Eine von Tirols Arbeiterkammer (AK) in Auftrag gegebene Studie zu den Arbeitsbedingungen und -belastungen im Gesundheits- und Sozialbereich hat einen für AK-Chef Erwin Zangerl „alarmierenden“ Befund ergeben. Der Personalmangel wird von rund 60 Prozent der Beschäftigten als sehr belastend empfunden, im Jahr 2014 waren es noch 37 Prozent gewesen. Die Personaloffensive des Landes war für tirol kliniken-Betriebsratschefin Birgit Seidl nur „ein Tropfen auf den heißen Stein“.
Bei der umfangreichen Befragung nahmen 4.000 Beschäftigte teil – für den schwarzen AK-Präsidenten Zangerl ein Zeichen, dass die „Frustration zunimmt“, wie er am Dienstag bei einer Pressekonferenz in Innsbruck sagte: „Viele haben das Gefühl, man hat sie vergessen“. „Erschreckend“ sei, dass 58 Prozent gelegentlich an einen Berufsausstieg denken. Das „zweite Alarmsignal“ sei, dass rund 30 Prozent im Bedarfsfall „nicht im eigenen Betrieb versorgt werden“ wollen.
„Die psychischen und physischen Belastungen sind generell sehr hoch“, zog Daniela Russinger vom AK-Referat für Gesundheit und Pflege einen Vergleich zu einer Studie aus dem Jahr 2014. „Die körperlichen Belastungen haben sich verdoppelt“ und bei den psychischen Belastungen habe sich „nichts verbessert“, verdeutlichte sie. Zudem blicken 70 Prozent der Betroffenen „mit Pessimismus“ in die Zukunft. Dies würde eine „negative Spirale“ auslösen und einen „Jobwechsel wahrscheinlicher“ machen, gab Robert Senn, Betriebsratsvorsitzender der Innsbrucker Soziale Dienste (ISD), zu bedenken.
Die durch den Personalmangel entstandene „Dienstplanunsicherheit“ mache einen Gesundheits- und Sozialberuf insbesondere für junge Menschen wenig attraktiv, erklärte Senn. Aus der Studie ging indes hervor, dass 91 Prozent nicht mehr Stunden arbeiten wollen, „weil sie ohnehin mehr arbeiten“, beschrieb Klinik-Betriebsratschefin Seidl die Situation, wonach häufiges Einspringen auf der Tagesordnung stehe. Zudem gingen 67 Prozent im vergangenen Jahr krank arbeiten – meist aus Verantwortungsgefühl der Kollegenschaft sowie den Patientinnen und Patienten gegenüber.
„Ohne Ressourcen wird man das Problem nicht lösen“, resümierte Zangerl. Gesundheitsbezogene Steuern – wie etwa die Tabaksteuer oder eine etwaige Zuckersteuer – sollten zweckgebunden an das Gesundheitssystem gehen, forderte er und verwies auch auf Verhandlungen mit dem Land Tirol. Bereits im Jahr 2021 habe man Handlungsempfehlungen formuliert. Zangerl hatte damals aber laut eigenen Angaben den Eindruck: „Wir haben das vorne bei der Tür hineingetragen, und hinten ist es an die Abteilung Altpapier wahrscheinlich weitergeleitet worden.“ Die Landesregierung aus ÖVP und SPÖ sei hier „leider nicht am Ball geblieben“. Von der Landesregierung angekündigte Maßnahmen wie die Evaluierung der Gehaltsschemata sowie eine Ausbildungsoffensive müssten „in die praktische Umsetzung kommen“, sah der AK-Chef einen „Gap“ zwischen „Theorie und Praxis“.
Seidl lobte die Personaloffensive zwar, die es in diesem Ausmaß zuvor „noch nie gegeben“ habe – dennoch sei es zu wenig. Zudem gelte es sicherzustellen, dass die Beschäftigten auch „im Beruf“ bleiben. „Verschlafen haben es die Generationen vorher“, meinte auch Senn. Dass die Babyboomer nun in Pension gehen, sei schließlich keine Überraschung.
Bei den anstehenden Kollektivvertragsverhandlungen müsse indes für Zangerl sichergestellt werden, dass man nicht mit Bonuszahlungen abgespeist werde. „Eine ordentliche Lohnerhöhung wäre gescheiter“, hielt der Arbeiterkammerpräsident fest. Der Pflegezuschuss bzw. Pflegebonus habe indes ob der unterschiedlichen Anspruchsberechtigungen „zu keiner guten Stimmung“ geführt. Dies sei auch in der Studie bestätigt worden. Insgesamt zeigte sich der AK-Chef aber „optimistisch, dass sich was zum Besseren wendet“. Auch Senn fand, dass mittlerweile intensiv auf die Problematik „hingeschaut“ werde.
(APA/red.)