Bekenntnisse eines Leidenden. Eine Satire von Norbert Peter.
Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“ – vielen klingt dieser Hilfeschrei vertraut, der immer zu Jahresbeginn auf RTL erklingt. Im australischen „Dschungelcamp“ dürfen wir Auserwählten aus der erweiterten Unterhaltungsbranche zusehen, wenn sie sich von Folge zu Folge neuen Prüfungen stellen. Das Ziel: eine Runde weiterzukommen. Da gilt es mitunter gebackene Taranteln, Krokodilsaugen und Kamel-Penis zu verspeisen, sich mit Schleim, Blut und Mehlwürmern überschütten zu lassen oder sich in eine Grube mit Dutzenden lebenden Schlangen zu legen. Zweifellos ein Promotion-Schub für alle Beteiligten inklusive des australischen Dschungels.
Na? Klingelt es schon? Ähnlichkeiten mit dem Klinik-Alltag entdeckt? Für mich läge es auf der Hand, wenn die Sendungsmacher heimlich schon an eine besondere Fortsetzung denken und für den nächsten Jahreswechsel eine leichte Adaption vorbereiten: „Ich bin ein Arzt – Holt mich hier raus!“ Man müsste dann gar nicht mehr ans andere Ende der Welt jetten. Eine beliebige Notaufnahme eines heimischen Spitals in der Silvesternacht bietet Herausforderungen, die Drehbuchautoren an ihr Limit bringen würde: Die Mischung aus Alkohol, Feuerwerk und Leichtsinn leistet ganze Arbeit. Wenn da das Personal versucht, zwischen Blut, Tränen und Körperteilen die Übersicht zu behalten, stopft man vor dem TV-Gerät erst recht wieder mehr Chips in sich rein, als dem Neujahrsvorsatz gerecht würde.
Wenn man dann aber mitbekommt, wie sich die Belegschaft gegenseitig unterstützt, keine Kollegin und kein Kollege zurückgelassen wird, über Kulturen und Geschlechter hinweg, schließt man doch alle Beteiligten in sein Herz. Und als Happy End gibt es noch die Klinik-Krone für das Neujahrs-Baby.
Allen Viruserkrankungen und Krankenständen zum Trotz würden wieder mehr Menschen ins Krankenhaus drängen, egal, ob als Ärztin, Arzt, Pfleger, Clown oder Patient. Oder wenigstens als Gesundheitspolitiker.
Wollen Sie etwas wirklich Herzerfrischendes sehen? Dann werfen Sie das Internet an. Auf Youtube können Sie sehen, wie Greta Thunberg sich als Gast in „The Russell Howard Hour“ vor Lachen zerbröselt, wenn sich der englische Komiker darüber auslässt, dass er es liebt, wenn sich bei seiner Show alte Damen vor Lachen anpieseln.
Bei so viel Menschlichkeit nimmt man es der mittlerweile 20-jährigen Klima-Aktivistin plötzlich etwas weniger übel, wenn sie uns daran erinnert, dass sich unsere Zukunft in Luft auflösen könnte, das Gleichgewicht auf unserer Erde in Gefahr ist und wir nicht minder. Winterliche Hitzerekorde bringen nicht nur die Liftbetreiber in unseren Bergen ins Schwitzen.
Apropos Zukunft: Es ist wirklich an der Zeit, sich damit ernsthaft zu befassen. Es heißt, jetzt zu handeln – solange es noch möglich ist.
Ich werde Ihnen etwas verraten: Ich setze dabei auf Pilze. Und ich spreche dabei nicht vom nächsten Dinner for Two, bei dem ich mit selbst gebackenen Champignons glänzen will – Sie wissen schon: das einzig fleischlose Gericht des auslaufenden letzten Jahrtausends unten beim Wirtshaus ums Eck. Mit Sauce Tatar. Nein, ich rede von der Zeit danach. Und vom Gegenteil! Mir wurde die Information zugespielt, dass ich meine sterblichen Überreste am Wiener Zentralfriedhof einem Sarg aus Pilzen anvertrauen kann. Also: Nicht ich esse die Pilze, sondern diese mich. Das gibt doch dem Begriff „Leichenschmaus“ eine komplett neue Bedeutung. Und es ist auch eine lieblichere Vorstellung, wenn einen die Pilz-Kultur assimiliert, als wenn einen „die Würmer zerfressen“.
Norbert Peter
Kabarettist, Buchautor, Journalist
Peter & Tekal, medizinkabarett.at
Nächste Termine:
Premiere „Wechselwirkung“ am 20.03.2023 im CasaNova, Wien und am 26.03.2023 im Orpheum, Wien