Aktuell sind zwischen 500 und 600 Menschen in Österreich betroffen. Eine eigene Datenbank, in der die Zahl der Parkinson-Erkrankten statistisch erhoben wird, gibt es in Österreich nicht.
Die gute Nachricht vorweg: Der Verlauf einer Parkinson-Erkrankung lässt sich drosseln. Auch wenn sie sich bislang noch nicht gänzlich aufhalten lässt. Wodurch und in welcher Form die Zerstörung der Nervenzellen vorangetrieben wird, ist bereits gut erforscht. Das Warum allerdings, also die genaue Ursache, ist nach wie vor unbekannt. Fest steht nur: diese Ursache bewirkt ein immer weiter fortschreitendes Ausbremsen der Dopamin-Produktion. Die Verhaltens- und Lebensweise hat keinen relevanten Einfluss darauf, wann und in welcher Form sich die Krankheit bemerkbar macht. Es gibt bis dato auch keinen Weg, ihr vorzubeugen. Familiäre Häufungen sind zwar bekannt, jene Gendefekte allerdings, die inzwischen wissenschaftlich nachgewiesenen sind, werden aber nicht automatisch weitervererbt. Aktuell sind in der medizinischen Forschung fast 20 Gen-Orte bekannt, die als Marker für Parkinson gelten.
Ohne Dopamin keine Bewegungen
Der Botenstoff Dopamin sorgt dafür, dass Signale von einer Nervenzelle zur nächsten übertragen werden. Ohne diese Signale, die in einem winzigen Sekundenbruchteil weitergeleitet werden, können wir uns nicht bewegen. Sind die Signale zu schwach, sind auch unsere Bewegungen langsam und stockend. Wenn wir uns etwa gerade an der Nase kratzen, sind die dafür nötigen Anleitungen zu den Bewegungen kurz zuvor mittels Dopamin von unserem Gehirn an die betreffenden Stellen in unserem Körper weitergeleitet worden. „Dopamin ist der Treibstoff unserer motorischen Funktionen im Körper. Es ist wie bei einem Auto“, erklärt Prim. Dr. Philipp Werner, Leiter der neurologischen Abteilungen an den Schwerpunktkrankenhäusern Feldkirch und Rankweil: „Es kann der schönste Oldtimer perfekt und weitestgehend rostfrei vor uns stehen. Wenn der Treibstoff fehlt, fährt er nicht.“
In der medizinischen Forschung gilt es als erwiesen, dass das ursächliche Problem von Morbus Parkinson im Mittelhirn liegt. Letztlich kommt es in den „Zielgebieten“ von Dopamin, den sogenannten Basalganglien, zu einem Dopamin-Mangel. Das dafür vorhandene Nerven-Netzwerk ist quasi die „Schaltzentrale“ für unsere Bewegungen. „In diesem Netzwerk, genauer gesagt: in der Substantia nigra, also der Schwarzen Substanz, zeigen Gehirne von Parkinson-PatientInnen Eiweißeinlagerungen. Diese Einlagerungen haben offensichtlich eine zerstörerische Wirkung, denn die belagerten Zellen können die Dopamin-Produktion nicht mehr in Gang setzen. Es kommt zum folgenschweren Dopamin-Mangel“, erläutert der Primar die aktuelle wissenschaftliche Erklärung. „Wir wissen also, dass das der pathologische Ablauf dieser neurodegenerativen Erkrankung ist. Wir sehen, was nicht stimmt und was es anrichtet. Aber der Grund, warum sich dieses Eiweiß genau dort einbaut, das wissen wir bis heute nicht im Detail.“
Für die Betroffenen erkenn- und bemerkbar macht sich die Parkinson-Erkrankung, wenn zwischen 50 und 80 Prozent der Dopamin produzierenden Nervenzellen zerstört sind. Dieser Prozess dauert recht lange, die Erkrankung besteht also meist schon mehrere Jahre, bevor sie sich überhaupt bemerkbar macht.
Mehr als nur stockende Bewegungen
Der häufigste Typ unter den Parkinson-Erkrankten ist der „Äquivalenz-Typ“, also jener, der in seiner Motorik bewegungsverlangsamt und steif wirkt und bei dem ein deutliches Zittern vorhanden ist. Bei den anderen beiden Verlaufsformen stehen die Muskelsteifigkeit (Rigor) bzw. das Zittern (Tremor) im Vordergrund. „In erster Linie sind es motorische Symptome, die die Parkinson-Krankheit kennzeichnen. Meist treten sie zunächst nur einseitig auf“, erklärt der Fachmann und verweist auf die typischen abgehackten, stockenden und trippelnden Bewegungsabläufe, das fehlende Mitschwingen eines Armes beim Gehen, die eingeschränkte Mimik mit vermindertem Augenlidschlag sowie das charakteristische Zittern. „Parkinson ist von NeurologInnen zu 90 Prozent rein klinisch feststellbar. Dazu braucht es weder Bild noch Labor. Was dahinter steckt, ist allerdings weit weniger leicht zu durchschauen. Die Motorik ist ein derart komplexer Vorgang im Gehirn, dass es für einen Normalsterblichen kaum zu erfassen ist, was unser Körper hier vollbringt.“ Das spiegelt sich auch in den internationalen Forschungen rund um Parkinson wider: Sie dauern seit rund 200 Jahren an (die Erkrankung wurde 1817 zum ersten Mal vom englischen Arzt James Parkinson beschrieben) und sind längst noch nicht abgeschlossen.
Durch die Nervendegeneration im Gehirn können neben den motorischen Symptomen im Verlauf der Krankheit auch Riechstörungen hinzukommen. „Diese Riechstörungen können sogar auch schon vorher auftreten: Wir wissen heute, dass manche Parkinson-PatientInnen lange vor der Diagnose – oft sogar schon Jahre zuvor – nicht mehr gut riechen können. Ein Zusammenhang wird dann oft erst später hergestellt, meist dann, wenn die behandelnden ÄrztInnen gezielt danach fragen. Die Entwicklung erfolgt auch hier schleichend.“ Auch Störungen der Blasenfunktion sowie sexuelle Dysfunktion, Schlafstörungen, Halluzinationen und Stimmungsschwankungen können mit einer Parkinson-Erkrankung einhergehen.
Symptombehandlung mit Medikamenten und Stimulatoren
Das Grundübel der Parkinson-Erkrankung kann zwar bislang noch nicht behoben werden, aber die symptomatische Behandlung mit Medikamenten verschafft deutliche Linderung: „Die positive Wirkung setzt fast unmittelbar ein und kann über Jahre hinweg den Verlauf der Erkrankung deutlich einbremsen. Allerdings lässt im Laufe der Zeit die natürliche Alterung der PatientInnen die Symptome trotz Behandlung nach und nach zum Vorschein treten.“
Neben Dopamin-Tabletten können zusätzliche, nicht medikamentöse Therapien wie beispielsweise Tanzeinheiten Erleichterung bringen: „Es gibt Studien, die eindeutig belegen, dass sich die Motorik von Menschen mit Parkinson aufgrund von Tanztherapien, Trommeln und Musikhören verbessert. Auch hier wird die Krankheit zwar nicht geheilt, aber die Therapien erleichtern das Leben der Betroffen deutlich. Generell wirken sich rhythmische Bewegungen positiv aus und können sogar das Fortschreiten der Krankheit verlangsamen“, macht Prim. Dr. Werner Mut.
Seit gut 20 Jahren sind bei einer kleinen Gruppe der Betroffenen zudem spezielle Neurostimulatoren im Einsatz, die – ähnlich wie ein Herzschrittmacher das Herz stimuliert – die Nervenzellen anregen: „Hier profitieren vor allem jene PatientInnen, bei denen Zittern deutlich im Vordergrund steht. Die Neurostimulatoren werden in einer speziellen, computergesteuerten Operation in den Bereich der Basalganglien im Gehirn eingesetzt.“ Wissenschaftliche Versuche mit Gentherapien oder Behandlungen mit Stammzellen hingegen haben bislang nicht die gewünschten Resultate gebracht.
Hoffnung auf Therapie
Die Forschung läuft weltweit weiter. Die WissenschaftlerInnen beschäftigen sich in erster Linie mit jenen Eiweißablagerungen, die die Dopamin-Produktion zum Erliegen bringen: „Dieses sogenannte Alpha-Synuclein, das in Gehirnen nachgewiesen worden ist, haben deutsche Neurologen vor wenigen Jahren etwa auch in der Haut von Parkinson- PatientInnen festgestellt“, erklärt Primar Dr. Philipp Werner, „und zwar als Eiweißaggregate in den kleinen Nervenfasern. Die Forscher konnten sie lange vor dem Ausbruch der Symptome festmachen. Und NeurologInnen an der Uniklinik Innsbruck haben Biomarker in der Gehirnbildgebung als frühes Symptom gesucht“.
Es sind allesamt weitere kleine Puzzleteile, die eine frühe Parkinsondiagnose erlauben und damit möglicherweise auch den Einstieg in eine Therapie bereits vor Ausbruch erster Symptome – und hoffentlich irgendwann auch in Behandlungen, die die Krankheit stoppen können.