Die Lebensdauer von Medizinprodukten ist ein kritischer Aspekt in der Gesundheitsversorgung. Sie beeinflusst Sicherheit und Effizienz der Behandlung. Ihre Bestimmung beruht auf der Integration zahlreicher technischer, regulatorischer und klinischer Aspekte.
Die Lebensdauer eines Medizinprodukts bezeichnet den Zeitraum, in dem das Produkt sicher und effektiv verwendet werden kann. Dieser Zeitraum wird vom Hersteller im Zuge des Risikomanagements bei der Entwicklung des Produktes festgelegt und basiert auf umfangreichen Tests und Studien. Die Lebensdauer umfasst sowohl die physische Haltbarkeit des Produkts als auch die Zeitspanne, in der es seine Funktion erfüllen kann, ohne dass das Risiko für den Anwender oder Patienten steigt. Der Begriff „Lebensdauer“ ist weder in der europäischen Medizinprodukteverordnung (MDR) noch im österreichischen Medizinproduktegesetz (MPG 2021) oder der Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBV) definiert, sondern nur in der EN 60601-1 als zu erwartende Betriebs-Lebensdauer. Dennoch wird der Begriff im Medizinprodukterecht häufig verwendet, insbesondere wenn es um Fragen der Sicherheit geht.

Alles hat ein Ende. Die Lebensdauer eines Medizinproduktes wird in einem Konformitätsbewertungsverfahren festgesetzt. Die Hersteller müssen vor der Zulassung eine Reihe von Prüfungen durchführen.
Kontrollierte Veränderung
Nach Anhang I Kapitel I Abschnitt 6 der MDR und IVDR ergibt sich, dass die Merkmale und Leistungen eines Medizinprodukts sich nicht derart ändern dürfen, dass die Gesundheit oder die Sicherheit des Patienten oder Anwenders oder gegebenenfalls Dritter während der Lebensdauer des Produkts gefährdet wird, wenn das Produkt Belastungen ausgesetzt wird, wie sie unter normalen Verwendungsbedingungen auftreten können, und es ordnungsgemäß entsprechend den Anweisungen des Herstellers instand gehalten wurde.
Die Lebensdauer wird in einem Konformitätsbewertungsverfahren festgesetzt. Das bedeutet, dass Hersteller vor der Zulassung eine Reihe von Prüfungen durchführen müssen. Dazu gehören u.a.:
– Materialtests: Prüfung der Beständigkeit des verwendeten Materials gegenüber Abnutzung, Korrosion und anderen Umwelteinflüssen.
– Funktionsprüfungen: Tests, ob das Produkt über einen bestimmten Zeitraum hinweg seine spezifizierte Funktion erfüllt.
– Klinische Prüfungen: Langzeitstudien, die die Sicherheit und Wirksamkeit des Produkts bei der Anwendung am Patienten bewerten.
Diese Prüfungen werden unter Berücksichtigung von Normen und Richtlinien durchgeführt und ermöglichen es den Herstellern, eine verlässliche Lebensdauer zu bestimmen. Hier greifen wir zu einer Definition: Die „zu erwartende Betriebs-Lebensdauer“ ist der Zeitraum, in dem erwartet wird, dass das Medizingerät oder System für seinen bestimmungsgemäßen Gebrauch geeignet bleibt. Es ist auch der Zeitraum, in dem alle Risikobeherrschungs-Maßnahmen wirksam bleiben müssen, um sicherzustellen, dass die Risiken vertretbar bleiben.
Die Lebensdauer kann dabei in Betriebsstunden oder Zeiträumen angegeben werden (z.B. 6 Monate, 7 Jahre), wobei angenommen wird, dass das Medizinprodukt 24 h unter den vom Hersteller vorgegebenen Einsatzbedingungen während der gesamten Betriebszeit ohne vollständigen Betriebsausfall ununterbrochen in Betrieb ist. Bei Geräten, die nicht für den Dauerbetrieb geeignet sind – das ist in der Bedienungsanleitung und am Gerät angegeben –, werden die vorgegebenen maximalen Betriebszeiten herangezogen.
In den Begleitpapieren sollte der Hersteller entsprechende Informationen geben, die es der verantwortlichen Organisation (dem Betreiber) erlauben abzuschätzen, wann sich das Medizingerät dem Ende seiner Lebensdauer nähert. Diese Daten können für die Planung und Budgetierung für Krankenanstalten verwendet werden und sollten von diesen beim Beschaffungsprozess mit abgefragt werden.

Über den Autor:
Johann Dori ist stellvertretender Leiter des Kompetenzzentrums Medizintechnik und zertifizierter Auditor für Medizinprodukte (EN ISO 13485) beim TÜV AUSTRIA. Dori ist Vortragender beim TÜV AUSTRIA Medizinproduktetag am 5.6.2025.
Das Ende der Lebensdauer – und mögliche Verlängerungen
Das Überschreiten der Lebensdauer eines Medizinprodukts kann für den Betreiber Risiken bzw. Konsequenzen haben, die er im Zuge einer Risikoabschätzung minimieren kann. Mit der Zeit können Materialien verschleißen, die Funktionalität des Produkts kann abnehmen und das Risiko von Fehlfunktionen oder Ausfällen kann steigen. Dies kann im schlimmsten Fall die Sicherheit des Patienten gefährden oder die Effektivität der Behandlung beeinträchtigen. Zu den häufigsten Risiken, die mit der Überschreitung der Lebensdauer eines Medizinprodukts verbunden sind, gehören:
– Fehlfunktionen: Die Funktion bzw. Genauigkeit kann beeinträchtigt sein (Drift bei Sensoren, Korrosion bei Elektroden usw.), was zu ungenauen Diagnosen oder unwirksamer Behandlung führen kann.
– Materialverschleiß: Abnutzungserscheinungen durch starken Gebrauch, Materialermüdung, spröde werdende Kunststoffe können die Sicherheit beeinträchtigen.
Es ist daher wichtig, die vom Hersteller angegebene Lebensdauer und die bei Überschreitung möglichen Risiken zu kennen, die vom Produkt ausgehen können, um notwendige Schritte für die Instandhaltung umsetzen zu können bzw. um sich rechtzeitig um den Ersatz dieser Produkte kümmern zu können.
Es gibt verschiedene Strategien, um die Lebensdauer von Medizinprodukten zu verlängern und deren sichere Nutzung über einen längeren Zeitraum zu gewährleisten. Eine der effektivsten Maßnahmen zur Verlängerung der Lebensdauer ist die regelmäßige Wartung und Pflege des Produkts. Dies umfasst:
– Reinigung: Regelmäßige und gründliche Reinigung nach Herstellerangaben, um Verunreinigungen und Ablagerungen zu entfernen. Dabei ist es wichtig, die für das Gerät vorgesehenen Reinigungsmittel zu verwenden. Eine Verwendung von Reinigungsmitteln mit falschen Inhaltsstoffen kann zu einer Schädigung des Medizinproduktes führen.
– Inspektion: Regelmäßige wiederkehrende sicherheitstechnische Prüfungen, um Verschleiß oder Beschädigungen frühzeitig zu erkennen.
– Kalibrierung/messtechnische Kontrollen: Regelmäßige Kalibrierung, um sicherzustellen, dass das Produkt korrekt funktioniert.
– Wartung: Regelmäßige Wartung nach Herstellervorgaben, um die Erhaltung des gewünschten Soll-Zustandes des Gerätes so lange wie möglich aufrecht zu erhalten.
Durch diese Maßnahmen kann die Lebensdauer des Produkts erheblich verlängert werden, ohne dass die Sicherheit oder Wirksamkeit beeinträchtigt wird. Ein weiterer Ansatz zur Verlängerung der Lebensdauer besteht darin, das Produkt durch Upgrades oder Modernisierungen auf den neuesten Stand der Technik zu bringen. Hersteller bieten oft Austauschprogramme oder Nachrüstungen an, die es ermöglichen, bestimmte Komponenten des Produkts zu verbessern oder zu ersetzen, ohne dass das gesamte Produkt ausgetauscht werden muss. Dabei spielt die Unterscheidung zwischen Lebensdauer und Ablaufdatum eine Rolle:
– Lebensdauer: bezieht sich auf die gesamte Nutzungsdauer des Produkts, einschließlich der Zeit, in der es sicher und effektiv verwendet werden kann; umfasst auch Wartungs- und Instandhaltungsmaßnahmen.
– Verfalldatum: bezieht sich u.a. auf die Lagerfähigkeit des Produkts und gibt an, bis wann das Produkt sicher verwendet werden kann, bevor es seine Wirksamkeit und Sicherheit verliert.
Im Gegensatz zur Lebensdauer, die man unter Durchführung der genannten Schritte bzw. mittels Risikoabschätzung verlängern kann, ist eine Verwendung von abgelaufenen Medizinprodukten verboten (MPG 2021 §5).
Die Lebensdauer von Medizinprodukten ist ein wesentlicher Faktor für die Sicherheit und Wirksamkeit in der Gesundheitsversorgung. Durch sorgfältige Tests und Einhaltung von Wartungsvorgaben wird sichergestellt, dass Produkte innerhalb ihrer Lebensdauer sicher verwendet werden können. Das Überschreiten der Lebensdauer kann ernsthafte Risiken mit sich bringen, die durch regelmäßige Wartung, Upgrades und weitere Instandhaltungsmaßnahmen vermieden werden können. Für die Gesundheitseinrichtung sind das Kennen der Lebensdauer, mögliche Risiken bei der Überschreitung und Festlegungen, wie damit umgegangen wird, ein wichtiger Punkt, um die Qualität der angegebenen medizinischen Leistungen gewährleisten zu können.