Die Förderung für die 24-Stunden-Betreuung von Pflegebedürftigen daheim wird neuerlich angehoben. Ab Herbst soll es um 160 Euro mehr geben – statt 640 Euro also 800 Euro, sofern zwei selbstständige Personenbetreuer zum Einsatz kommen. Werden die Betreuer angestellt, gibt es statt 1.280 Euro dann 1.600 Euro. Das hat die Regierung beschlossen, wie Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) und ÖVP-Klubobmann August Wöginger im Pressefoyer nach dem Ministerrat mitteilten.
Die Förderung soll laut Regierungsangaben „schnellstmöglich, spätestens ab 1. September“ angehoben werden. Für 2023 übernimmt der Bund die Kosten von 23 Millionen Euro. Ab 2024 soll eine Übernahme in die Regelfinanzierung erfolgen (60 Prozent Bund, 40 Prozent Länder).
Darüber hinaus wurden weitere Verbesserungen für Angehörige und Personal beschlossen. Mit dem von der Regierung als „zweiten Teil“ der Pflegereform bezeichneten Paket gehe es vor allem darum, „strukturelle Verbesserungen für alle Pflegenden zustande zu bekommen“, sagte Rauch im Anschluss an die Regierungssitzung. Insgesamt umfasse das Paket 18 Maßnahmen, für die die Regierung 120 Millionen Euro bis zum Ende der Legislaturperiode zur Verfügung stellt.
Erleichterungen bei der Nostrifikation
So werden die im Rahmen der Pflegereform bereits angekündigten Erleichterungen bei Nostrifikationen nun umgesetzt. Damit werden im Ausland erworbene Qualifikationen für Pflegekräfte einfacher und schneller anerkannt. Künftig werden bei ausländischen Pflegekräften Gesamtqualifikation und Berufserfahrung beurteilt und nicht mehr das Stundenausmaß der Fächer in der Ausbildung. Die Regierung will außerdem ihre Bemühungen „massiv verstärken, aktiv Pflegekräfte aus dem Ausland – auch aus dem außereuropäischen Ausland – anzuwerben“, sagte Rauch.
Das Pflegepaket bringt auch mehr Mittel für die Arbeitsmarktintegration von Migrantinnen und Migranten im Pflegebereich. Die zusätzlichen Mittel in Höhe von einer Million Euro sollen vor allem Projekten wie „migrants care“ zugutekommen, die Migrantinnen und Migranten durch Beratung sowie fachsprachlichen und fachspezifischen Unterricht auf Ausbildungen im Pflege- und Betreuungsbereich vorbereiten, teilte Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) in einer Aussendung mit.
Auch soll es laut Regierungsangaben Pflegekräften künftig möglich sein, Ersteinstufungen fürs Pflegegeld vorzunehmen. Ziel ist es, die Wartezeit auf das Pflegegeld zu verkürzen. Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerinnen- und -pfleger dürfen zudem Medizinprodukte, wie zum Beispiel Inkontinenzbedarf, nicht nur weiter- sondern auch erstmalig verordnen. „Das ist eine wesentliche Erleichterung, weil der Schritt über den Arzt oder die Ärztin nicht mehr notwendig ist“, sagte Rauch.
Verbesserung bei Kinder-Rehabilitation
Ebenfalls im Programm ist eine Verbesserung bei Kinder-Rehabilitation: Hier soll es künftig einen Rechtsanspruch auf Begleitung durch die Eltern geben.
Selbstständige 24-Stunden-Betreuerinnen dürfen außerdem künftig bis zu drei Personen in einem privaten Haushalt betreuen, auch wenn diese nicht in einem Verwandtschaftsverhältnis stehen. Diese Teilbarkeit soll es Menschen erleichtern, im Alter zusammenzuziehen, auch wenn sie nicht verwandt wird, sagte Wöginger.
„Es hat noch keine Legislaturperiode gegeben, wo so viel in der Pflege weitergebracht wurde wie in diesem letzten Jahr“, zeigte sich Wöginger zufrieden. Alle Punkte des ersten Teils der Pflegereform seien bereits umgesetzt oder in Umsetzung, nun folge knapp ein Jahr später „das zweite große Paket zum Themenbereich Pflege“.
Bereits vor zwei Wochen hat die Regierung eine Erweiterung des Angehörigenbonus in den Sozialausschuss des Parlaments eingebracht. Anspruch haben damit auch Angehörige, die nicht in einem gemeinsamen Haushalt mit der pflegebedürftigen Person leben. Neben der Ausweitung des Angehörigenbonus soll auch die Pflegelehre bereits diese Woche im Nationalrat beschlossen werden.
Mit den präsentierten Maßnahmen sei es in puncto Pflege aber nicht getan, versicherte Rauch. „Im nächsten Schritt geht es darum, über den Finanzausgleich eine langfristige Absicherung der Finanzierung und der Maßnahmen hinzubekommen.“ Er sei zuversichtlich, dass das möglich sei.
Gemischte Reaktionen
Die Ankündigungen riefen gemischte Reaktionen hervor. NEOS-Pflegesprecherin Fiona Fiedler übte Kritik am Angehörigenbonus, da Pflege „keine Privatsache“ sei. Der richtige Weg wäre ein Ausbau der mobilen Pflege, befand sie in einer Aussendung. FPÖ-Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch begrüßte zwar, dass es für pflegende Angehörige mehr Geld geben soll. Allerdings betonte auch sie, dass man nicht „beinahe die gesamte Last der Verantwortung auf die Angehörigen abschieben und dann lediglich Brosamen verteilen“ dürfe. Wiens Sozialstadtrat Peter Hacker (SPÖ) freute sich über die Erweiterung der Kompetenzen für Pflegekräfte und die Vereinfachungen bei den Nostrifikationen. Auch er forderte weitere Schritte.
Volkshilfe-Präsident Ewald Sacher begrüßte die Maßnahmen ebenfalls, sprach sich aber dafür aus, mehr Steuergeld zur Finanzierung der Pflege aufzuwenden. Auch die Sozialwirtschaft Österreich (SWÖ) bewertete das Paket als grundsätzlich positiv, sah aber weitere Schritte für die Lösung des Personalengpasses als notwendig an.
Die Direktorin der Diakonie, Maria Katharina Moser, wertete die Maßnahmen zwar als „positives Zeichen, dass die Pflege auf der politischen Tagesordnung steht“, betonte aber, dass das Pflegesystem grundlegend neu gedacht werden müsse. „Sinnvolle weitere Maßnahmen, aber keine Pflegereform Teil II“ sah auch Caritas- Präsident Michael Landau. Neben „Einzelmaßnahmen und Nachbesserungen“ brauche es dringend eine strukturelle Pflegereform.
Ingrid Reischl, Leitende Sekretärin des ÖGB, begrüßte zwar „einige gute Schritte“, vermisste aber konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Die Regierung sei nicht bereit, die Arbeit für 24-Stunden-Betreuerinnen zu attraktivieren und gesetzliche Hürden aus dem Weg zu räumen, kritisierte auch Christoph Lipinski von der gewerkschaftlichen Initiative vidaflex.
Ebenfalls enttäuscht zeigte sich Peter Kostelka, Präsident des Pensionistenverbands, dem die Erhöhung der Förderung für die 24-Stunden-Betreuung auf 800 Euro zu wenig ist. Er sprach sich für eine Anhebung auf 1.100 Euro und eine jährliche Inflationsanpassung aus. Seniorenbund-Präsidentin Ingrid Korosec begrüßte die „wichtigen und richtigen Maßnahmen“ dagegen. Sie erwarte sich eine rasche Umsetzung, betonte sie in einer Aussendung.
Die Wirtschaftskammer sah „einige dringende Forderungen“ erfüllt. „Diese Verbesserungen sind erste wichtige Schritte, um die besten Betreuungskräfte in Österreich halten zu können“, hielt Andreas Herz, Obmann des Fachverbands Personenbetreuung, in einer Aussendung fest.
(APA/red.)