Seit Wochen sind in Österreich die bewährtesten Breitband-Antibiotikasäfte für Kinder nicht verfügbar. Im März werden sie auch nicht mehr geliefert, berichtete Apothekerkammer-Präsidentin Ulrike Mursch-Edlmayr im APA-Gespräch. Sie forderte die Republik auf, Rohstoff im Ausland zu kaufen, damit die Apotheken die Mittel selbst herstellen können. Dem erteilte das zuständige Gesundheitsministerium prompt eine Absage.
„Der Vorschlag der Apothekerkammer ist aus Sicht des Gesundheitsministeriums kurzfristig leider nicht umsetzbar. Es fehlt die gesetzliche Grundlage, damit der Bund Wirkstoffe ankauft. Zudem sichern sich in der Regel die Arzneimittelhersteller die am Markt verfügbaren Wirkstoffe für die eigene Produktion. Dort erfolgt auch die nötige Qualitätssicherung, also die Prüfung der Wirkstoffe auf Reinheit, damit dann Medikamente hergestellt werden können. Eine kurzfristige Änderung dieses Systems von heute auf morgen ist daher nicht möglich bzw. zielführend“, teilte das Ministerium in einem Statement mit.
In Österreich fehle die Möglichkeit der Wirkstoffverschreibung. „Österreich ist derzeit das einzige europäische Land, in dem es weder eine gesetzlich geregelte Wirkstoffverschreibung noch eine Arzneimittelsubstitution gibt. Diese auch in Österreich umzusetzen, ist seit 2019 bereits ein Anliegen des Gesundheitsministeriums“, heißt es in der Stellungnahme am Mittwoch und somit vier Jahre nachdem das Vorhaben gestartet wurde. Es wurde vom Ministerium versichert, dass gemeinsam mit sämtlichen Stakeholdern Lösungsvorschläge erarbeitet werden, um derartige Lieferengpässe künftig entgegenzuwirken. Insbesondere sollen Medikamentenreserven erhöht werden.
Laut Mursch-Edlmayr hat sich der Lieferengpass bei bestimmten Medikamenten für Kinder noch einmal verschärft.
Laut Mursch-Edlmayr haben derzeit weder Großhandel, noch Apotheken Vorräte, außerdem gibt es Wartelisten für Kinder und Erwachsene mit mehr als 23.000 Packungen. Damit hat sich der seit Herbst besonders akute Lieferengpass bei bestimmten Medikamenten noch einmal bei Antibiotika für Kinder verschärft. 2019 seien in Österreich etwa 130.000 Packungen an Kinder-Antibiotikasäften verbraucht worden, im Jahr 2022 wurden rund 80.000 Packungen abgegeben, mehr standen nicht zur Verfügung. „Wir haben es nicht einmal geschafft, den Jahresbedarf von vor der Pandemie zu decken“, sagte Mursch-Edlmayr.
Herstellung von Antibiotikasäften in „Magistraler Rezeptur“?
„Wir wissen, es gibt Rohstoff am Markt zur Zeit und wir wissen genau, wie viel Rohstoff wir brauchen für diese Produkte“, betonte die Apothekerkammer-Präsidentin. Die Kammer habe dem Gesundheitsministerium angeboten, diese Produkte in den Apotheken frisch zuzubereiten – in sogenannter Magistraler Rezeptur. Für die Rohstoffbeschaffung im Ausland müsse die Republik eine Abnahmegarantie geben und die Finanzierung sichern, erläuterte Mursch-Edlmayr. Der heimische Großhandel könne dann für die Verteilung auf Apotheken in ganz Österreich sorgen. Für die Patientinnen und Patienten bzw. in dem Fall die Eltern falle für die in Apotheken hergestellten Mittel nur die Rezeptgebühr an.
„Das wird von unserer Seite natürlich völlig unterstützt, dass man die Rohsubstanzen kauft“, sagte der Generalsekretär der Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ), Reinhold Kerbl. Dann könnten die Mittel in allen Apotheken in Österreich in gleicher Rezeptur sicher hergestellt werden. Gewisse Antibiotika gebe es noch, aber die seit vielen Jahrzehnten bewährtesten, die am wenigsten Resistenzen verursachen, „die gibt es seit Wochen nicht“, sagte der im LKH Leoben tätige Kinderarzt, insbesondere in den kindergerechten Dosierungen. Das sei „bedrohlich und eine Gefahr für die Betroffenen“. Es gibt auch Beispiele wo Kinder über große Distanzen für Infusionen in Spitäler geschickt werden, weil es das orale Antibiotikum nicht gibt.
Welle an Streptokokken-Infektionen
Dabei geht es „eigentlich um alle Erkrankungen, die mit Antibiotika zu behandeln sind“, wie Ohren- und Lungenentzündungen sowie aktuell „eine richtige Welle von Streptokokken-Infektionen“, berichtete Kerbl. Penicillin-Medikamente seien nicht verfügbar und es müsse zu anderen gegriffen werden, die Resistenzen verursachen und die „natürlich auch schon knapp“ werden. „So etwas hat es, soweit ich mich erinnern kann, noch nicht gegeben“, sagte der Facharzt. In den vergangenen zwei Jahren waren durch die Corona-Maßnahmen weniger von diesen Infektionen aufgetreten und jetzt ist die Situation „nicht ganz unerwartet wieder normal“ bzw. gebe es sogar zusätzlich einen Catch-Up-Effekt.
„Wir fordern ganz klar Rohstofflager in Österreich“, sagte Mursch-Edlmayr. Dann könnten einerseits Kinder-Antibiotikasäfte produziert werden, aber auch Medikamente für Erwachsene, wenn Bedarf besteht. Das Problem der Lieferengpässe wird uns noch weiter begleiten und die Rohstoffe haben eine lange Haltbarkeit, betonte die Präsidentin in dem Gespräch am Rande der Fortbildungstagung der Österreichischen Apothekerkammer in Schladming. Bei dieser ging es u.a. auch um die Magistrale Zubereitung von Augentropfen. „Die produzieren wir standardmäßig, aber auch wenn es Verknappung gibt“, erläuterte Mursch-Edlmayr. Auf dem Kongress wurden diesbezüglich die neuesten Leitlinien vorgestellt, die von der Ophthalmologischen Gesellschaft (ÖOG, Vereinigung der Augenärzte) und der Apothekerkammer gemeinsam erarbeitet wurden.
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(APA/red.)