Wie bedarfsgerechte Versorgung gemessen werden kann

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Autor: NÖ Landesgesundheitsagentur

Eine am Bedarf der Bevölkerung orientierte, hochqualitative medizinische und pflegerische Versorgung sollte das oberste Ziel von Gesundheitseinrichtungen sein. Sie kann dazu beitragen, (Ressourcen richtig einzusetzen und) eine harmonisierte Versorgung von Patientinnen und Patienten zu ermöglichen. Doch wie kann der „Bedarf“ festgestellt werden? Ein schnell geschriebenes Wort, welches schwierig zu definieren ist. Die NÖ Landesgesundheitsagentur (NÖ LGA) hat vor einigen Jahren ein Modell entwickelt, um den Bedarf für ausgewählte medizinische, meist hoch-planbare Leistungsspektren festzustellen. Das Modell der „Versorgungsdichte-Messung“ ist in der Leistungssteuerung des Konzerns im Einsatz.

Im gesetzlichen Auftrag verankert

Im gesetzlichen Auftrag der NÖ LGA ist die Sicherstellung einer zeitgemäßen, bedarfsgerechten, patientenorientierten und effizienten medizinischen und pflegerischen Versorgung verankert. Je nach Versorgungsauftrag und Angebot der einzelnen Standorte wird die Versorgung von Patientinnen und Patienten sowie Bewohnerinnen und Bewohnern einerseits aus Niederösterreich und andererseits aus anderen Bundesländern übernommen.

Die Wohnbevölkerung aus dem natürlichen Einzugsgebiet der Standorte ist nicht allein ausschlaggebend, um bedarfsgerecht zu versorgen. Ein solches Modell würde davon ausgehen, dass jede/r Patient/in eine Versorgungsleistung immer im nächstgelegenen Klinikum erhält. Da dies nicht der Fall ist, entwickelte die Abteilung Leistungs- und Strukturstrategie der NÖ LGA vor einigen Jahren ein Modell, welches das Einzugsgebiet überregional und nach der tatsächlichen Patientenbewegung berechnet. Die entwickelte Maßzahl wird Versorgungsdichte genannt.

Die Berechnung der Versorgungsdichte

Die Versorgungsdichte gibt an, wie hoch die Leistungsintensität für ausgewählte Bereiche ist. Sie sagt aus, wie viele Leistungen bezogen auf umgerechnet 1.000 Einwohner bzw. Einwohnerinnen eines Einzugsgebietes erbracht oder in Anspruch genommen wurden. Die Modellrechnung basiert auf medizinischen Leistungsdaten von Gesamtösterreich. Als Bedarf wird der gestutzte Österreichwert der Versorgungsdichte definiert. Dies bedeutet, dass Maximal- und Minimalwerte von Österreich aus der Berechnung ausgeschlossen werden. Etwaige altersverzerrende Effekte werden durch eine Altersstandardisierung ausgeschlossen.

Die Versorgungsdichte kann auf zwei unterschiedliche Arten betrachtet werden:

Quellbezogene Betrachtung
Die Berechnung der Versorgungsdichte erfolgt z.B. für eine Bezirksbevölkerung. Sie sagt aus, wie viele Personen eines Bezirkes eine spezielle Leistung in Anspruch genommen haben. Ergebnis: Die Einwohnerinnen und Einwohner eines Bezirkes nehmen eine Leistung (z.B. Kniearthroskopie) mehr oder weniger als Vergleichsbezirke in Anspruch. Die quellbezogene Betrachtung umfasst die Leistungserbringung aller Gesundheitseinrichtungen. Sie ist nur bedingt für einen Krankenanstalten-Träger wie die NÖ LGA in der Steuerung einsetzbar.
Zielbezogene Betrachtung
Um die überregionale Leistungserbringung ins Verhältnis zu setzen, wird in der NÖ LGA die zielbezogene Versorgungsdichte berechnet. Sie sagt aus, wie viele Leistungen ein Standort für ein gewisses Einzugsgebiet erbracht hat. Dies bedeutet, dass das Einzugsgebiet aufgrund jener Patienten und Patientinnen berechnet wird, welche tatsächlich versorgt wurden. Dabei wird ein gewisser Anteil des Einzugsgebietes jenem Klinikstandort zugerechnet, wo ein/e Patient/in mit Leistung versorgt wurde. Es ist unerheblich, wo der/die Patient/in in Österreich wohnhaft ist. Ergebnis: Standort X erbringt im Verhältnis zu seinem Einzugsgebiet mehr oder weniger Leistungen (z.B. Kniearthroskopien) als Vergleichsstandorte in Österreich. Die zielbezogene Betrachtung ermöglicht einen fairen Vergleich der Standorte. Die Leistungsmenge der NÖ LGA Standorte kann vom Konzern gemessen und steuernd beeinflusst werden.

Der Korridor der Vernunft

Es ist nicht Ziel, eine Punktlandung, sprich konkrete Anzahl an Leistungen, zu erreichen, sondern dass sich die Leistungserbringung in Wertebereichen bewegt. Dazu wird die einfache und zweifache Standardabweichung der Versorgungsdichte-Werte auf den, in diesem Fall gestutzten Österreich-Durchschnitt angewendet. Der innere Korridor, welcher sich dadurch ergibt, wird in der NÖ LGA „Korridor der Vernunft“ genannt. Wenn die Leistungserbringung in diesem Wertebereich stattfindet, wird unterstellt, dass eine bedarfsgerechte Versorgung erfolgt.

Anwendung und Integration in der Steuerung der NÖ LGA

Auch in den strategischen Zielen der NÖ LGA ist die bedarfsgerechte Versorgung von Patientinnen und Patienten sowie von Bewohnerinnen und Bewohnern verankert. In der jährlichen Planung der Voranschläge sowie im unterjährigen Monitoring ist sie integriert. Die Versorgungsdichtekorridore werden für ausgewählte Leistungsbündel, eine Zusammenfassung gleichartiger Leistungen, je Klinikstandort berechnet. Anschließend werden die Planwerte je Bündel und Standort anhand der Korridore eingeordnet. Bewegt sich die Planung innerhalb der Korridore, kann die Leistungserbringung wie geplant im nächsten Jahr erfolgen. Sollte die Leistungsplanung außerhalb der Korridore liegen, wird in Gesprächen mit den regionalen Verantwortungsträgerinnen und Verantwortungsträgern ein Mengengerüst verhandelt, welches sich in Richtung Bedarfsorientierung bewegt. Die Ressourcenplanung wie Finanzen oder Personal kann auch darauf referenzieren.

Im laufenden Erbringungsjahr werden die Korridore auch auf die tatsächliche Leistungserbringung umgelegt. So wird versucht, eine bedarfsgerechte Versorgung zu erreichen, und es kann etwaigen Fehlentwicklungen frühzeitig in regelmäßig stattfindenden Steuerungsgesprächen entgegengewirkt werden.

Einsatz über die Konzerngrenzen hinaus

Das Modell der Versorgungsdichte wird nicht nur konzernintern eingesetzt. Nach einer Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wurde die Versorgungsdichte in den regulären Prozess der bundesweiten einheitlichen Messung der Ergebnisqualität (AIQI – Austrian Inpatient Quality Indicators) (1) integriert. Somit wird ein neuer Weg der Betrachtung von Unterschieden in der Versorgungsqualität ermöglicht, welcher anhand acht definierter Schritte erfolgt.

Ziele und Nutzen der Versorgungsdichte

Neben der Sicherstellung einer bedarfsgerechten Versorgung kann eine Steuerung der Leistungserbringung zur Einhaltung budgetärer Mittel und Ressourcen erfolgen. Zudem wird ein fairer Vergleich auf Bezirks- und Standortebene ermöglicht. Die größte Chance ist jedoch, dass eine harmonische, gleich verteilte Versorgung für die Bevölkerung bzw. eines Einzugsgebiets erreicht werden kann. Die Versorgungsdichte kann den wertvollen Hinweis liefern, dass Standorte bzw. Bundesländer mehr oder weniger Leistungen als ein anderer Teil erbringen. Personen in Österreich hätten somit eine vergleichbare Chance, eine Versorgungsleistung zu erhalten, egal in welchem Bezirk oder Bundesland sie wohnhaft sind. Ist das nicht ein erstrebenswertes Ziel?

1 Ergebnisqualitätsmessung (sozialministerium.at) – A-IQI-Bericht 2022

Informationen zu Autorin & Team:

Autorin: Christa Hagmann, MA
Medizinisch-Pflegerisches Leistungsmanagement

Die Abteilung Leistungs- und Strukturstrategie der NÖ LGA besteht aus drei Bereichen.

Ein Bereich ist das Medizinisch-Pflegerische Leistungsmanagement (MPLM), welcher aus vier Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern besteht.

Das MPLM (Bereichsleitung: Christa Hagmann, MA, Team: Kristina Fischer, MA, Florian Macho, MA, Elisabeth Robier, BA, MA) trägt zur Steuerung des Leistungsgeschehens der NÖ LGA und zur bedarfsgerechten Versorgung von Patientinnen und Patienten sowie Bewohnerinnen und Bewohnern bei.

Dies wird erreicht, indem das Modell der Versorgungsdichte in den Steuerungskreis von Planung und unterjährigem Monitoring routinemäßig integriert ist und angewendet wird.

Die Leistungserbringung ausgewählter Leistungen wird in Relation zum tatsächlichen Einzugsgebiet betrachtet, sodass eine dem Bedarf entsprechende Leistungsmenge für die Kliniken abgeleitet werden kann.