Numerus-Clausus-Debatte: Medizinstudium-Änderungen für EU-Rechtsexperten aussichtslos

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Autor: Scho

Der an der Universität Innsbruck lehrende EU-Rechtsexperte Peter Hilpold sieht momentan für Österreich keine Chancen, gegen sogenannte „Numerus-Clausus-Flüchtlinge“ aus Deutschland vorzugehen. Er sah im APA-Gespräch keinerlei Anzeichen, „dass der EuGH nach seinem Urteil aus dem Jahr 2005 eine Wende machen würde.“ Niederösterreichs LH Johanna Mikl-Leitner hatte sich zuletzt für Änderungen ausgesprochen, Kanzler Karl Nehammer (beide ÖVP) bezeichnete es als „möglichen Baustein“.

Mikl-Leitner hatte am Dienstag gemeinsam mit dem Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät an der Uni Innsbruck, Walter Obwexer, eine Pressekonferenz abgehalten und den Ärztemangel ins Treffen gebracht. Laut Obwexer sei es zulässig, in Österreich die im jeweiligen Heimatland der Studierenden geltenden Zulassungsbeschränkungen einzuführen. Außerdem sah er die Möglichkeit, ausländische Absolventen zu verpflichten, einige Jahre in Österreich zu arbeiten, sofern sie hier studiert hätten. Auch Kanzler Nehammer hatte diesen Vorschlag bereits aufs Tapet gebracht.

EU-Rechtsexperte Peter Hilpold: Lösungsansätze greifen nicht, der EuGH hat eindeutig geurteilt, eine Wende sei nicht absehbar. Vor allem aber: Ärztemangel sei ein europäisches Problem.

Für Hilpold wiederum würden „beide Lösungsansätze einfach nicht greifen“. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) habe in einem Urteil aus dem Jahr 2005 eine „Rückkehr zum Herkunftslandprinzip eindeutig abgelehnt“, dass der EuGH „jetzt eine Wende machen würde, ist überhaupt nicht absehbar“. Immerhin hätten sich die Bedingungen nicht „dramatisch“ geändert. Hilpold argumentierte, dass schließlich in ganz Europa ein Medizinermangel herrsche.

Kein freier Hochschulzugang, keine Freizügigkeit studierender UnionsbürgerInnen

Der Europäische Gerichtshof würde außerdem eine innerösterreichische Diskussion um Rahmen- und Arbeitsbedingungen der Ärzteschaft berücksichtigen, „da gibt es verschiedene Probleme zu klären“. Zudem gebe es durchaus viele Beteiligte, die einen Mangel an Studierenden verneinen und beispielsweise eine Studienplatzerhöhung ablehnen würden, so Hilpold. Erst am Donnerstag hatte der Rektor der Medizinischen Universität Innsbruck gemeint, dass die Zahl der Studierenden „ausreichend“ sei. Die Frage sei vielmehr, wie man sie zu den richtigen Stellen bringe.

Die ebenfalls ins Spiel gebrachte Tätigkeitsverpflichtung deutete Hilpold entschieden als EU-rechtswidrig. „Dann hätten wir praktisch keinen freien Hochschulzugang und keine Freizügigkeit der studierenden Unionsbürger mehr“, warnte er. Einen Fachkräftemangel könnte man dann ja auch auf andere Fächer ausweiten, schließlich gebe es etwa in vielen MINT-Fächern zu wenige Absolventen – und diese Branchen seien auch für eine funktionierende Volkswirtschaft essenziell.

Hilpold brach vielmehr eine Lanze für die aktuell geltende Quote, die von Belgien erkämpft worden war, nachdem der EuGH die in Österreich geltenden Bestimmungen als diskriminierend bewertet hatte. Ursprünglich wurden nämlich die gleichen Zugangsvoraussetzungen wie im Heimatland der Studierenden verlangt. Mit der Quotenregelung stehen 75 Prozent der Studienplätze österreichischen Maturanten zur Verfügung, 20 Prozent werden an Unionsbürger und fünf Prozent an Personen aus Drittländern vergeben. Der EU-Rechtler erinnerte daran, dass Österreicher in jedem Quotenbereich sich um einen Platz bewerben können. Vorstellen konnte sich der Jurist aber, dass „bei einem massiven Ungleichgewicht“ die Verhandlungen um Ausgleichszahlungen mit Deutschland wieder aufgenommen werden – allerdings müsse man sich eingestehen, dass eine „punktgenaue“ Gegenrechnung nicht funktioniere. Es brauche hier ein „gewisses Maß an Solidarität im europäischen Hochschulraum“.

Ein europäisches Problem – kein österreichisches

Mikl-Leitner hatte außerdem mit einer Auswertung der Statistik Austria argumentiert, wonach drei Viertel der deutschen Medizinstudierenden drei Jahre nach Beendigung des Studiums das Land wieder verlassen würden. Aber nachdem dies sich innerhalb der „20-Prozent-Quote“ abspielen würde, sei es ohnehin nur ein ganz kleiner Teil der Absolventen, entgegnete Hilpold.

Nehammer verwies übrigens am Donnerstag indes auf Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP), der angekündigt hatte, die Angelegenheit prüfen zu wollen. Der Kanzler sprach sich hinsichtlich der Verbesserung der medizinischen Versorgung für eine „Paketlösung“ aus, das Vorgehen gegen „Numerus-Clausus-Flüchtlinge“ könnte dabei nur ein Teil sein, hielt er fest. Vonseiten des Landes Niederösterreich bekräftigte Landesrat Ludwig Schleritzko (ÖVP) die Forderung Mikl-Leitners am Sonntag in einer Aussendung. Die Ausgangslage habe sich seit dem Jahr 2005 geändert. „Wir haben in ganz Europa und auch in Österreich einen akuten Ärztemangel, der sich in den kommenden Jahren noch weiter verschärfen wird.

Gleichzeitig ist Fakt, dass wir in Österreich in Summe über zu wenige Ausbildungsplätze verfügen und darüber hinaus Medizinerinnen und Mediziner ausbilden, die zum Großteil innerhalb weniger Jahre nach ihrem Studienabschluss abwandern und somit in unseren Kliniken als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fehlen“, erklärte der für die Spitäler zuständige Landesrat. Daher sei es „legitim zu fordern, dass für Medizinstudierende aus dem Ausland bei uns die gleichen Zulassungsvoraussetzungen gelten sollen wie in ihrem Heimatland“.

(APA/red.)

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