Pflegereform: Nur Schall und Rauch

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Autor: Markus Golla

Bundesminister Rudi Anschober kündigte in seiner Periode eine Pflegereform an, die gemeinsam mit allen Beteiligten ins Leben gerufen werden soll. Im Zuge eines Workshops wurden damals die Überschriften für diese Reform ausgearbeitet und später in der Politik definiert. Die Community Nurse, ein sowieso EU-gefördertes Projekt, die Pflegelehre (bis heute noch nicht umgesetzt und für viele fragwürdig) und andere Themen sollten das österreichische Gesundheitswesen vor dem Untergang schützen. Auf jeden Fall kann man den Akteur:innen zugutehalten, dass überhaupt einmal etwas zustande gekommen ist.

Während Gesetzesnovellen immer mehr Tätigkeiten der Medizin auf die Pflege abwälzten und hier nur der Schritt in die tertiäre Ausbildung ein wirklicher Wurf war, ist bei dieser Pflegereform noch immer der WOW-Effekt abzuwarten.

Die EU-Förderung der Community Nurse ist in kurzer Zeit beendet und man sollte abwarten, wie dieses Projekt weiter finanziert wird. Viele Bürgermeister wehrten sich schon zu Beginn, zukünftig anfallende Kosten zu übernehmen. Die Pflegelehre soll junge Menschen für den Pflegeberuf motivieren. Doch gibt es überhaupt genug junge Menschen für diese Lehre? In den letzten Jahren blieben tausende Lehrstellen ohne Lehrling. Warum sollten diese nicht vorhandenen jungen Menschen genau diese Lehre antreten? Hinzu kommt die Pensionswelle.

Die Krankenhäuser und Pflegeheime sind nicht nur angeschlagen, sondern schaffen es nur noch bedingt, die Löcher zu stopfen. Tagtäglich diskutieren Pflegedirektor:innen mit der Ärzteschaft, die nicht immer einsieht, dass Betten gesperrt werden müssen, um das restliche Personal nicht gegen die Wand zu fahren. Da man aber von ärztlicher Seite nur operieren will, ist dies für einige Leitungen uninteressant. Wie lange dies noch auszuhalten ist, wagt kaum einer zu schätzen. Die Pandemie hat natürlich die ganze Angelegenheit wesentlich verstärkt.

Sieht man sich beim Führungspersonal um, entdeckt man nur müde Gesichter. Viele Direktionen versuchen die Fahne für ihr Team hochzuhalten und eine positive Stimmung zu verbreiten. Andere wissen sich nicht mehr zu helfen und peitschen den Rest der Belegschaft durch – in der Hoffnung, dass es irgendwann ein Ende hat. Doch ein Ende ist nicht in Sicht.

Die Reform hat hier nur wenig bis gar nichts beigetragen. Zusatzgelder werden bedingt bis gar nicht ausbezahlt, das Personal ist müde und man hätte die Reform vielleicht ehrlicher angehen sollen. Vielleicht wäre die EU-Förderung in einer Attraktivierung der Hauskrankenpflege besser aufgehoben gewesen. Vielleicht sollte man sich nicht mit neuen Ausbildungsplätze beschäftigen – davon haben wir in vielen Bundesländern genug –, sondern mehr mit der Attraktivierung des Berufes. Man wünscht sich Dienstplansicherheit und nicht unkontrolliertes Ausbildungswachstum. Ich habe noch keine Person aus dem Pflegemanagement getroffen, die gesagt hätte: „Die Reform hat bei uns so viel verändert, wir können dadurch positiv in die Zukunft blicken.“

Vielleicht liegt es auch weiterhin daran, dass man viel ÜBER Pflege redet, aber wenig MIT der Pflege, um Lösungen auszuarbeiten. Fakt ist, es gibt Ansätze, aber nichts Substanzielles. Den Personalbedarf werden wir mit all diesen Lösungen nicht decken. Es braucht andere Ansätze, die man aber oft nicht hören will. Damit bleiben wir weiterhin auf Kurs zum Eisberg.

Eins kann man zumindest sagen: Der Nachname des Gesundheitsministers passt zum Fazit der Pflegereform: Schall und Rauch. 

Prof. (FH) Markus Golla ist Leiter des Instituts für Pflegewissenschaft, Studiengangsleiter der Gesundheits- und Krankenpflege im Department Gesundheitswissenschaften der IMC Fachhochschule Krems. Kontakt: golla@pflege-professionell.at

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