Anni Koubek: Es braucht einen langen Atem

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Autor: Josef Ruhaltinger

Dr. Anni Koubek ist CEO der neuen Wiener Konformitätsbewertungsstelle. Im Interview erzählt sie vom Hürdenlauf zur eigenen Zulassung.

Frau Koubek, die QMD-Services ist seit Weihnachten eine von nur acht benannten Stellen in Europa, die eine Zulassung für In-Vitro Diagnostika (IVDR) haben. Europaweit müssen sich tausende Unternehmen, die Labortests für Blutproben, Schwangerschafts- oder PCR-Tests herstellen, einer Konformitätsbewertung unterziehen. Warum gibt es so wenige Bewertungsstellen?
Anni Koubek: Weil das Erlangen einer Zulassung sehr langwierig und teuer ist. Für uns hat die Zulassung nach IVDR vier Jahre gedauert. Die QMD Services hat mit zehn bis 15 Mitarbeitern in dieser Zeit ohne jede Umsätze auf die Zulassung hingearbeitet. Wir hatten Unterstützung durch fünf Bundesländer, die aber bei Weitem nicht die Anlaufkosten ersetzen konnten. Die kamen aus den Kassen unserer Eigentümerin Quality Austria. Es braucht einen langen Atem.

Warum dauert der Prozess so lange?
Der zentrale Punkt dieses Zulassungsverfahrens ist das „Joint Assessment“. Das ist eine Prüfung vor Ort, bei der Expertinnen und Experten der EU-Kommission mit Sachverständigen aus Mitgliedstaaten gemeinsam mit einem Team aus Gesundheitsministerium und AGES eine Woche lang untersuchen, ob wir fit genug sind, diese Dienstleistung anzubieten. Bei uns fand dieses „Joint Assessment“ vor eineinhalb Jahren statt. Die Nachbesserungen haben bis jetzt gedauert.

Provokant gefragt: Waren Sie schlecht vorbereitet?
Die Vorgaben waren nicht so genau definiert, wie wir uns dies gewünscht hätten. Vor allem das Anforderungsprofil an unsere Prüfexperten barg etliche Überraschungen. Die Qualifikationsanforderungen an unsere Experten und Expertinnen sind so komplex, dass wir in ganz Europa kaum fündig wurden.

Dr. Anni Koubek ist CEO von QMD Services GmbH (Quality Medical Devices), einem Tochterunternehmen von Quality Austria. Bevor sie 2007 zu Quality Austria in Wien wechselte, war sie Professorin an der Fachhochschule Joanneum in Graz in den Studiengängen Fahrzeugtechnik und Informationsmanagement. Dort begründete sie 1998 das Zentrum für Multimediales Lernen und war danach von 2003 bis 2007 Geschäftsführerin der FH Joanneum.

Ihr Fazit aus dem Zulassungsprozess?
Letztlich ist das Hauptziel der neuen IVDR, eine Erhöhung der Patientensicherheit zu erreichen. Ich bin aber skeptisch, ob rechtzeitig eine ausreichend funktionierende Infrastruktur aufgebaut werden kann. Der Mangel an Prüferinnen und Prüfern wird nur schwer zu einem Ausbau der benannten Stellen führen. Dabei gibt es europaweit abertausende Unternehmen, die ihre Produkte nach IVDR- oder MDR-Verordnung prüfen lassen müssen. Wer soll dies machen, wenn es keine Prüfexperten gibt?

Was heißt das?
Für Hersteller heißt dies, sich frühzeitig um einen Vertrag mit einer benannten Stelle zu kümmern. Im Optimalfall kann eine Zertifizierung für einfache Produkte in wenigen Monaten abgeschlossen sein, aber von Kontaktaufnahme bis zum Zertifikat sprechen wir von Durchschnittszeiten von 2 Jahren.

Wie definieren Sie ihren Markt?
Wir sind eine österreichische benannte Stelle, aber unser Markt ist Europa. Österreich wäre zu klein, um für alle Scopes, also Produktgruppen, genug Projekte abzuwickeln. Wir müssen einen ausreichenden Auftragsdurchsatz bei allen Produkten nachweisen, um unsere Zulassung nicht zu gefährden. Wir haben jetzt schon Anfragen aus vielen europäischen Ländern.

Aus Sicht der Wirtschaft klingt dies herausfordernd …
Das Problem ist, dass sich Unternehmen wegen der hohen Hürden aus den Produktsegmenten zurückziehen. Für viele ist der Prozess neu, weil sie bislang keine Zulassungen benötigten. Und dann stellen sie fest, dass das viel Geld kostet und Jahre dauert. Die Firmen suchen sich verwandte Geschäftsfelder ohne Zulassungszwang oder weichen auf den US Markt aus. Hier braucht es eine Balance. Wir laufen Gefahr, dass für kommende Pandemiewellen und mutierte Virus-Arten keine geeigneten Tests zur Verfügung stehen.

Wann kommt die Benennung nach MDR?
Der Zulassungsprozess ist schon weit fortgeschritten. Wir können das Ergebnis nicht vorwegnehmen, aber wir hoffen, dass wir das dieses Jahr abschließen können. 

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