HerzMobil als nationales telemedizinisches Versorgungsprogramm für Patient:innen mit Herzinsuffizienz

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Autor: Dalia Hämmerle
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In Österreich werden jährlich mehr als 14.000 Todesfälle aufgrund einer Herzinsuffizienz verzeichnet und 24.000 Hospitalisierungen. Etwa 3 % der Gesamtbevölkerung in Österreich leiden an einer Herzinsuffizienz, wobei die Inzidenz mit dem Alter deutlich zunimmt.

Besonders innerhalb der ersten sechs Monate nach der Entlassung aus dem stationären Bereich besteht ein höheres Risiko für eine Rehospitalisierung. Hospitalisierungen verschlechtern nicht nur die Prognose der Patient:innen, sondern führen auch zu erheblichen Kosten für das Gesundheitssystem. Ausschlaggebend hierfür sind mitunter die fehlende Therapieoptimierung nach Entlassung aus dem stationären Setting, eine unzureichende Medikamenteneinnahme einhergehend mit einer passiven Rolle der Patient:innen, das Nicht-Erkennen einer neuerlichen Verschlechterung der Erkrankung sowie Kommunikationslücken zwischen den verschiedenen Versorgungseinheiten im intra- und extramuralen Bereich.

Integriertes Versorgungsprogramm HerzMobil in Anwendung

HerzMobil ist ein telemedizinisches und telepflegerisches Disease-Management Programm für Patient:innen mit Herzschwäche. Die Software-Lösung wurde von der AIT Austrian Institute of Technology GmbH entwickelt und wird von telbiomed in der Regelversorgung serviciert [REF 1]. Vor zehn Jahren startete Tirol (Tirol Kliniken GmbH, LIV Landesinstitut für integrierte Versorgung Tirol) als erstes Bundesland mit HerzMobil, in der Steiermark wurde das Vorsorgeprogramm 2019 vom Gesundheitsfonds Steiermark initiert  (Umsetzung durch die Steiermärkische Krankenanstaltengesellschaft m.b.H) und ist zwischenzeitlich steiermarkweit ausgerollt. Seit 2022 profitieren auch betroffene Kärntner:innen (Landeskrankenanstalten-Betriebsgesellschaft – KABEG) davon und 2024 starteten nun auch die Bundesländer Niederösterreich (Universitätsklinikum Wiener Neustadt) und Salzburg (AVOS – Gesellschaft für Vorsorgemedizin GmbH).  Mehr als 2.000 Patient:innen wurden in den letzten drei Jahren im HerzMobil-Versorgungsprogramm betreut.

Ziele von HerzMobil sind eine nachhaltige Stabilisierung der Erkrankung, Optimierung der medikamentösen Therapie sowie die Verbesserung der Gesundheitskompetenz für eine nachhaltig bessere Lebensqualität der Patient:innen und deren Angehörige. Es wurde dafür das HerzMobil-4-Säulenmodell bestehend aus (1) Schulung, (2) tägliches Monitoring, (3) bedarfsgerechte, zeitnahe Therapieführung und (4) HerzMobil-Netzwerkkommunikation entwickelt.

Durch das tägliche Telemonitoring von medizinischen Werten (Blutdruck, Puls, Gewicht, Wohlbefinden) und durch schrittweise telemedizinische Anpassungen der medikamentösen Therapie können Krankenhausaufnahmen vermieden, der stationäre Sektor entlastet und die Gesundheitsausgaben sowie die Mortalität nachweislich reduziert werden.

HerzMobil ist einfach und effizient zugleich: Die Patient:innen übermitteln mittels Smartphone-App die Vitaldaten an ein zentrales Datenmanagement System. Eine automatisierte Datenanalyse mit dem Medizinprodukt KITMed bietet eine Grenzwertkontrolle und Entscheidungsunterstützung für Ärzte und Pflegefachkräfte und erlaubt bei Bedarf eine zeitnahe Therapieanpassung.

Best Practice Beispiel HerzMobil

Der Nutzen von HerzMobil konnte bereits durch zahlreiche Evaluierungen nachgewiesen werden. Die Ergebnisse einer retrospektiven Analyse von Dr. Gerhard Pölzl und dem Team rund um HerzMobil Tirol zeigten bei einer Beobachtungsdauer von einem Jahr bei Herzschwäche Patient:innen eine 61 % niedrigere jährliche Sterbehäufigkeit und eine 34 % niedrigere Wiederaufnahmerate im Vergleich zur Standardversorgung [Ref 2]. Laut einer nachfolgenden Kosteneffizienzstudie aus dem Jahr 2022 ergibt die Sensitivitätsanalyse eine Erhöhung der krankenhausfreien Tage und im Mittel eine Reduktion der jährlichen Gesamtkosten für alle teilnehmenden Patient:innen [Ref 3].

Für eine flächendeckende nationale Ausrollung von HerzMobil sind nicht nur die gesundheitsökonomischen Aspekte erwähnenswert, sondern auch die Verbesserung der Selbstbefähigung der Patient:innen im Umgang mit der Erkrankung und der daraus resultierenden Verbesserung der Lebensqualität. Laut einer Evaluierung der Steiermärkischen Krankenanstaltengesellschaft m.b.H sind über 95 % der Patient:innen zufrieden und würden das Programm weiterempfehlen [Ref 4].

HerzMobil wird derzeit in Tirol, Steiermark und Kärnten von den jeweiligen regionalen Gesundheitsfonds und der Sozialversicherung finanziert und die jeweilige Etablierung des Versorgungsprogramms individuell angepasst an die lokalen Gegebenheiten mit jedem Bundesland abgestimmt durchgeführt.  Durch die Anwendung des Programms in der Regelversorgung steigen die Erfahrungswerte und auch der nachgewiesene Nutzen, belegt durch zahlreiche Studien und Evaluierungen, weshalb HerzMobil sich immer mehr als potenzielles telemedizinisches Versorgungsprogramm für Patient:innen mit einer Herzschwäche und den flächendeckenden Einsatz in Österreich etabliert.

Telemonitoring Episodenbericht für ELGA

Mit dem Ausbau des Versorgungsprogramms ergeben sich zahlreiche weitere Möglichkeiten. Um den Stand der Technik gerecht zu bleiben, wird das System kontinuierlich weiterentwickelt. Seit 2022 können die Telemonitoring-Daten mittels Telemonitoring Episodenbericht in die elektronische Gesundheitsakte (ELGA) eingemeldet werden. Der Episodenbericht bietet über das ELGA-Portal nicht nur allen Gesundheitsdiensteanbietern (GDA), sondern auch den Patient:innen selbst Einsicht und Zugriff auf die erhobenen Telemonitoring-Daten. Der Episodenbericht enthält als einziges ELGA Dokument 100 % strukturierte Daten.

Gesundheitsdatenraum d4Health

Durch den Einsatz von HerzMobil werden Daten generiert, die die Basis für einen Gesundheitsdatenraum schaffen. Über einen von AIT entwickelte Datenknotentechnologie können Daten aus unterschiedlichen Datenquellen (zB KIS-Systeme, HerzMobil-Systeme) zusammengeführt und in einen Gesundheitsdatenraum integriert werden, um diese für Forschungsfragestellungen nutzen zu können. Die Plattform kann auch als Ankerpunkt für Smart Services dienen, die Predictive Analytics und Entscheidungsunterstützung unter Verwendung moderner KI-Methoden ermöglichen. Be- und entstehende eHealth Standards und Infrastrukturen werden berücksichtigt, um die Interoperabilität zu gewährleisten. In dem FFG-Leitprojekt „Smartfox“, bei dem viele wichtige Partner aus dem österreichischen Gesundheitswesen mitwirken, werden unter der Leitung vom AIT zentrale Fragestellungen und wesentliche Bausteine für die zukünftige Nutzung erarbeitet [REF 5]. Damit kann für Österreich eine Basis für evidenzbasierte Forschung geschaffen werden, um ein besseres Verständnis für Krankheitsbilder zu erhalten, Diagnosen zu beschleunigen und maßgeschneiderte individuelle Therapieprogramme für Patient*innen zu ermöglichen.

Ländertreffen HerzMobil

Am 3. Juni 2024 hat zum dritten Mal das HerzMobil Ländertreffen stattgefunden und ist auch bereits für 2025 in Planung. Expert:innen aller beteiligten Bundesländer treffen sich zu einem länderübergreifenden Austausch, bei dem die neusten Ergebnisse und Erfahrungen zu HerzMobil erörtert werden. Mit diesen jährlichen Treffen wächst der Austausch innerhalb des österreichweiten HerzMobil-Netzwerkes und ermöglicht eine nachhaltige Etablierung der Versorgungsprogramme, welche wiederum der Versorgungsqualität der Patient:innen zugutekommt.

Mit den vorliegenden Ergebnissen aus medizinischen und gesundheitsökonomischen Studien und der strukturierten Anbindung an ELGA stellt HerzMobil die Basis für ein österreichweites Disease Management Programm zur Versorgung von Patient:innen mit Herzinsuffizienz in Österreich dar.

Dalia Hämmerle, MSc
eHealth engineer
Telbiomed Medizintechnik und IT Service GmbH

Dalia Hämmerle absolvierte den Bachelor- und Masterstudiengang eHealth an der
FH Joanneum und arbeitet seit Anfang 2022 im Telbiomed-Team in Graz. Ihr vielseitiger Arbeitsbereich erstreckt sich vom HelpDesk für die AnwenderInnen über die Konzipierung neuer Anwendungsfälle bis hin zum Software-Lifecycle Management des TBM CareManagers in enger Abstimmung mit dem R&D-Team der AIT Austrian Institute of Technology.

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