Employer Branding: Die Kunst, Talente zu gewinnen

Lesedauer beträgt 4 Minuten
Autor: Elisabeth Rudolph

Im Gesundheitsbereich ist der Wettbewerb um qualifiziertes Personal beinhart. Employer Branding hat sich als wirksame Methode erwiesen, um High Potentials zu überzeugen. Doch wie geht man am besten vor?

Wenn sie es darauf anlegen, können Pflegekräfte heute zwischen vier Jobangeboten und mehr wählen. Meist entscheiden sie sich aber für einen Arbeitgeber in der Nähe oder für ein Haus, in dem sich die Verantwortlichen um die neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bemühen und das – dies sei niemals vergessen – sympathisch ist. Das Bauchgefühl gibt oft den Ausschlag.

Employer Branding sorgt dafür, dass die Anziehungskraft eines Unternehmens stimmt. Konkret geht es dabei um alle Maßnahmen, die dazu beitragen, die Marke eines Arbeitgebers zu stärken. Es sei die stärkste Waffe im War for Talents, wie viele Experten meinen. Wer nicht sichtbar ist, geht unter. Ein weitverbreitetes Missverständnis ist die Annahme, bei Employer Branding gehe es um Marketing und alles sei nur ein Gag. „Im Employer Branding interessiert niemanden eine tolle Werbegrafik mit dem gleichen Schmarrn an Botschaften, die niemand hören will“, formuliert es Reinhard Krechler, Unternehmensberater für Employer Branding, sehr direkt. Die entscheidende Frage laute: „Warum sollte jemand in diesem Krankenhaus arbeiten und nicht in einem anderen?“ Bei der Beantwortung der Frage spielt die Employee Value Proposition (EVP) eine wichtige Rolle, erklärt der frühere Krankenpfleger. Es ist mehr oder weniger das Pendant zum USP und stellt ein Werteversprechen oder Alleinstellungsmerkmal eines Unternehmens dar. Es ist der Grund, warum sich potenzielle Mitarbeiter für ein Unternehmen entscheiden.

Ehrlich und strukturiert. Employer Branding ist das Ergebnis von vielen Geschichten, die ehrlich erzählen, was in einer Klinik abgeht. Wichtig:
Es braucht eine Person, die regelmäßig und professionell die Social-Media-Kanäle füllt.

Verständnis der eigenen Marke

Für Unternehmen, genauso wie für Krankeneinrichtungen, ist es entscheidend zu erkennen, dass Employer Branding keine kurzfristige Lösung zur Behebung des Personalmangels ist. Vielmehr ist es ein langfristiger Weg, eine attraktive Arbeitgebermarke aufzubauen. Krechler spricht von zwei Dimensionen, die eine starke und attraktive Arbeitgebermarke formen: die interne und die externe. Letztere gibt das Bild nach außen ab, betont die Einzigartigkeit des Unternehmens und die Abgrenzung von Mitbewerbern und konzentriert sich auf die grundlegenden Werte, für die es steht. Die interne Marke hingegen spiegelt die Unternehmenskultur wider und beschäftigt sich mit Aspekten wie dem Arbeitsumfeld, wie miteinander umgegangen wird und wie die Führungskultur ist. „Bei Kliniken sprechen wir hier von einem hierarchischen System mit miesen Arbeitszeiten, hohem Druck und einer nicht stimmigen Erwartungshaltung“, betont der Experte und ergänzt: „Wer hier nichts ändert, verliert.“ Die jungen Leute ließen sich nicht mehr alles gefallen. „Dies bedeutet, dass sich etwas an den Rahmenbedingungen ändern muss“, so Krechler. Eine klare Auseinandersetzung mit den beiden Dimensionen mache die Unternehmenswerte greifbarer und authentischer für zukünftige Mitarbeiter. „Das braucht Zeit und vor allem eine langfristig geplante Strategie“, warnt der HR-Berater. Studien zeigen, dass es an die 50 Touchpoints braucht, bis sich jemand um eine Stelle bewirbt. Präsent sein, lautet hier die Empfehlung des Experten und natürlich bediene man sich in der heutigen Zeit der Social-Media-Kanäle. Aber, so gibt Krechler zu bedenken, es sei niemand auf Social Media unterwegs, um einen Job zu finden, „mit Ausnahme vielleicht von LinkedIn“. Jobs gäbe es über Instagram, Facebook oder TikTok keine. „Trotzdem sind das Kanäle, die aus einem ernst zu nehmenden Employer Branding nicht mehr wegzudenken sind“, so Krechler.

Wie starten?

Der beste Start eines Employer-Branding-Konzepts ist die Analyse: Warum soll jemand in dieser Gesundheitseinrichtung arbeiten? Im Klartext heißt das, die Mitarbeiter zu befragen und auf die Punkte wie Wertschätzung, Arbeitsplatzsicherheit, Freizeit, Entwicklungsmöglichkeit oder Karrierechancen einzugehen. Denn das sind die Gründe, warum Mitarbeiter in einer Organisation bleiben oder gehen. Geld ist dabei ein zweitrangiges Thema. „Ein angemessenes Gehalt mit sinnvollen Arbeitszeiten ist Grundvoraussetzung und kein Motivator“, stellt Krechler klar. Ein wichtiger nächster Schritt ist es, die Botschaften der Mitarbeiter nach außen zu tragen. Der Experte empfiehlt, mit einer kleinen, gut eingespielten Arbeitsgruppe auf einer Station mit wenig Fluktuation zu beginnen und sicherzustellen, dass diese Gruppe mit ihren positiven Erfahrungen und Botschaften präsent ist. „Packe diese Botschaften in Geschichten, aber hör auf, ‚Marketingsprech‘ zu erzählen.“ Floskeln wie „Wir sind ein dynamisch wachsendes Team in einem motivierten Umfeld“ seien „fürchterlich“: Das wolle niemand hören, warnt er.

Gelungenes Employer Branding erzählt Geschichten. Nutzer beginnen zu erahnen, wie eine Einrichtung oder eine Klinik tickt. Social Media ist dabei lediglich das Werkzeug, um die Botschaften zu transportieren. Als Erzähler sind alle Bereiche eines Krankenhauses gefragt, einschließlich der oft als unnahbar wahrgenommenen Ärzte. Sie können auf natürliche Weise dazu beitragen, das gefürchtete Hierarchie-Denken in den Kliniken als Problem der anderen darzustellen. In seinen Augen ist es wichtig, die Inhalte gezielt für die richtige Plattform aufzubereiten. Er betont, dass es entscheidend ist, das Projekt-Wissen strategisch aufzubauen, kontinuierlich zu lernen und sich stetig zu verbessern.

„Making-of“. Die Attraktivität eines Arbeitgebers ist eine Mixtur aus Wertschätzung, Arbeitsplatzsicherheit, Freizeit und Karrierechancen. Und dies gelte es glaubhaft zu erzählen, meint Reinhard Krechler, im Bild im Interview mit ÖKZ-Autorin Elisabeth Rudolph.

Ehrlichkeit und Ausdauer

Authentizität ist der Schlüssel zum Erfolg bei dieser Strategie, da ist sich auch Christoph Stieg sicher, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Perfact Consulting: „Das Wichtigste ist, dass man die Jobsituation mit allen Facetten beim Namen nennt.“ Die Realität sei jedem Bewerber zumutbar. „Lieber undercomittment und overperformance als umgekehrt“, so Stieg. Dies sollte das oberste Prinzip der Unternehmenskommunikation auf allen Kanälen sein. Die Jobkandidaten möchten ein Verständnis dafür haben, wie es ist, in diesem Krankenhaus zu arbeiten.

Reinhard Krechler sieht dies ähnlich wie sein Branchen-Kollege: „Bewerber wollen Informationen haben, sie möchten ein Verständnis dafür haben, wie es ist, in einem Krankenhaus zu arbeiten.“ Seiner Meinung nach gibt es unzählige Hintergrundinformationen und Geschichten, die Krankenhausangestellte teilen könnten. Die Gestaltung des Images auf dem Arbeitsmarkt liegt in der Verantwortung der Klinik selbst. Für die Umsetzung empfiehlt er, verschiedene Content-Formate zu verwenden und kontinuierlich Inhalte, z.B. in Form von Videos, bereitzustellen. „Junge Menschen möchten wissen, wie der Nachtdienst eines Arztes aussieht oder wo eine Krankenschwester während des Nachtdienstes schläft“, merkt er an. „Warum also nicht diese Geschichten erzählen?“

Krechler empfiehlt, die Inhalte sorgfältig zu planen und am besten einen technikaffinen Mitarbeiter für einige Stunden pro Woche dafür einzusetzen. Für ihn ist es unverständlich, warum man sich nicht endlich um eine ordentliche Öffentlichkeitsarbeit für Gesundheitsberufe kümmert, denn das interne Employer Branding sei grottenschlecht. Auf die Frage, wie man das in Anbetracht des weitverbreiteten Personalmangels umsetzen soll, antwortet er stets mit dem gleichen Satz: „Es tut noch nicht genug weh.“ 

Quellen und Links:

Gute Gründe für Ihre Karriere in den Salzburger Landeskliniken (salk.at)

Social Recruiting & Employer Branding Agentur aus Wien (beraterkreis.at)

Aber bitte mit Sana | Sana Kliniken Berlin-Brandenburg

HR Online Academy (myleadershipcircle.com)

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