Eine Sache von Bildung und Geld

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Autor: Scho

Der Aufbau des Wohlfahrtsstaates sollte auch Diskriminierungen in Sachen Gesundheit beseitigen. Doch bei allen Bemühungen ist sie offenbar noch immer von Bildung und Geld abhängig. Das belegen neue Generationen-übergreifende Daten zu Adipositas aus Deutschland bzw. zur Krebssterblichkeit in Großbritannien. Dort unterscheidet sich die Krebsmortalität zwischen Arm und Reich dramatisch.

Die soziale Herkunft kann über Jahrzehnte und Generationen hinweg einen Einfluss haben. Erst vor einigen Wochen veröffentlichte das deutsche Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) eine neue Studie. Die Analysen belegen einen massiven Einfluss des Bildungsstatus der Eltern auf die Gewichtsentwicklung ihrer Kinder bis in deren Erwachsenenalter. „So hat fast die Hälfte der Befragten im Alter zwischen 18 und 50 Jahren, deren Eltern kein Abitur (Matura; Anm.) haben, einen Body-Mass-Index von über 25 und gilt damit als übergewichtig. Bei Personen, deren Eltern beide das Abitur haben, beträgt der Anteil der Übergewichtigen nur knapp ein Drittel“, teilte das Institut mit.

Groß seien auch die Unterschiede in der Eigenbeurteilung des Gesundheitszustandes, so die deutschen Experten: „Gleichzeitig fühlen sich Menschen aus einem gebildeten Elternhaus gesünder: 77 Prozent beurteilen ihren eigenen Gesundheitszustand als gut oder sehr gut, bei Kindern von Eltern ohne Abitur sind es mit 66 Prozent weniger.“

Höhere Einkommen in körperlich weniger beanspruchenden Tätigkeiten

Für diese Ungleichheiten in Sachen Gesundheit werden mehrere Faktoren verantwortlich gemacht. Zunächst erzielen Kinder aus gebildeteren Familien häufig bessere Bildungsergebnisse sowie höhere Einkommen in körperlich weniger beanspruchenden Tätigkeiten, was bereits zu einer besseren Gesundheit beitragen kann. Zusätzlich unterscheide sich mit dem Bildungsstand der Eltern auch das soziale Umfeld, in dem Kinder aufwüchsen und durch gesundheitsbezogene Lebensweisen geprägt würden. Bessere Ernährungs- und Bewegungsgewohnheiten, die in der Familie und dem Umfeld mitgeprägt werden, könnten bis ins Erwachsenenalter positiv nachwirken, führten die Fachleute aus.

Die soziale Herkunft kann jedenfalls buchstäblich lebenslang – bis zum Tod – ihre Effekte haben. Mara Barschkett, Co-Autorin der Analyse der staatlichen deutschen Demografie-Forscher: „Langfristig wird sich die schlechtere gesundheitliche Verfassung (von Menschen aus sozial schlechter gestelltem Elternhaus; Anm.) in einer geringeren Lebenserwartung ausdrücken.“

Britische Studie: „Erstaunliche Ungleichheit“

Vor zwei Wochen brachte „Lancet Oncology“ eine Studie mit ganz ähnlichen Ergebnissen, allerdings zur Krebssterblichkeit nach den regionalen Einkommensunterschieden in Großbritannien, heraus. In Großbritannien war das in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg etablierte staatliche Gesundheitswesen (National Health Service; NHS) jahrzehntelang hoch angesehen und sollte gleichen Zugang zur medizinischen Versorgung und gleiche Chancen für alle herstellen. In einem über die alle britischen Regionen hinweg ähnlichen Status in Sachen Krebs endete das bisher offenbar nicht.

„Obwohl unsere Untersuchung die gute Nachricht umfasst, dass die Krebsmortalität über alle britischen Bezirke hinweg in den vergangenen 20 Jahren abgenommen hat, wirft sie trotzdem ein Schlaglicht auf die erstaunliche Ungleichheit in der Krebssterblichkeit nach dem jeweiligen Wohnort“, erklärte Majid Ezzati vom Imperial College in London zu seiner Studie. In Großbritannien ist Krebs die häufigste Todesursache und hat mittlerweile bereits die Herz-Kreislauf-Erkrankungen überholt. Die Wissenschafter analysierten die Sterbestatistiken für die Jahre 2002 bis 2019 nach den zehn Krebsarten mit den meisten Sterbefällen bei Männern und Frauen. Das erfolgte für alle 314 Bezirke des Landes.

Eindeutig: Das höchste Krebs-Sterberisiko hatten im Jahr 2019 die Menschen in den einkommensschwächsten Regionen Großbritanniens in und um Liverpool, Manchester, Hull/Newcastle und östlich von London. „Das Risiko, im Alter unter 80 Jahren an Krebs zu sterben, lag bei einer von zehn Frauen in Westminster (London mit Regierungsviertel; Anm.) und einer von sechs Frauen in Manchester“, schrieb ‚Lancet Oncology“.

Unter den unter 80-jährigen Männern starb 2019 einer von acht in Harrow (Stadt im Nordwesten Londons; Anm.) und einer von fünf in Manchester, so die Studienergebnisse. „Das Krebs-Sterberisiko war mit Armut bei beiden Geschlechtern assoziiert. Die größte Ungleichheit über die Regionen hinweg wurde bei den Krebsarten mit Risikofaktoren wie Rauchen, Alkohol oder Adipositas beobachtet. Sie könnten verhindert oder mittels Screeningprogrammen frühzeitig erkannt werden“, stellte das weltweit angesehene Medizinjournal fest.

(APA/red.)

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