Satire: Coming soon – Die Herbstwelle

Lesedauer beträgt 2 Minuten
Autor: Norbert Peter

Bekenntnisse eines Leidenden. Eine Satire von Norbert Peter.

Der Herbst klopft an. Dabei ist der Sommer immer noch in meinem Kopf und in meinem Gemüt. Sommer ist eigentlich die Zeit, in der wir uns alle erholen wollen, einen Gang zurückschalten, Ferien genießen. Schulen und Universitäten sind geschlossen, die Politik pausiert und die öffentlichen Verkehrsmittel reduzieren ihr Angebot für jene, die sich keinen Urlaub leisten können und zu Hause bleiben. Auch in den hiesigen Gesundheitseinrichtungen ist spürbar weniger los: Das Personal hat sich seine Freizeit eingeteilt, und ich, braver Bürger, bleibe gesund. Weil ja die wesentlichen Player, die sich um meine Heilung kümmern könnten, gerade ihren Bootsführerschein in Kroatien machen, sich durch die Flammenhölle in Griechenland kämpfen oder von der Staatsanwaltschaft mit einer Razzia abgelenkt werden.

Es ist erstaunlich, wie wir es schaffen, in den Sommermonaten unsere persönlichen gesundheitlichen Notfälle im Großen und Ganzen überschaubar zu halten. Aber Unruhe darf einen für die Zeit danach befallen.

Speziell, wenn ich lesen muss, dass Experten mit einer Herbstwelle rechnen und damit nicht nachsommerliche Meeresfreuden meinen, sondern auf die steigenden Zahlen der Virus-Werte im Abwassersystem verweisen. Ich bin entschlossen, noch mehr auf meine Gesundheit zu achten. So wie sich die treuesten Fans von Taylor Swift, den Wiener Philharmonikern oder Rammstein für die Konzertkarten anstellen, um ihren Lieblingen mehr oder weniger nahe zu kommen, bereite ich mich auf die Auffrischung meines Immunsytems vor. Mein Radar ist bereit, die Öffnung von Impfstraßen für meinen sechsten Booster-Stich sofort zu erfassen. Covid, Influenza oder FSME, egal: Meine Ärmel sind hochgekrempelt.

Auch bleibe ich nicht nur zu Hause, sondern gehe aktiv nach draußen, um was von der Welt zu sehen. Reisen weitet den Horizont. Bei einer Radtour durch Nürnberg durfte ich einiges erfahren (im wahrsten Sinn des Wortes, da ich dabei in die Pedale trat).

Ich war übrigens nicht wirklich in Deutschland, sondern im Fitnesscenter meiner Qual, gleich ums Eck in Wien. Und die Radtour lief digital auf dem Bildschirm des Hometrainers ab, gespickt mit mehr oder weniger wertvollen Informationen. Zum Beispiel hat Peter Henlein ebendort, also nicht in der Mucki-Bude, sondern in Nürnberg, vor rund 500 Jahren die Taschenuhr erfunden – sozusagen den Vorläufer der mobilen Stechuhr. Was damals wahrscheinlich ein cooles Gadget war, das aber primär Frust auslöste, weil die wenigen Besitzer dieser kleinen Meisterwerke die einzigen waren, die pünktlich kamen.

Heute allerdings sind die Zeiterfassungssysteme der Weg zur neuen Freiheit. Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber spüren keine Zweifel mehr, wenn die Angestellten ihre Gleitzeit nützen. Und die Beschäftigten können ruhigen Gewissens heim gehen, ohne unbezahlte Überstunden zu leisten – die Stechuhr ist ihr Zeuge.

Gesundheit hat Vorrang: Als gebranntes Kind weiß ich auch, dass das Sonnenbad primär schädlich ist. Deshalb brauche ich auch keinen Swimming-Pool. Besser gefällt mir da der Springer-Pool. Nein, das ist kein Freizeitpark unseres hochgeschätzten Verlagshauses, sondern eine Maßnahme, um Pflegekräfte zu entlasten. Man kennt die Situation in den Pflegeeinrichtungen: Auch die motiviertesten Mitarbeiter driften mit der Zeit ins Burn-Out, wenn man sich zwischen zwei Diensten nicht erholt, sondern den Dienst vom Kollegen übernimmt, der eben krank wurde. Abhilfe schafft der Springer-Pool, in dem einsatzbereite Pflege-Profis entspannt im Wasser pritschelnd auf ihren Einsatz warten. Oder so ähnlich. Stelle ich mir das vor.

Kann das klappen? Falls nicht, ein Vorschlag in allen Ehren: Verzichten wir auf den Herbst, verlängern wir einfach den Sommer. So halten wir entspannter die Zeit bis zum nächsten Sommer durch.  

Norbert Peter
Kabarettist, Buchautor, Journalist
Peter & Tekal, medizinkabarett.at

Nächste Termine:
„WechselWirkung“ am 27.9.2023 in der Stadtgalerie Mödling (20 Uhr) und am 30.9.2023 eine Matinee
um 11 Uhr im CasaNova (A-1010 Wien)

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