Zweite Jahrestagung des DNGK am 6. und 7. Juni 2024 an der Hochschule Fulda: Einrichtungen, mit denen Bürgerinnen und Bürger oder Patientinnen und Patienten im Zusammenhang mit Gesundheitsfragen und -entscheidungen in Kontakt kommen, haben eine besondere Verantwortung. Ein wichtiger Teil ihrer Aufgabe ist es, die Gesundheitskompetenz ihrer Adressaten zu fördern und Rahmenbedingungen zu schaffen, die es den Menschen ermöglichen, Informationen und Dienstleistungen zu finden, diese für sich gut zu nutzen und informierte Gesundheitsentscheidungen zu treffen. Diese Verantwortung wird bislang in Deutschland nur zögerlich diskutiert und so das große Potenzial von Gesundheitskompetenz für die Gesellschaft daher nicht voll ausgeschöpft.
Wie der aktuelle Stand der Umsetzung in den Einrichtungen der Gesundheitsversorgung, in Bildungs- und Erziehungseinrichtungen oder in den Kommunen ist und welche Konzepte sich hier eignen, ist Gegenstand der 2. Jahrestagung des Deutschen Netzwerks Gesundheitskompetenz (DNGK) am 6. und 7. Juni 2024 an der Hochschule Fulda. Die Veranstaltung wird in Kooperation mit dem Public Health Zentrum Fulda (PHZF), dem Nationalen Aktionsplan Gesundheitskompetenz und der Allianz für Gesundheitskompetenz in der Schule durchgeführt. Die Tagung dient dem Austausch von wissenschaftlichen und praktischen Erfahrungen zur Gesundheitskompetenz und soll Aktive und Interessierte zusammenbringen.
Gesundheitskompetenz fasst die individuellen Fähigkeiten von Menschen zusammen, die ihnen beim Finden, Verstehen, Beurteilen und Anwenden von Gesundheitsinformationen und -dienstleistungen helfen. Im Sinne des Tagungsmottos umfasst Gesundheitskompetenz aber weit mehr als nur das Gesundheitswissen, die Motivation und Fähigkeiten von Menschen, die ihnen ermöglichen, für sich selbst angemessene Gesundheitsentscheidungen treffen zu können. Die Verantwortung hierfür liegt nicht nur bei den Menschen selbst, sondern vor allem bei den Systemen, wie den Erziehungs- und Bildungssettings oder dem Gesundheitssystem. Schließlich hängt das Ausmaß der personalen Gesundheitskompetenz von der jeweiligen Situation, dem Anwendungskontext, der Komplexität des jeweiligen Systems und dessen Rahmenbedingungen ab (Bitzer & Sørensen 2018, Pelikan et al. 2023, Schaefer, Bitzer & Dierks 2019, Schaeffer et al. 2018). Wichtige Aspekte hierbei sind die Bereitschaft und Fähigkeit beispielweise von Ärztinnen und Ärzten, Pflegenden und weiteren Gesundheitsberufen, die Gesundheitskompetenz ihrer Patienten oder Klienten aktiv zu fördern (Jordan 2023). Der professionellen Gesundheitskompetenz kommt hier eine zentrale Rolle zu (Schaeffer, Haarmann & Griese 2023).

Es geht also darum, dass Einrichtungen und die in ihnen arbeitenden Berufe sich in der Rolle sehen, die personale Gesundheitskompetenz von Nutzenden oder Patienten auf systemischer bzw. struktureller Ebene zu adressieren (Pelikan et al. 2023, Bitzer & Sørensen 2018, Pelikan et al. 2023, Rathmann et al. 2021, Schaefer, Bitzer & Dierks 2019, Schaeffer et al. 2018, Vogt & Schaeffer 2022, Vogt & Schaeffer 2022). Das damit angesprochene relationale Verständnis von Gesundheitskompetenz wird mittlerweile im Konzept der „organisationalen bzw. systemischen Gesundheitskompetenz“ aufgegriffen (u.a. Pelikan et al. 2023). Die Anzahl an Konzepten und Definitionen sowie darauf abgestimmten Erhebungs- bzw. Messinstrumenten ist stetig angewachsen (für einen Überblick: Dietscher & Pelikan 2023, Rathmann & László 2024a, Rathmann & László 2024b, Rathmann & László 2024c, Rathmann & László 2024d, Vogt & Schaeffer 2022a, Vogt & Schaeffer 2022). Deutlich wird dies in Abb. 1 (Pelikan et al. 2023).
Inzwischen stehen zahlreiche Toolboxen zur Stärkung der (organisationalen) Gesundheitskompetenz im deutschsprachigen Raum zur Verfügung (u.a. für Sozialversicherungen: Kraus-Füreder et al. 2021; für die Gesundheitsversorgung: Rathmann et al. 2021a, Rathmann et al. 2021b; für die Schule: Kirchhoff et al. 2022), die von Einrichtungen im Praxisalltag genutzt werden können.
Allerdings ist die Evidenzlage zur Effektivität von Maßnahmen der organisationalen Gesundheitskompetenz, u.a. auf die personale Gesundheitskompetenz und die Gesundheit sowie zu den förderlichen und hinderlichen Faktoren der Implementierung, für Deutschland noch unklar – bisher liegen überwiegend internationale Übersichtsarbeiten vor (u.a. Charoghchian Khorasani et al. 2020, Kaper et al. 2021, Palumbo 2021).
Die 2. Jahrestagung des DNGK in Fulda greift die skizzierten Aspekte zur organisationalen bzw. professionellen und systemischen Gesundheitskompetenz auf und legt den Schwerpunkt auf die für die organisationale Gesundheitskompetenz zentralen Punkte:
■ Professionelle Gesundheitskompetenz (z.B. Gesundheits-, Sozial-, Erziehungs- und Bildungsberufe).
■ Tools und Instrumente zur Messung und Förderung organisationaler Gesundheitskompetenz.
■ Entwicklung von, Zugang zu und Bereitstellung von verlässlichen Gesundheitsinformationen.
■ Erfahrungen mit der Implementation von organisationaler Gesundheitskompetenz – Theorie und Praxis.
■ Anforderungen an und Erfahrungen mit Maßnahmen zur Erhöhung organisationaler Gesundheitskompetenz.
Den Auftakt in die Tagung bilden zwei Keynote-Vorträge von Frau Christina Dietscher (Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Sektion VI, Wien/Österreich) mit dem Titel „Gesundheitskompetenz in Organisationen und auf Systemebene fördern – Ansätze, Instrumente, Erfahrungen“ und von Saskia DeGani (Zentrum für Gesundheitskompetenz, Careum Zürich/Schweiz) mit dem Titel „Herausforderungen und Chancen der organisationalen Gesundheitskompetenz in der Schweiz: Vom gemeinsamen Konzeptverständnis zur Implementierung“.
Die Tagung, bei der mehr als 100 Gäste erwartet werden, bietet neben Symposien mit (eingeladenen) Vortragenden auch Workshops im Tagungsprogramm an, die sich dem Schwerpunktthema der Tagung mit interaktiven Methoden zuwenden und den Austausch zum Tagungsmotto fördern.
Die Tagung soll – neben der Vernetzung von Mitgliedern und Beitragenden – dazu beitragen, Studienergebnisse aus Deutschland, Erfahrungswerte bei der Förderung und Anwendung von gesundheitskompetenzfördernden Maßnahmen zu präsentieren und zu diskutieren. Schließlich kann die Tagung dazu dienen, auch Bedarfe zur künftigen Forschung abzuleiten und zu formulieren und die Umsetzung der organisationalen Gesundheitskompetenz in Deutschland voranzutreiben.
Tagungskomitee
Prof. Dr. Katharina Rathmann
Tagungspräsidentin
Vorstand DNGK; Sozialepidemiologie und Gesundheitsberichterstattung, Hochschule Fulda
Eva-Maria Bitzer, Susanne Jordan, Corinna Schaefer
Vorstand DNGK
Doris Schaeffer, Orkan Okan, Kevin Dadaczynski
Nationaler Aktionsplan Gesundheitskompetenz; Allianz für Gesundheitskompetenz in der Schule
Literatur:
• Bitzer, E. M.; Sørensen, K. (2018): Gesundheitskompetenz – Health Literacy. Das Gesundheitswesen 80 (08/09): 754–766.
• Charoghchian Khorasani, E.; Tavakoly Sany, S.B.; Tehrani, H.; Doosti, H.; Peyman, N. (2020): Review of organizational health literacy practice at health care centers: outcomes, barriers and facilitators. Int J Environ Res Public Health 17(20):7544.
• Kaper, M.S.; Sixsmith, J.; Reijneveld, S.A.; de Winter, A.F. (2021): Outcomes and critical factors for successful implementation of organizational health literacy interventions: a scoping review. Int J Environ Res Public Health 18(22):11906.
• Kirchhoff, S.; Krudewig, C.; Okan, O. (2022): Unterrichtsmaterialien und Schulprogramme zur Stärkung der Gesundheitskompetenz. Materialsammlung für Schulen. Gefördert durch das Bundesministerium für Gesundheit. Technische Universität München. Online verfügbar unter: https://gekoorg-schule.de/wp-content/uploads/2023/03/Materialsammlung-GeKoOrg-Schule.pdf (abgerufen am: 18.02.2024).
• Jordan, S. (2023): Gesundheitskompetenz/Health Literacy. In: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) (Hrsg.). Leitbegriffe der Gesundheitsförderung und Prävention. Glossar zu Konzepten, Strategien und Methoden. https://doi.org/10.17623/BZGA:Q4-i065-3.0
• Kraus-Füreder, H.; Soffried, J.; Holler, P. (2020): Methodenbox: Die gesundheitskompetente Sozialversicherung. Die gesundheitskompetente Sozialversicherung. Wien. Online verfügbar unter: https://www.sozialversicherung.at/cdscontent/load?contentid=10008.731981&version=1580910437 (abgerufen am: 18.02.2024).
• Palumbo, R. (2021): Leveraging organizational health literacy to enhance health promotion and risk prevention: a narrative and interpretive literature review. Yale J Biol Med 94(1):115–128.
• Pelikan, J. M.; Dietscher, C.; Straßmayr, C. (2023): Organisationale Gesundheitskompetenz: Überblick. In: Rathmann, K.; Dadaczynski, K.; Okan, O.; Messer, M. (Hrsg.): Gesundheitskompetenz. Springer Reference Pflege – Therapie – Gesundheit. Berlin/Heidelberg: Springer. https://doi.org/10.1007/978-3-662-67055-2_4.
• Rathmann, K.; Dadaczynski, K.; Lutz, J.; Richardt, A.; Salewski, L.; Vockert, T.; Zelfl, L.; Spatzier, D. (2021a): Toolbox zur Stärkung der Gesundheitskompetenz in Einrichtungen der Gesundheitsversorgung (Version 1). Fulda: Hochschule Fulda. Online verfügbar unter: https://ewiko-gesundheitskompetenz.de/medien/toolbox-gesundheitsversorgung.pdf(abgerufen am: 18.02.2024).
• Rathmann, K.; Lutz, J.; Richardt, A.; Salewski, L.; Vockert, T.; Zelfl, L.; Spatzier, D. (2021b): Toolbox zur Stärkung der Gesundheitskompetenz in Einrichtungen der Eingliederungshilfe in den Bereichen Wohnen und Arbeiten (Version 1). Fulda: Hochschule Fulda. Online verfügbar unter: https://ewiko-gesundheitskompetenz.de/medien/toolbox-eingliederungshilfe.pdf (abgerufen am: 18.02.2024).
• Rathmann, K.; László, E.; Wetzel, L. D.; Spatzier, D. (2023b): Schritt-für-Schritt-Anleitung zur Entwicklung der organisationalen Gesundheitskompetenz: In sieben Schritten zur gesundheitskompetenten Einrichtung. Fulda: Hochschule Fulda. Online verfügbar unter: https://fuldok.hs-fulda.de/opus4/frontdoor/index/index/docId/1011(abgerufen am: 18.02.2024).
• Rathmann, K.; László, E. (2024a): Übersicht über Definitionen der organisationalen Gesundheitskompetenz. Online verfügbar unter: https://fuldok.hs-fulda.de/opus4/frontdoor/index/index/docId/1033 (abgerufen am: 18.02.2024).
• Rathmann, K.; László, E. (2024b): Übersicht über Konzepte und Merkmale der organisationalen Gesundheitskompetenz. Fulda: Hochschule Fulda. Online verfügbar unter: https://fuldok.hs-fulda.de/opus4/frontdoor/index/index/docId/1034 (abgerufen am: 18.02.2024).
• Rathmann, K.; László, E. (2024c): Übersicht über Erhebungsinstrumente zur Erfassung der organisationalen Gesundheitskompetenz in Einrichtungen der Gesundheitsversorgung. Fulda: Hochschule Fulda. Online verfügbar unter: https://fuldok.hs-fulda.de/opus4/frontdoor/index/index/docId/1031 (abgerufen am: 18.02.2024).
• Rathmann, K.; László, E. (2024d): Gesundheitskompetenz in die Praxis bringen: Überblick über Tools und Methoden zur Stärkung der organisationalen Gesundheitskompetenz. Fulda: Hochschule Fulda. Online verfügbar unter: https://fuldok.hs-fulda.de/opus4/frontdoor/index/index/docId/1032 (abgerufen am: 18.02.2024).
• Schaefer, C.; Bitzer, E. M.; Dierks, M. L. (2019): Mehr Organisationale Gesundheitskompetenz in die Gesundheitsversorgung bringen! Ein Positionspapier des DNGK. Online verfügbar unter: https://dngk.de/wp-content/uploads/2022/01/dngk-pos-pap-ogk-2019-11-16.pdf (abgerufen am: 18.02.2024).
• Schaeffer, D.; Haarmann, A.; Griese, L. (2023): Professionelle Gesundheitskompetenz ausgewählter Gesundheitsprofessionen in Deutschland. Ergebnisse des HLS-PROF-GER. Berlin/ Bielefeld: Hertie School, Universität Bielefeld, Stiftung Gesundheitswissen. Online verfügbar unter: www.stiftung-gesundheitswissen.de/projekte/professionelle-gesundheitskompetenz-von-ausgewaehlten-gesundheitsberufen-eine-pilotstudie (abgerufen am: 18.02.2024).
• Schaeffer, D.; Vogt, D. (2022): Gesundheitskompetente Organisationen. Zweiter Teilbericht – Umsetzungsbedingungen in der ambulanten Medizin und Pflege. Bielefeld: Interdisziplinäres Zentrum für Gesundheitskompetenzforschung (IZGK), Universität Bielefeld.
• Schaeffer, D.; Hurrelmann, K.; Bauer, U.; Kolpatzik, K. (2018): Nationaler Aktionsplan Gesundheitskompetenz. Die Gesundheitskompetenz in Deutschland stärken. Berlin: KomPart. Online verfügbar unter: https://www.nap-gesundheitskompetenz.de/ (abgerufen am: 18.02.2024).
• Vogt, D.; Schaeffer, D. (2022): Gesundheitskompetente Organisationen. Erster Teilbericht – Bestandsaufnahme vorliegender Konzepte und Basis-Materialsammlung. Bielefeld: Interdisziplinäres Zentrum für Gesundheitskompetenzforschung (IZGK), Universität Bielefeld.
Autorinnen und Autoren:
Prof. Dr. Katharina Rathmann
Hochschule Fulda, Fachbereich Gesundheitswissenschaften,
Public Health Zentrum Fulda/PHZF
Prof. Dr. Eva-Maria Bitzer
Pädagogische Hochschule Freiburg,
Public Health & Health Education
Prof. Dr. Marie-Luise Dierks
Medizinische Hochschule Hannover,
Institut für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung
Dr. Susanne Jordan
Robert Koch-Institut, Abteilung für
Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring
Prof. Dr. Kevin Dadaczynski
Hochschule Fulda, Fachbereich Gesundheitswissenschaften, Public Health Zentrum Fulda/PHZF
Prof. Dr. Orkan Orkan
Technische Universität München,
School of Medicine and Health, Department
of Health and Sport Sciences,
WHO Collaborating Centre for Health Literacy
Prof. Dr. Doris Schaeffer
Interdisziplinäres Zentrum für Gesundheitskompetenzforschung, Universität Bielefeld; Hertie School Berlin
Corinna Schaefer
Ärztliches Zentrum für Qualität
in der Medizin, Berlin