Um Erfolg zu haben, müssten alle Player an Bord sein – von den Bundesländern über die Sozialversicherung bis hin zur Ärztekammer, so Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne). „Die ersten Gespräche starten noch im Februar“, sagte Rauch. Neben der Kern-Arbeitsgruppe zum Finanzausgleich, die bei Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) angesiedelt ist, gibt es laut Rauch auch Arbeitsgruppen zur Pflege und zum Gesundheitssystem, die in seiner Zuständigkeit sind. „Da wird es jetzt sehr, sehr rasch die ersten Gespräche geben“, so der Minister.
Die Auszahlung von Geldern „kann der Bund an bestimmte Bedingungen knüpfen“, sagte Rauch zum Finanzausgleich, bei dem es um die jährliche Verteilung von gut 90 Milliarden an Steuermitteln zwischen Bund, Ländern und Gemeinden geht. Mitte Dezember gab es bekanntlich bereits eine formelle Auftakt-Runde, in den kommenden Monaten wird in Untergruppen verhandelt.
„Im österreichischen Gesundheitssystem sind etwa 30 Milliarden Euro beheimatet.“ Es gehe nun darum, „wie wir diese Mittel einsetzen und bestmöglich und effizient dafür sorgen, dass Menschen eine qualitativ gute Gesundheitsversorgung bekommen, wohnortnahe und zielgerichtet“. Das Ministerium sei auf die Verhandlungen gut vorbereitet, „wir versuchen gemeinsam mit dem Finanzminister im Zuge des Finanzausgleichs die eine oder andere Reform hinzubekommen“.
„Ein unglaublich komplexes Gefüge“
Sein Befund nach zehn Monaten im Gesundheitsministerium laute, dass die Spitäler und das österreichische Gesundheitssystem „ein unglaublich komplexes Gefüge“ darstellten, „das zwar im internationalen Vergleich eine hohe Qualität aufweist“, aber so nur mehr schwer steuerbar sei, „das funktioniert nicht“. Rauch verwies auf die zersplitterten Zuständigkeiten (etwa die Zuständigkeit der Bundesländer für die Spitäler) oder die Trennung der Finanzierung zwischen stationärem und ambulantem Bereich. Ein Dorn im Auge ist Rauch auch die „Fokussierung auf die klassische Heilbehandlung“ – Prävention werden „in vielen Bereichen“ viel zu wenig umgesetzt.
Zur Frage, was er plane – etwa um dem Ärztemangel entgegenzuwirken – sagte Rauch: „Was ich da plane, ist das eine – nur ich bin da nicht alleine.“ Es müssten alle Player an einem Strang ziehen: „Was es braucht, ist die Bereitschaft der Sozialversicherung, der Bundesländer, der Ärztekammer, des Bundes und von allen Playern, die dabei sind, zu sagen: ‚OK Leute, es gibt einen Bedarf, dass wir da an Schrauben drehen – und nicht nur an kleinen‘.“ Denn die gemeinsame Erkenntnis müsse sein: „Wenn wir das nicht machen, und so fortfahren, dann laufen wir hinein in eine massive Finanzierungslücke.“
Als Beispiele für nötige Reformen nannte Rauch die Sozialversicherungen. Sie müssten im niedergelassenen Bereich „die Systeme attraktivieren“ – und zwar über die Ausgestaltung der Tarife, über die Vereinheitlichung der Leistungskataloge oder über die Qualitätssicherung. In den Spitälern müsse man die Effizienz steigern, beispielsweise über gemeinsame Medikamentenbestellung. Rauch denkt auch an „Tools zum Personalaustausch“ zwischen den einzelnen Spitälern – „aber das ist eine schrittweise Geschichte“.
Gesundheitskompetenzen & Digitalisierung
Auch gelte es, Primärversorgungseinrichtungen zu stärken und das Berufsbild der niedergelassenen Kassenarztes attraktiver zu machen. Zudem will der Minister die Gesundheitskompetenz der Österreicherinnen und Österreicher stärken und die Digitalisierung im Gesundheitswesen ausbauen.
Dass seine Vorhaben keine einfachen sind, ist Rauch bewusst: „Die Wahrscheinlichkeit zu scheitern schreckt mich nicht. Dann wird halt der Finanzausgleich verlängert und es wird nur kleine Stellschrauben geben“ – wenngleich es freilich notwendig wäre, an „großen Schrauben“ zu drehen. Aber: „Ich würde es mir ewig vorwerfen, den Versuch nicht unternommen zu haben, da Reformen zustande zu bekommen“, sagte er.
Weiter drängen will Rauch auf die sogenannte Wirkstoffverschreibung, die auch schon seine Vorgänger umsetzen wollten. Bei der Ablehnung (durch die Pharmaindustrie, aber auch die Ärztekammer) gehe es ums Geschäft, meinte er. „Ich werde da drauf bleiben und dranbleiben.“ Österreich sei das einzige Land in Europa, das weder Wirkstoffverschreibung noch Arzneimittelsubstitution hat. Die hohe Abhängigkeit im Medikamentenbereich von China bereitet dem Minister Sorgen: „Das ist fulminant gefährlich.“
Ärztekammer-Vizepräsident Harald Mayer drängte in einer Aussendung auf einen „sofortigen Krisengipfel zur Rettung unserer Gesundheitsversorgung“.
Abseits seiner thematischen Kernbereiche blickt Rauch als grüner Politiker mit Sorgen auf den Klimawandel: „Er ist in seiner Dimension dramatisch unterschätzt.“ Der Blick auf die Pandemie und vor allem auf die globalen Anstrengungen, diese einzudämmen, stimmt den Vorarlberger dennoch etwas positiv: „Es ist der Weltgemeinschaft gelungen, die Pandemie in einem Kraftakt zu bewältigen, Impfstoffe in ganz kurzer Zeit zu entwickeln, zusammenzustehen und in weiten Bereichen auch schon gemeinsame Maßnahmen zu treffen.“ Damit sei „eigentlich der Beweis erbracht worden, was möglich wäre, wenn es drauf ankommt, wenn die Bedrohungslage ernst genug ist“. Das Problem bei der Klimaerwärmung sei, „dass die Bedrohungslage in der Zukunft liegt“, auch wenn jetzt bereits schrittweise klarer werde, was sie bedeutet.
Verständnis äußerte Rauch für die Blockade-Aktionen der „Klima-Kleber“. „Ich war in meinen Jugendjahren auch Teil einer Protestbewegung, die sich dafür eingesetzt hat, Jugendzentren zustande zu bekommen, als es noch nicht en vogue war.“ Die Proteste, die damals stattgefunden haben, seien „auch keine leisen Proteste“ gewesen. „Die Forderung, man soll bitte protestieren, das aber möglichst unauffällig und dass es niemand merkt, die halte ich für absurd.“ Die Grenze für ihn sei das Strafrecht: „Es geht nicht an, auf die strafrechtliche Seite abzukippen, Sachbeschädigungen vorzunehmen. Ansonsten halte ich Protest auch in so einer unangenehmen Form für legitim.“
Die Ärztekammer deponierte umgehend die Bereitschaft zu Reform – und das nicht erst im Februar, sondern „gleich heute“. Jeder Tag, der tatenlos vergehe, gehe auf Kosten der Patientenversorgung und verschärfe den täglichen Kraftakt in den Spitälern und Ordinationen, drängte Vizepräsident Harald Mayer in einer Aussendung auf einen „sofortigen Krisengipfel zur Rettung unserer Gesundheitsversorgung“. Dabei gehe es aber nicht allein ums Geld, nötig wären auch konstruktive Ideen und die Bereitschaft zur Umsetzung „im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten“. Da komme ihm persönlich „aus dem Ministerium viel zu wenig Konkretes“, merkte Mayer an.
(APA, red)