglieder werden über alle Plattform-Veranstaltungen informiert und können kostenlos teilnehmen

Mediathek und Archiv: Wenn eine Veranstaltung verpasst wurde oder erst später interessiert, können Webinare, Infovideos und vieles mehr on demand abgerufen werden.

Das Bunte Brett: Jobs, Praktika & Kooperationen im Umfeld der PV-Community suchen oder anbieten

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