Satire: Gesundheit für alle

Lesedauer beträgt 2 Minuten
Autor: Norbert Peter

Bekenntnisse eines Leidenden. Eine Satire von Norbert Peter.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO ruft seit 1954 jedes Jahr ein neues Motto für den Weltgesundheitstag aus, der seither am 7. April begangen wird. Im ersten Jahr lautete der Wahlspruch beispielsweise „Die Krankenschwester, Wegbereiterin der Gesundheit“. Undenkbar im Jahr 2023: Weder „krank“ noch „Schwester“ sind Begriffe, die im klinischen Umfeld gerne gehört werden. Nicht jedes Motto war von Erfolg begleitet. So forderte man 1981 sehr ambitioniert „Gesundheit für alle bis zum Jahr 2000“ …

Aber man lernt dazu und gibt nicht klein bei, weshalb es heuer am 7. April schlicht hieß: „Gesundheit für alle“. Ohne Zeitlimit, das ja wieder nur zu Stress führen würde, der ja wiederum so manche Krankheiten fördern würde.

Ich erlebe ja das Gesundheitssystem schon an seine Grenzen kommend, wenn ich „Gesundheit für mich“ anvisiere. Wird sich meine individuelle Situation wirklich verbessern, wenn die Ressourcen plötzlich für alle reichen sollen? Wo doch jetzt schon lebensrettende Antibiotika nicht mehr in den gewünschten Packungsgrößen vorhanden sind, und, welch‘ Glück, durch drei Klein-Packungen wunderbarerweise ersetzt werden können! Womit die dreifache Rezeptgebühr anfällt! 20,55 Euro Selbstbehalt extra für meine Genesung … Wo soll das noch hinführen?

Geld ist tatsächlich ein Schlüssel zum Alt-Werden. Und anscheinend auch der Wohnsitz. Den Zeitungen durfte ich entnehmen, dass die Lebenserwartung allein in der Stadt Wien extrem unterschiedlich verteilt ist. Wer im Randbezirk Floridsdorf lebt, muss um acht Jahre früher unter die Erde als die Bewohner des Bezirkes Innere Stadt. In diesem Sinne: Wer weiß eine kostengünstige Unterkunft mit Blick auf das Eingangsportal des Stephansdoms?

Wer im Randbezirk Floridsdorf lebt, muss um acht Jahre früher unter die Erde als die Bewohner des Bezirkes Innere Stadt. Wer weiß eine kostengünstige Unterkunft mit Blick auf das Eingangsportal des Stephansdoms?

Aber ich vertraue auch der versammelten Expertenschaft, die die Ärmel hochkrempelt und zupackt und gezielt auf Schwachstellen hinweist: Der extramurale Bereich muss gestärkt werden, damit die Ambulanzen in den Kliniken entlastet werden können! Ganz meine Meinung: Die Spitals­ambulanzen, wo alle Spezialistinnen und Spezialisten mit ihren offenen MRT-Geräten, Sonografen und Endoskopen in Rufweite zueinander werken, sollten mir exklusiv zur Verfügung stehen.

Wir wollen aber bei aller notwendiger Fixierung auf die Prozesse, die in meinem Körper ablaufen könnten, nicht auf die externen Gefahren vergessen. Zu diesem Zweck treffen sich weltweit engagierte Menschen regelmäßig mit den hehrsten Zielen. So zum Beispiel im UN-Sicherheitsrat, dessen Leitung dankenswerterweise Russland übernommen hat. Was kann da noch schiefgehen?

Und auch Wien trägt seinen Beitrag zur Sicherheit bei: Führende Experten der ESA und der NASA trafen sich im Rahmen der „Planetary Defense Conference“ in der Bundeshauptstadt, um sich gegen herabfallende Asteroiden zu wappnen. Die Wahrscheinlichkeit eines Einschlages von 2023 PDS (so heißt einer der größeren Bedrohlicheren) im Jahr 2036 liegt bei 1:10.000. Ganz zu schweigen von jenen Himmelskörpern, die wir noch nicht auf unserem Schirm haben, die aber vielleicht einen Aufenthalt auf unserer Erde planen. Man muss rechtzeitig handeln: Das Weltall vermessen! Die Raketen in den Himmel richten! Es darf keine Tabus, keine Denkverbote geben: Den globalen Grenzschutz aktivieren, interstellare Auffangzentren für Asteroiden, die nukleare Option im Auge behalten … Wir Menschen hatten immer schon ein gutes Auge für adäquate Lösungen. Vielleicht müssen wir sogar den Babyelefanten reanimieren …

Denn was nutzen mir Unterwassertherapien, Lymphdrainagen und Bioimpedanz-Messungen, wenn ich beim Auschecken aus dem Gesundheitszentrum feststellen muss, dass ein Komet den Planeten in Schutt und Asche gelegt hat? 

Norbert Peter
Kabarettist, Buchautor, Journalist
Peter & Tekal, medizinkabarett.at

Nächste Termine:
„WechselWirkung“ am 1.6.2023 im CasaNova (A-1010 Wien) und am 11.6.2023 in der Kulisse (A-1170 Wien)

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