In der Wiener Ärztekammer naht die Entscheidung im durchaus kuriosen Ringen um die Führung der Standesvertretung. Für den 10. Oktober wurde eine außerordentliche Vollversammlung einberufen, wie der „Dossier“-Journalist Ashwien Sankholkar via „X“ (vormals Twitter) berichtet. Dabei soll ein Misstrauensantrag gegen Präsident Johannes Steinhart abgestimmt werden. Dazu gibt es einen Neuwahlantrag.
Letzterer wird unter anderem auch vom vormaligen Kammerpräsidenten Thomas Szekeres unterstützt. Insgesamt stehen mehr als 20 Mitglieder hinter dem Antrag. Begründet wird er mit einer eingeschränkten Handlungsfähigkeit der Kammer und dass es eine zeitnahe Einschätzung der Wähler brauche. Der Misstrauensantrag war schon länger angekündigt worden. Bei diesem wird in der Begründung ein katastrophaler Umgang Steinharts mit der Krise angeführt und dessen Weigerung von selbst zurückzutreten.
Um den Präsidenten, der auch der Bundeskammer vorsteht, aus dem Amt zu bringen, bräuchte es in der Vollversammlung eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Steinhart selbst, der erst vor kurzem nach einer längeren Pause wegen einer Herzoperation ins Amt zurückgekehrt ist, wird nicht freiwillig weichen. In der „Presse“ meinte er erst vor wenigen Tagen, er werde „niemals“ zurücktreten, auch wenn die Hölle zufriere: „Ich bin hart, steinhart.“
Bodycheck bei der Kuriensitzung
In der Causa geht es im Wesentlichen um die Beschaffungsplattform Equip4Ordi (E4O) – einer ausgelagerten Tochtergesellschaft der Kurie der niedergelassenen Ärzte. Derzeit ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Untreue, Begünstigung und des schweren Betrugs – unter anderem wird auch Steinhart, der damals Obmann der Niedergelassenen-Kurie war, als Beschuldigter geführt. Er weist alle Vorwürfe zurück.
In den Gremien war die Situation zuletzt komplett entglitten. Bei einer Kuriensitzung soll es sogar zu einem Bodycheck gekommen sein. Vor kurzem hatten die Präsidiumsmitglieder der Wiener Kammer und angeblich die Mehrheit des Vorstands den Rückzug von Präsident Steinhart, der auch die Bundeskammer leitet, gefordert. Die nämliche Forderung kam vom Präsidenten der Salzburger Kammer Karl Forstner. Die übrigen Länderchefs riefen die Streitparteien zur Mäßigung auf. Ein ähnlicher Appell kam von Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne).
Zu entscheiden hat nun die Vollversammlung. Diese besteht aus 90 Mitgliedern. Die Vertreter der zur selbstständigen Berufsausübung befugten Ärzte sind mit 44 Personen am stärksten repräsentiert. Dazu kommen noch 19 Fachärzte-Vertreter, 16 Turnusärzte und elf Allgemeinmediziner.
Unklares Prozedere
Der Magistrat (MA 40) ist in dem Gremium nicht vertreten. Es gibt auch keine automatische Informationsverpflichtung der Behörde gegenüber. Diese kann erst tätig werden, wenn an sie herangetreten wird bzw. sie Informationen z.B. via Medien erhält.
Allerdings könnte zumindest der Landesregierung doch noch eine zentrale Rolle blühen, sollte die Ärzteschaft weiter nicht in der Lage sein, ihre Konflikte intern zu lösen. Denn im Ärztegesetz Paragraf 195b ist die Möglichkeit angeführt, die Organe ihres Amtes zu entheben, wenn sie Befugnisse überschreiten, Aufgaben vernachlässigen oder – was in dem Fall wohl schlagend werden könnte – beschlussunfähig werden. In dem Fall müsste ein Kommissär ernannt werden, der die Geschäfte führt und umgehend Neuwahlen einleitet. Allerdings ist nicht explizit angeführt, ob es für die ganze Kammer eine Neuwahl bräuchte oder nur für die Organe, die beschlussunfähig geworden sind.
(APA/red.)